Rz. 369
Kündigungsschutzklagen des Arbeitnehmers können sich sowohl auf formal korrekte schriftliche Kündigungen wie auch auf eine die Schriftform nicht wahrende Kündigung beziehen. Wird die Schriftform für die Kündigung nicht eingehalten, ist eine Klage auf Unwirksamkeit der Kündigung aus diesem Grund grundsätzlich ohne Frist möglich, eine Grenze wird da zu ziehen sein, wo das Klagerecht gegen die Kündigung verwirkt ist. Für insoweit ordnungsgemäße schriftliche Kündigungen gilt eine Ausschlussfrist von 3 Wochen.
Diese Frist ist maßgebend für Kündigungsschutzklagen bei
- ordentlichen Kündigungen,
- Änderungskündigungen (bei Annahme unter Vorbehalt des § 2 KSchG genügt eine Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 und später Satz 2 KSchG; vgl. BAG, Urteil v. 21.5.2019, 2 AZR 26/19),
- außerordentlichen Kündigungen,
- außerordentlichen Änderungskündigungen,
- außerordentlichen Kündigungen von Auszubildenden (vgl. § 22 BBiG),
- Kündigungen durch einen Insolvenzverwalter,
- Kündigungen von Arbeitnehmern in Kleinbetrieben,
- Kündigungen von Arbeitnehmern, die noch nicht die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG erfüllt haben.
Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage prüft das Gericht eingehend auch, ob als Folge der vertraglichen Gestaltungen überhaupt ein Arbeitsverhältnis vorgelegen hat, ohne das eine Klagestattgabe ausgeschlossen ist (BAG, Urteil v. 21.5.2019, 9 AZR 295/18). Das LAG Berlin-Brandenburg sieht einen allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch als möglich an, wenn der Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht zur Abgabe einer Willenserklärung über den rückwirkenden Abschluss eines Arbeitsvertrages verurteilt worden ist. § 311a Abs. 1 BGB hat frühere gegenteilige Rechtsprechung überholt (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 16.1.2016, 58 Ga 1066/16). Es können Zwangsmittel zur Durchsetzung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs eingesetzt werden (vgl. BAG, Beschluss v. 28.2.2023, 8 AZB 17/22).
Rz. 369a
Das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften sieht ab dem 1.1.2022 Erleichterungen der Formalitäten bei Einreichung eines elektronischen Dokuments vor. Ob sie anwendbar sind, hängt davon ab, wann eine prozessuale Frist abläuft, die gewahrt werden soll. Für die Formwirksamkeit der Einreichung eines elektronischen Dokuments ist lediglich noch zwingend, dass es im PDF-Format eingereicht wird. Dann ist entscheidend, ob das elektronische Dokument konkret zur Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist, auch wenn die vorgesehenen Standards nicht eingehalten sind. Es ist formunwirksam, wenn es nach dem konkreten Stand der elektronischen Aktenbearbeitung nicht bearbeitet werden kann, ohne ausgedruckt zu werden. Weist das Gericht nicht unverzüglich auf Formmängel im elektronischen Dokument hin, entfällt dadurch weder die Notwendigkeit noch die Möglichkeit des gesetzlichen Heilungsverfahrens. Es fehlt nicht an der Formwirksamkeit eines elektronischen Dokuments, wenn nicht sämtliche Schriftarten eingebettet sind (BAG, Beschluss v. 25.4.2022, 3 AZB 2/22; vgl. auch den Beschluss vom gleichen Tage, 3 AZB 3/22).
Rz. 370
Die Ausschlussfrist hat zum Ziel, einen längeren Schwebezustand über die Wirksamkeit von Kündigungen und in der Folge den Bestand von Arbeitsverhältnissen zu vermeiden. Für den Arbeitgeber bedeutet das alsbaldige Klarheit darüber, ob der Arbeitnehmer die ausgesprochene Kündigung hinnimmt oder vor Gericht die Unwirksamkeit der Kündigung geltend macht. Für die Einhaltung der Frist ist der Arbeitnehmer selbst verantwortlich, er muss ggf. angebotene Hilfe für Rechtsschutz in Anspruch nehmen, der Arbeitgeber ist nicht dazu verpflichtet, ihn auf die Ausschlussfrist hinzuweisen. Ihn trifft keine auf den Arbeitnehmer bezogene Rechtsberatungspflicht. Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer nach der Kündigungserklärung ausdrücklich auf eine Kündigungsschutzklage verzichten. Dies wird in relevanten Fällen, in denen eine Kündigungsschutzklage gute Aussichten auf Erfolg hätte, häufig mit einer Gegenleistung durch den Arbeitgeber verbunden sein, etwa eine Abfindung oder sonstige Entschädigung. Eine Klage ist nicht deshalb nachträglich zuzulassen, weil der Arbeitnehmer sich nicht nur vorübergehend im Ausland aufhält. Es kommt darauf an, ob er sichergestellt hat, dass er zeitnah Kenntnis von einem Kündigungsschreiben erhält, das in einen von ihm bereitgestellten Briefkasten eingeworfen wurde (BAG, Urteil v. 25.4.2018, 2 AZR 493/17).
Rz. 370a
Hat der Arbeitnehmer einen Kündigungsschutzprozess gewonnen, darf er auf die Arbeitsaufforderung des Arbeitgebers warten, er muss seine Arbeitskraft nicht von sich aus anbieten. Für die Aufforderung genügen Ort und Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme, der Arbeitgeber muss die Aufgaben nicht konkret bestimmen. Verweigert der Arbeitnehmer eine wirksame Arbeitsaufforderung in diesem Sinne, ist dieses Verhalten an sich dazu geeignet, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen (BAG, Urteil v. 19.1.2016, 2 AZR 449/15).
Rz. 370b
Führt der Arbeitnehmer eine ihm im Laufe des B...