Rz. 14
Der Gesetzgeber hat in § 17 BBiG erstmals eine Mindestausbildungsvergütung eingeführt, die für alle Ausbildungen/geschlossenen Berufsausbildungsverträge ab dem 1.1.2020 gelten. Dabei wurde nicht zwischen betrieblicher und außerbetrieblicher Berufsausbildung unterschieden, sodass in der Folge die Mindestausbildungsvergütung auch für außerbetriebliche Berufsausbildungen in einem Berufsbildungswerk oder einer anderen speziellen Ausbildungseinrichtung für Menschen mit Behinderungen Anwendung finden muss. Menschen mit Behinderungen erhalten in diesen Fällen weiterhin keine klassische Ausbildungsvergütung, sondern ein Ausbildungsgeld nach den §§ 122, 123 durch die zuständige Agentur für Arbeit. An diesem Leistungssystem will der Gesetzgeber weiterhin festhalten und hat deshalb keine Erhöhung der Bedarfssätze vorgenommen, sondern eine neue Bedarfsuntergrenze in Höhe der Netto-Mindestausbildungsvergütung in den Sätzen 2 und 3 eingeführt (vgl. BT-Drs. 19/14431 S. 64).
Rz. 15
Mit § 123 Satz 2 findet nur in den Fallgestaltungen der Nr. 1 bei Unterbringung im Elternhaushalt und der Nr. 3 bei anderweitiger Unterbringung Anwendung. In diesen Fällen ist stets eine Netto-Mindestausbildungsvergütung zu ermitteln. Liegt diese über dem jeweiligen Bedarfssatz, wird dieser Bedarfssatz entsprechend aufgestockt. Für die Netto-Mindestausbildungsvergütung sind in einem ersten Schritt die nach den § 17 Abs. 2 BBiG genannten Mindestausbildungsvergütungen heranzuziehen. Die Vergütungen werden bis zum Jahr 2023 schrittweise steigen und werden in jedem Ausbildungsjahr erhöht:
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2020 |
2021 |
2022 |
2023 |
1. Ausbildungsjahr |
515,00 EUR |
550,00 EUR |
585,00 EUR |
620,00 EUR |
2. Ausbildungsjahr (+ 18 % im Vergleich zum 1. Jahr) |
608,00 EUR |
649,00 EUR |
690,00 EUR |
732,00 EUR |
3. Ausbildungsjahr (+ 35 % im Vergleich zum 1. Jahr) |
695,00 EUR |
743,00 EUR |
790,00 EUR |
837,00 EUR |
4. Ausbildungsjahr (+ 40 % im Vergleich zum 1. Jahr) |
721,00 EUR |
770,00 EUR |
819,00 EUR |
868,00 EUR |
Die maßgebliche Mindestausbildungsvergütung wird um Steuern (Lohnsteuer, Kirchensteuer und bis 2020 Solidaritätszuschlag) vermindert. Ergänzend wird die Sozialversicherungspauschale nach § 153 Abs. 1 (vgl. Komm. zu § 153) in Höhe von 20 % von der o. g. Vergütung abgezogen. Die ermittelte Netto-Mindestausbildungsvergütung wird nun mit dem Bedarfssatz abgeglichen. Eine Differenz erhöht den Bedarfssatz.
Rz. 16
Mit § 123 Satz 3 regelt der Gesetzgeber die Ermittlung des Ausgleichsbetrages für Auszubildende mit Behinderungen, die in einem Wohnheim oder Internat untergebracht sind und die Unterkunft und Verpflegung voll übernommen wird. In diesen Fällen ist analog zu § 123 Satz 2 die Netto-Mindestausbildungsvergütung zu ermitteln. Diese Vergütung wird um Sachbezüge für Verpflegung und Unterkunft erhöht. Diese Beträge ergeben sich aus der jährlich angepassten Sozialversicherungsentgeltverordnung. Für das Jahr 2023 sind als monatlicher Sachbezug für Verpflegung 288,00 EUR (2022: 270,00 EUR; 2021: 263,00; 2020: 258,00 EUR; 2019: 251,00 EUR) in § 2 Abs. 1 Satz 1 SvEV und als monatlicher Sachbezug für Unterkunft in 2023 256,00 EUR (2022: 241,00 EUR; 2021: 237,00 EUR; 2020: 235,00 EUR; 2019: 231,00 EUR) in § 2 Abs. 3 Satz 1 SvEV pauschaliert geregelt. Die so fiktiv ermittelte Vergütung wird nun mit dem Bedarfssatz verglichen. Ergibt sich bei diesem Vergleich eine höhere Netto-Mindestausbildungsvergütung, wird die Differenz als Ausgleichsbetrag (Erhöhung Bedarfssatz) gezahlt. Die Wohn- und Verpflegungskosten werden in diesen Fällen weiterhin vollständig durch die Agentur für Arbeit übernommen.
Rz. 17
Die Regelung zur Vergleichsberechnung gelten nur für außerbetriebliche Ausbildungen, die ab 1.1.2020 neu begonnen wurden. Üblicher Eintrittstermin für diese Ausbildungen ist der August/September. Die gesetzliche Neuregelung findet daher erstmals nur für vereinzelte Nachrücker und ggf. unterjährig neu begonnene Ausbildungsverhältnisse Anwendung. Bereits bestehende und vorher begonnene Berufsausbildungen sind hiervon nicht umfasst (vgl. ergänzend Komm. zu § 422).
Rz. 18
Als weitere Folge der Berücksichtigung der Mindestausbildungsvergütung mussten auch die Regelungen zur Tragung der Sozialversicherungsbeiträge angepasst werden. Nach bisherigem Recht hat die ausbildende Stelle bei einer außerbetrieblichen Ausbildung die Beiträge allein getragen. Ab dem 1.1.2020 ist eine Beitragstragung von Auszubildenden und Arbeitgebern/ausbildender Stelle – wie üblich – je zur Hälfte angezeigt (vgl. Folgeänderungen durch Aufhebung von § 346 Abs. 1b, Aufhebung von § 251 Abs. 4c SGB V, gilt auch für die Pflegeversicherung, Aufhebung von § 162 und § 168 Abs. 1 Nr. 3a SGB VI sowie Ergänzung von § 1 SGB VI).