Der TVöD ist nicht der erste Tarifvertrag, der Regelungen zur Qualifizierung der Beschäftigten enthält. Der Ursprung für die tarifvertragliche Regelung der Qualifizierung ist sicherlich in den Rationalisierungsschutztarifverträgen – für den öffentlichen Dienst der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte vom 9.1.1987 (RatSchTVAng) und der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter des Bundes und der Länder vom 9.1.1987 (RatSchTVArb) bzw. der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Arbeiter im Bereich der VKA vom 9.10.1987 (TVRationArbVKA) – zu sehen, wo bei einem konkret drohenden Arbeitsplatzverlust die Qualifizierung der betroffenen Arbeitnehmer ein Element zur Erhaltung der Beschäftigung beim konkreten Arbeitgeber ist. Inzwischen gibt es eine Vielzahl tarifvertraglicher Regelungen zur Qualifizierung. Im Jahr 2000 existierten Regelungen in ca. 40 Wirtschaftszweigen.[1] Einige davon sollen hier erwähnt werden:

  • Vereinbarung der Deutsche Shell AG mit der damaligen IG Chemie, Papier, Keramik über ein Programm zur Weiterqualifizierung der Mitarbeiter der Deutschen Shell Aktiengesellschaft vom 5.2.1988, die keinen individuellen Qualifizierungsanspruch der Arbeitnehmer vorsieht.[2]
  • Der Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrag I (LGRTV I) für die Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 1.4.1988, der später auf ganz Baden-Württemberg erstreckt wurde, verpflichtete den Arbeitgeber, regelmäßig den Qualifikationsbedarf zu ermitteln, diesen einmal jährlich mit dem Betriebsrat zu beraten und einen Qualifikationsplan zu erstellen.[3]
  • In der Nachfolgeregelung dazu, dem Qualifizierungstarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg vom 5.7.2001, ist ein individueller Anspruch auf ein Qualifizierungsgespräch geregelt. Wird ein Qualifizierungsbedarf festgestellt, ist der Arbeitnehmer zur Teilnahme an der Qualifizierungsmaßnahme verpflichtet. Die Kosten der Qualifizierung trägt allein der Arbeitgeber; der Arbeitnehmer hat zusätzlich einen Anspruch auf Vergütung der Lernzeit wie Arbeitszeit sowie auf Reisekostenerstattung. Geregelt ist auch ein so genanntes "Sabbatical", nach dem der Arbeitnehmer nach einer bestimmten Betriebszugehörigkeitsdauer bis zu drei Jahre an einer Qualifizierungsmaßnahme teilnehmen kann und anschließend ein Rückkehrrecht per Wiedereinstellungsanspruch hat.[4]
  • Der Qualifizierungstarifvertrag von Volkswagen vom 28.8.2001 (so genanntes (Hartz)-Konzept 5.000 × 5.000). Dort hat Volkswagen mit seiner Tochter-GmbH ein dreistufiges Qualifizierungskonzept entwickelt, nach dem ausgewählte Arbeitslose ein Training erhalten, danach sechs Monate im Betrieb für die allgemeine Automobiltauglichkeit qualifiziert werden, anschließend erfolgt eine individuelle Qualifizierung zusätzlich zur wertschöpfenden Arbeitszeit.[5] Die Arbeitnehmer haben beim letzten Schritt die Hälfte der individuellen Qualifizierungszeit aus ihrer Freizeit einzubringen. Die Qualifizierung mündet in die zertifizierte "Fachkraft für Automobilbau".
  • Haustarifvertrag Compaq/Digital vom 27.11.1998 nutzt die Zeitkonten für die Qualifizierung der Arbeitnehmer bis 44 Stunden je Kalenderjahr. Der Arbeitgeber steuert ab der 22. bis zur 44. eingebrachten Stunde eine Freistellungsstunde bei.[6]
  • Debis-"Ergänzungs"-Tarifvertrag vom 18.3.1998 verpflichtet ähnlich dem LGRTV I den Arbeitgeber zur jährlichen Bildungsplanung mit dem Betriebsrat basierend auf der strategischen und operativen Planung des Unternehmens. Der Tarifvertrag differenziert zwischen Bildungsmaßnahmen zur Erfüllung aktueller und geplanter Aufgaben im Unternehmensinteresse einerseits und sonstigen Qualifizierungsmaßnahmen andererseits. Für erstere trägt der Arbeitgeber allein die Kosten und stellt die notwendige Zeit zur Verfügung (Anpassungsfortbildung). Im zweiten Fall muss der Arbeitnehmer mit der Hälfte des Zeitaufwands eine Eigenbeteiligung leisten. Die Arbeitnehmer haben für die sonstigen Qualifizierungsmaßnahmen einen jährlichen Mindestanspruch von fünf Arbeitstagen, die für fünf Jahre zusammengespart werden können, um an zeitintensiven Bildungsmaßnahmen teilnehmen zu können.[7]
  • Und schließlich der aktuelle Chemie-Tarifvertrag zur Qualifizierung vom 8.5.2003, der die Qualifizierungsplanung den Betriebspartnern überträgt, die individuelle Konkretisierung dagegen der Qualifizierungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Diese regeln auch die konkrete Kostenpflicht des Arbeitgebers und den Kostenbeitrag des Arbeitnehmers, der auch in Form von Zeit erbracht werden kann. Kommt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine Einigung zustande, kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber lediglich die Freistellung für eine außerbetriebliche Qualifizierungsmaßnahme verlangen, nicht jedoch eine Finanzierung.[8]

Vorbild für die Neuregelung im TVöD war der Tarifvertrag zur Qualifizierung im Chemie-Bereich vom 8.5.2003, der zum 1.1.2004 in Kraft getreten ist.

Trotzdem es also schon seit über zehn Jahren tarifvertragliche Reg...

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