0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Durch das Gesetz zur Änderung von Fristen und Bezeichnungen im Neunten Buch Sozialgesetzbuch und zur Änderung anderer Gesetze v. 3.4.2003 (BGBl. I S. 462) ist die Vorschrift mit Wirkung zum 1.1.2003 in Abs. 1, 2 und 3 geändert worden.
Durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 24.12.2003 (BGBl. I S. 2954) werden mit Wirkung zum 1.1.2005 in Abs. 4 und 6 sprachliche Anpassungen an die geänderten Bezeichnungen der Arbeitsverwaltung nachvollzogen.
Klarstellungen erfolgten mit Wirkung zum 1.5.2004 zu der durch das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter v. 29.9.2000 eingeführten "Kleinbetrieberegelung" in Abs. 2 Satz 2 und eine Folgeänderung zur Änderung des § 79 wurde in Abs. 6 durch das Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen v. 23.4.2004 (BGBl. I S. 606) mit Wirkung zum 1.1.2005 vorgenommen.
Redaktionelle Änderung aufgrund des Neuzuschnitts und der Neubezeichnung der Bundesministerien in Abs. 3 Satz 5 durch Art. 261 Nr. 1 der Neunten Zuständigkeitsanpassungsverordnung v. 31.10.2006 (BGBl. I S. 2407).
Eine Erhöhung der Ausgleichsabgabe (Abs. 3) erfolgte ab 1.1.2012 auf 115,00, 200,00 bzw. 290,00 EUR durch die Bekanntgabe des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales v. 16.12.2011, BAnz Nr. 196 v. 29.12.2011.
Eine weitere Erhöhung der Ausgleichsabgabe erfolgte ab 1.1.2016 auf 125,00, 220,00 bzw. 320,00 EUR durch die Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales v. 14.12.2015, BAnz AT 24.12.2015 B2.
Mit Inkrafttreten des Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) wird der bisherige § 77 mit Wirkung zum 1.1.2018 zu § 160. Er entspricht inhaltlich dem bisherigen § 77 mit Anpassungen der Verweisungen infolge der Verschiebung der Paragraphen im Schwerbehindertenrecht in Teil 3.
Eine weitere Erhöhung der Ausgleichsabgabe erfolgte ab 1.1.2021 auf 140,00; 245,00 bzw. 360,00 EUR durch die Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales v. 19.11.2020 (BAnz AT 30.11.2020 B1).
Mit dem Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts v. 6.6.2023 (BGBl. I Nr. 146) wird in Abs. 2 Nr. 4 zum 1.1.2024 eine 4. Staffel der Ausgleichsabgabe eingeführt für beschäftigungspflichtige Arbeitgeber, die keinen einzigen schwerbehinderten Menschen beschäftigen.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift behandelt die Pflicht zur Entrichtung der Ausgleichsabgabe, die Höhe, das Verfahren zur Erhebung sowie die Verwendung und die Verteilung der Mittel der Ausgleichsabgabe zwischen Bund und Ländern.
2 Rechtspraxis
2.1 Rechtscharakter der Ausgleichsabgabe
Rz. 3
Die Normen des § 160 Abs. 1 und 2 bilden zusammen mit den Vorschriften über die Beschäftigungspflicht (vgl. § 154) das Kernstück des Schwerbehindertenrechts. Arbeitgeber, die die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen, haben für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen monatlich eine Ausgleichsabgabe zu entrichten.
Rz. 4
Das BVerfG hat in seinem Urteil v. 26.5.1981 (1 BvL 56/78, 1 BvL 57/78, 1 BvL 58/78) die Verfassungsmäßigkeit der Ausgleichsabgabe bestätigt.
Bei der Ausgleichsabgabe handelt es sich nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung und ihrem materiellen Gehalt um eine Sonderabgabe, und nicht um eine allgemeine Steuer, weil ihr Aufkommen zweckgebunden verwaltet wird (vgl. Abs. 7 und § 161) und keinem "öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen" zufällt (zur zweckgebundenen Verwendung vgl. Abs. 5, § 161). Auch wird durch diese Abgabe eine homogene Gruppe, nämlich die Arbeitgeber, die durch eine gemeinsame Interessenlage verbunden ist und von der Allgemeinheit und anderen Gruppen zuverlässig abgrenzbar ist, belastet (belastet werden nämlich nur Arbeitgeber, die über Arbeitsplätze verfügen, auf ihren Arbeitsplätzen schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen haben, den gesetzlich festgelegten Prozentsatz aber nicht erfüllen). Insofern entspricht die Ausgleichsabgabe den materiellen Anforderungen, die verfassungsrechtlich an eine zulässige Abgabe gestellt werden (BVerfG, Urteil v. 10.12.1980, 2 BvF 3/77 zur Berufsausbildungsabgabe).
Rz. 5
Die Ausgleichsabgabe dient nicht der Finanzierung einer besonderen Aufgabe, sodass die vom BVerfG in dem o. a. Urteil zur Verfassungsmäßigkeit der Berufsbildungsabgabe aufgestellten Grundsätze über die Sachnähe der Abgabepflichtigen zum Abgabezweck und zur "gruppennützigen" Verwendung der Einnahmen nicht uneingeschränkt gelten. Die Erhebung der Ausgleichsabgabe verfolgt nicht den Zweck der Erzielung von Einnahmen für die Rehabilitation und Eingliederung schwerbehinderter Menschen. Dies ist vorrangige Aufgabe der Träger der beruflichen Rehabilitation und der Bundesagentur für Arbeit unter Finanzierung aus originären Haushaltsmitteln. Die Mittel der Ausgleichsabgabe sind nur zusätzlich zu diesen Leistungen zu verwenden (im Einzelnen vgl. Abs. 5 und § 161).
Rz. 6
Die Ausgleichsabgabe hat eine zweifache Funktion, eine Antriebs- und eine Ausgleichsfunktion. Sie...