BAG, Urteil vom 22.2.2024, 6 AZR 126/23
Leitsatz (amtlich)
Die Hemmung der Stufenlaufzeit durch § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT während der Inanspruchnahme von Elternzeit verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Auch der Stufenrückfall und der Verlust der in der alten Entgeltgruppe und -stufe zurückgelegten Stufenlaufzeit in der neuen Entgeltgruppe aufgrund einer Höhergruppierung sind lediglich die Folge dieser Hemmung und daher mit höherrangigem Recht vereinbar.
Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Stufenzuordnung der Klägerin in der Entgeltgruppe 9b TVöD (VKA) im Zeitraum 2017 bis 2022 vor dem Hintergrund in Anspruch genommener Elternzeiten.
Die Klägerin ist seit März 2006 beim Beklagten als Sachbearbeiterin Leistungsgewährung SGB II beschäftigt. Der TVöD-VKA findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. In der Zeit vom 15.1. bis zum 9.11.2013 sowie vom 14.6.2016 bis zum 17.4.2017 und vom 21.2.2020 bis zum 18.1.2021 nahm die Klägerin Elternzeit in Anspruch. Wegen der damit verbundenen Hemmung der Stufenlaufzeit befand sie sich am 1.1.2017 wie bereits seit dem 1.3.2012 nach wie vor in der Stufe 4 ihrer Entgeltgruppe.
Mit Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung zum TVöD-VKA zum 1.1.2017 leitete der Beklagte die Klägerin zunächst in die Entgeltgruppe 8 Stufe 4 über. Aufgrund eines Antrages der Klägerin auf Höhergruppierung im Rahmen der neuen Entgeltordnung gruppierte der Beklagte die Klägerin rückwirkend ab dem 1.1.2017 in die Entgeltgruppe 9a TVöD ein. Er ordnete sie darin der Stufe 3 zu, weil er von einer Höhergruppierung ausging. Nachdem die Klägerin – erfolglos – die aus ihrer Sicht zutreffende Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9b gegenüber dem Beklagten geltend gemacht hatte, erhob sie dahingehend – erfolgreich -Eingruppierungsfeststellungsklage. In der Revisionsinstanz streiten die Parteien nur noch darüber, welcher Stufe die Klägerin in dieser Entgeltgruppe zuzuordnen war.
Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass sie in der Entgeltgruppe 9b seit dem 1.10.2017 nach der Stufe 5 zu vergüten sei; denn die tarifliche Regelung, wonach eine Höhergruppierung zu einem Wegfall bereits absolvierter Stufenlaufzeit führe, verstoße gegen höherrangiges Recht. Sie habe die Stufenlaufzeit vor dem Überleitungszeitpunkt am 1.1.2017 nur wegen der Inanspruchnahme von Elternzeiten nicht vollenden können. Bei der Stufenzuordnung sei daher die vor dem 1.1.2017 absolvierte Stufenlaufzeit zu berücksichtigen.
Die Entscheidung
Die Klage hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Das Gericht entschied, dass der Beklagte nicht verpflichtet war, der Klägerin im maßgeblichen Streitzeitraum eine Vergütung nach der Stufe 5 der Entgeltgruppe 9b TVöD zu zahlen.
Es führte zunächst aus, dass die Anordnung der Regeln der betragsbezogenen Stufenzuordnung nach Höhergruppierung durch § 29b Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei. Die Tarifvertragsparteien durften auch für die Stufenzuordnung nach Höhergruppierungen, die allein auf Höherbewertungen der unverändert gebliebenen Tätigkeit beruhen, an der betragsbezogenen Stufenfindung gem. § 17 Abs. 4 Satz 1 TVöD-AT a. F. festhalten und mussten dafür kein eigenständiges Stufenfindungssystem schaffen (vgl. BAG, Urteil vom 25.1.2024 – 6 AZR 363/22).
Die Hemmung der Stufenlaufzeit während der Inanspruchnahme von Elternzeiten durch § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD-AT ist nach Auffassung des BAG mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Klägerin wird durch die Regelung des § 17 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 TVöD-AT nicht wegen ihres Geschlechts diskriminiert, da die Bestimmung weder unmittelbar noch mittelbar geschlechtsdiskriminierende Wirkung entfalte.
Des Weiteren gebiete, so das Gericht weiter, auch die Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG nicht die Berücksichtigung der Elternzeit für den Stufenaufstieg im Entgeltsystem des TVöD. Insbesondere müssten die Tarifvertragsparteien nicht für einen Ausgleich der Nachteile sorgen, die sich für die Beschäftigten daraus ergaben, dass nach der gesetzlichen Ausgestaltung das Arbeitsverhältnis in der Zeit des Erziehungsurlaubs ruht (vgl. hierzu schon BAG, Urteil vom 27.1.2011 – 6 AZR 526/09).
Weiter führte das BAG aus, dass wenn die Hemmung der Stufenlaufzeit während der Elternzeit nicht gegen § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG verstößt, die Zuordnung der Klägerin zur Stufe 4 statt zur Stufe 5 nach ihrer Höhergruppierung, die nach dem Stufenfindungssystem des TVöD allein die Konsequenz der aus dieser Hemmung folgenden kürzeren Stufenlaufzeit in der Entgeltgruppe 9a TVöD sei, nicht § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG verletze. Die tatsächlich in der Stufe 4 dieser Entgeltgruppe zurückgelegte Zeit sei der Klägerin auch durch § 29c Abs. 3 Satz 1 TVÜ-VKA erhalten geblieben.