Rz. 45
Die Rechtsverordnung nach Abs. 4 Satz 4 ordnet u. a. an, dass die Agenturen für Arbeit als Leistungsträger der Arbeitsförderung die Daten zu Merkmalen des Migrationshintergrundes für alle Ausbildung- und Arbeitsuchenden, Arbeitslosen und von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Rechtskreis des SGB III erheben.
Rz. 46
Es war zu erwarten, dass sich die Rechtsverordnung (vgl. Migrationshintergrund-Erhebungsverordnung v. 29.9.2010, BGBl. I S. 1372) an den für den Mikrozensus definierten Migrationshintergrund anlehnen wird. Daraus ergeben sich die zu erhebenden Merkmale.
In Anlehnung an das Konzept des Mikrozensus von 2005 verfügen Personen über einen Migrationshintergrund, wenn
- die Person nicht auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik geboren wurde und 1950 oder später zugewandert ist oder
- die Person keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder eingebürgert wurde oder die deutsche Staatsbürgerschaft nach § 7 Staatsangehörigkeitsgesetz gesetzlich erworben hat,
- ein Elternteil der Person mindestens eine der unter Nr. 1 oder 2 genannten Bedingung erfüllt.
Flüchtlinge fallen regelmäßig unter Nr. 1, ihre in Deutschland geborenen Kinder unter Nr. 3.
Vor diesem Hintergrund werden seit 2011 für alle Arbeitslosen und Leistungsempfänger nach dem SGB III erfasst, ob die deutsche Staatsbürgerschaft vorliegt, ob diese ggf. durch Einbürgerung oder nach § 7 Staatsangehörigkeitsgesetz erworben wurde und ob der Geburtsort der jeweiligen Person im Ausland liegt. Darüber hinaus wird erfragt, ob mindestens ein Elternteil der Person eine ausländische Staatsbürgerschaft besitzt, ob die deutsche Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung oder nach § 7 Staatsangehörigkeitsgesetz erworben wurde und ob der Geburtsort mindestens eines Elternteils im Ausland liegt. Dadurch wird es möglich, sowohl Zuwanderer als auch deren Kinder (die sog. 2. Generation) als Personen mit Migrationshintergrund zu identifizieren.
Zweifelhaft ist, ob die Rechtsverordnung aus tatsächlichen Gründen vollständig und zuverlässig ausgeführt werden kann, z. B. was die Zuwanderung im Jahr 1950 oder zuvor betrifft, insbesondere wenn es sich um einen bereits verstorbenen Elternteil handelt. Erhoben wird, ob die betreffende Person die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, ihr Geburtsort außerhalb der heutigen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland liegt und ob die Zuwanderung nach 1949 erfolgte, ob die deutsche Staatsangehörigkeit als Aussiedler oder Spätaussiedler, dessen Ehegatte oder dessen Abkömmling erworben wurde und ob der Geburtsort mindestens eines Elternteils der Person außerhalb der heutigen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland liegt und eine Zuwanderung dieses Elternteils nach 1949 erfolgte. Die erhobenen Daten sind getrennt von den übrigen Sozialdaten zu verarbeiten, ihre Nutzung durch die erhebenden Stellen ist durch technische Maßnahmen zu sperren, nach Speicherung der Daten sind die Erhebungsunterlagen zu vernichten. Dementsprechend wird festgestellt, ob ein Migrationshintergrund vorliegt. Die Daten zu (Spät-)Aussiedlern, dessen Ehegatten oder Abkömmlingen dienen nur der Ergänzung.
Rz. 47
Die gesetzlich intendierte Vollerhebung bedeutet einen erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand, der ohne entsprechende Personalzuteilung das operative Geschäft der Bundesagentur für Arbeit schwächt.
Rz. 48
Die Rechtsverordnung muss insbesondere sicherstellen, dass nach einheitlichen Kriterien erhoben und zugeordnet wird, um die Validität und Reliabilität der Statistiken zu gewährleisten. Dazu gehört auch eine detaillierte Bestimmung des Verfahrens.
Rz. 49
§ 281 bezieht sich auch formal nicht nur auf die Arbeitsförderung, also den Rechtskreis SGB III. Das kann auch seit dem 1.7.2020 nicht mehr aus dem Umstand abgeleitet werden, dass § 281 die Arbeitsförderung allein betrifft, denn dort ist die Grundsicherung für Arbeitsuchende ausdrücklich aufgenommen worden (vgl. insbesondere Abs. 1 Nr. 2 und 3). Mit dem Gesetz zur Einführung Unterstützter Beschäftigung ist in § 51b Abs. 2 SGB II ohnehin auch die Erhebung und Übermittlung der Merkmale des Migrationshintergrundes angeordnet worden. Die Reformgesetze zur Grundsicherung für Arbeitsuchende in 2010 und 2011 haben daran nichts geändert. Damit erstreckte sich die Erhebung schon bisher auch auf den Rechtskreis des SGB II. Statistische Aufgaben erledigt die Bundesagentur für Arbeit auch für die nach § 6a SGB II zugelassenen kommunalen Träger, die im Rahmen der §§ 6 Abs. 1 und 6b SGB II die Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende allein wahrnehmen. Mit der Erhebung der Daten wurde bereits im August 2011 begonnen.