Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsausbildungsbeihilfe. Wohnung außerhalb des Elternhaushalts. volljähriger Auszubildender. Wohnung im gleichen Haus. Nichtvorliegen einer Haushaltsgemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Wohnens außerhalb des Elternhaushaltes als persönliche Voraussetzung für die Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe nach § 64 Abs 1 S 1 SGB 3 in der bis zum 31.3.2012 gültigen Fassung - hier bejaht. Ein gemeinsamer Haushalt zwischen Auszubildendem und seinen Eltern setzt die jederzeitige Zugangsmöglichkeit zur Wohnung der Eltern bzw eines Elternteils voraus. Das Fehlen eines Kühlschranks in den abgeschlossenen Wohnräumen des Auszubildenden führt allein nicht zur Annahme, er sei in den Haushalt der Eltern integriert.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 1.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.1.2012 verurteilt, der Klägerin auf deren Antrag vom 20.9.2011 Berufsausbildungsbeihilfe dem Grunde nach zu gewähren.
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die am xx.x.1990 geborene Klägerin begehrt die Gewährung einer Berufsausbildungsbeihilfe ab dem 21.9.2011 für die Ausbildung zur Köchin in P.
Die Klägerin wohnt seit dem 4.1.2011 im Hause der Lebenspartnerin ihres Vaters in F. Sie bewohnt einen abgetrennten Bereich im Obergeschoss des Hauses, bestehend aus einem Zimmer, Flur sowie Bad und Balkon, auf der Grundlage eines mit der Lebenspartnerin des Vaters am 31.12.2010 geschlossenen Mietvertrags. Die Wohnfläche beträgt ca. 38 m². Bis zu dem genannten Zeitpunkt lebte sie im Haushalt ihrer Mutter im schleswig-holsteinischen R.
Die Berufsausbildungsbeihilfe beantragte die Klägerin am 20.9.2011.
Mit Bescheid vom 1.11.2011 lehnte die Beklagte die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe ab. Zur Begründung hieß es: Eine räumliche Trennung der Klägerin von ihrem väterlichen Elternteil liege nur teilweise vor. Laut Angaben der Vermieterin benutze die Klägerin die Küche in der Wohnung ihres Vaters gemeinsam.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 18.11.2011 Widerspruch ein. Sie trug vor: Ihr Vater bewohne mit seiner Lebenspartnerin einen abgeschlossenen Bereich im 2. OG. Die Küche in der Wohnung ihres Vaters nutze sie nur ab und an. Sie könne an ihrer Arbeitsstelle kochen. Im Übrigen versorge sie sich ohne Nutzung einer eigenen Küche. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Widerspruch Bezug genommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6.1.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung hieß es im Wesentlichen: Es reiche zwar aus, wenn keine häusliche Gemeinschaft bestehe, aber es liege keine eigene Wohnung vor. Der Begriff der Wohnung sei genau definiert: Es sei eine in sich geschlossene Einheit von Räumen, in denen ein selbstständiger Haushalt geführt werden könne. Wesentlich sei, dass eine Wasserversorgung und -entsorgung, zumindest eine einer Küche vergleichbare Kochgelegenheit sowie eine Toilette vorhanden sein müsse. Danach sei auch ein Einzimmerappartement mit Küchenzeile und WC als Nebenraum eine Wohnung. Daher könne man hier davon ausgehen, dass es sich bei dem Einzimmerappartement der Klägerin nicht um eine Wohnung handele, die die Führung eines eigenen Haushalts möglich mache. Es liege daher keine räumliche Trennung von ihrem Vater vor.
Mit ihrer am 6.2.2012 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren unter Darlegung im Einzelnen weiter. Im Wesentlichen heißt es: Die Grundannahmen der Beklagten seien unzutreffend. Die Klägerin wohne außerhalb des Haushalts ihres Vaters.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 1.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.1.2012 zu verurteilen, der Klägerin eine Berufsausbildungsbeihilfe gemäß §§ 59 ff. SGB III a.F. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf Widerspruchsbescheid und den Akteninhalt.
Am 25.9.2013 hat die mündliche Verhandlung vor der zuständig gewordenen 26. Kammer des Sozialgerichts Chemnitz (zuvor 2. Kammer) stattgefunden. Auf die hierüber gefertigte Niederschrift wird wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen. Die Klägerin wurde zu ihren Lebensumständen und dabei insbesondere zu ihrer Haushaltsführung befragt. Sie führte aus: Sie habe zunächst bei ihrer Mutter in R. gelebt und dort die Realschule besucht. Die Schule habe sie im Alter von 18 Jahren abgeschlossen. Ihr Wunsch sei es gewesen, eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau zu absolvieren. Sie habe sich aber im Raum R. vergeblich um einen entsprechenden Ausbildungsplatz bemüht. Zur Überbrückung habe sie ein Jahr lang bei der Imbisskette “W.„ gearbeitet. Schließlich habe sich die Möglichkeit einer Ausbildungsstelle als Köchin in P. ergeben. Zu diesem Zweck sei sie dann in ihre jetzige Wohnung gezogen. Im Erdgeschoss befinde sich eine weitere Wohnung, in der die Mutter der Lebenspartnerin ihres Vaters wohne. Die Wohnungen seien über ein Treppenhaus zu erreichen und seien durch eine separate Wohnungstür abgetrennt. Eine...