Mit § 15b BAT wurde erstmals - schon weit vor In-Kraft-Treten des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) - ein Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung tarifvertraglich vereinbart:

"Mit vollbeschäftigten Angestellten soll auf Antrag eine geringere als die regelmäßige Arbeitszeit vereinbart werden, wenn sie

  1. mindestens ein Kind unter 18 Jahren oder
  2. einen nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen tatsächlich betreuen oder pflegen und dringende dienstliche bzw. betriebliche Belange nicht entgegen stehen."

Die Anwendung der Vorschrift ist nicht unproblematisch.

Anspruchsberechtigt ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nur der Vollbeschäftigte.

Ein Teilzeitbeschäftigter hätte demnach keinen Anspruch auf geringere Teilzeitbeschäftigung. Es ist kaum einzusehen, dass einem 3/4 - oder 4/5 -Teilzeitbeschäftigten ein Anspruch auf vorübergehende Reduzierung seiner Arbeitszeit auf 1/4 oder 1/5 versagt bleiben soll. Auch die Teilzeitkraft kann in eine Pflege-oder Betreuungssituation geraten, die eine weitere Reduzierung der Arbeitszeit erfordert.

Da § 4 Abs. 1 TzBfG auch die Tarifpartner bindet[1] und eine Ungleichbehandlung von Teilzeitkräften vorliegend sachlich nicht gerechtfertigt ist, haben auch Teilzeitbeschäftigte einen Anspruch aus § 15b BAT.[2] Dies hat das Bundesarbeitsgericht inzwischen ausdrücklich bestätigt.[3]

Der/die Angestellte muss nach Buchst. a) mindestens ein Kind unter 18 Jahren tatsächlich betreuen oder pflegen.

Der Begriff "Kind" wird nicht näher definiert. Es bietet sich jedoch an, auf § 63 EStG bzw. § 2 BKGG Bezug zu nehmen, wie es z.B. § 29 Abschnitt B Abs. 3 BAT tut.[4]

Was unter "tatsächlicher Betreuung" zu verstehen ist, ist zweifelhaft. Die Anforderungen dürfen nicht zu eng gesteckt werden, da tariflicher Regelfall auch die Betreuung eines 17-jährigen Kindes ist. Ein 17-jähriges "Kind" muss nicht im engeren Sinne betreut werden. Der/die Jugendliche wird häufig nicht einmal den Tag zuhause verbringen. Demnach muss wohl auch die bloße Haushaltsführung als Betreuung gelten.[5]

§ 15b BAT erfasst nach Buchst. b) auch den Fall, in dem ein nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftiger sonstiger Angehöriger tatsächlich gepflegt wird.

Der Begriff der Pflegebedürftigkeit wird § 14 SGB XI - Soziale Pflegeversicherung - (Art. 1 des Pflegeversicherungsgesetzes vom 26.5.1994, BGBl. I S. 1014) entnommen werden können. Die Pflegebedürftigkeit näher zu bestimmen, bleibt letztlich einem ärztlichen Gutachten vorbehalten.

 
Praxis-Tipp

Besteht für einen Angehörigen ein Pflegegeldanspruch, so wird der Pflege leistende Arbeitnehmer einen Anspruch auf Teilzeitarbeit haben.

Hinsichtlich des Begriffes "Angehöriger" wird auch Schwägerschaft im Sinne von § 1590 BGB ausreichen.[6]

Auf Antrag des Arbeitnehmers soll eine Reduzierung der Arbeitszeit vereinbart werden

Das ausschließliche Initiativrecht steht demnach dem Arbeitnehmer zu. Er macht das Angebot auf Abschluss einer Teilzeitabrede.

Liegen die tariflichen Tatbestandsvoraussetzungen vor, so "soll" der Arbeitgeber die Teilzeitabrede vereinbaren. Der Arbeitgeber ist damit im Regelfall verpflichtet, das entsprechende Angebot anzunehmen.

Die in § 15b BAT verwendeten Formulierungen lassen deutlich erkennen, dass im Normalfall dem Antrag des Arbeitnehmers entsprochen werden muss.

Der Anspruch auf "Vereinbarung" umfasst nicht nur die Annahme des Angebotes, sondern auch die Pflicht zur vorhergehenden Erörterung des Antrags mit dem Arbeitnehmer. Entspricht z.B. die gewünschte Lage der Arbeitszeit nicht den dienstlichen/betrieblichen Belangen, so muss der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer anderweitige Verteilungen der Arbeitszeit diskutieren.

"Im Einzelfall soll jeweils kreativ geprüft werden, ob eine Lösung gefunden werden kann, die den Wunsch des Arbeitnehmers auf Teilzeitbeschäftigung berücksichtigt und dabei gleichzeitig dringenden dienstlichen Belangen Rechnung trägt." (Niederschrifterklärung vom 25.4.1994).

Dringende dienstliche bzw. betriebliche Belange dürfen nicht entgegen stehen.

Die Verwendung des Begriffes "dringende Belange" verdeutlicht, dass normale, vor allem teilzeittypische Belange nicht ausreichen, um den Antrag auf Arbeitszeitreduzierung negativ zu bescheiden. Die bei Umstellung auf Teilzeit üblichen Umstrukturierungen und damit verbundenen finanziellen Mehrbelastungen müssen vom Arbeitgeber hingenommen werden.

In der Niederschrifterklärung vom 25.4.1994 bestimmen die Tarifvertragsparteien ausdrücklich, dass die Berufung auf organisatorische Schwierigkeiten für sich allein nicht zur Ablehnung ausreicht.

So hat das LAG Baden-Württemberg[7] entschieden, der Normgeber habe mit dem Begriff "dringend" hohe Anforderungen an die Intensität der entgegenstehenden betrieblichen oder dienstlichen Abläufe gestellt. Es reiche nicht aus, dass sich die Arbeitszeitreduzierung nur störend oder als Belästigung auf den betrieblichen Ablauf auswirken. Es müssten vielmehr Umstände vorliegen, die den Betriebsablauf ganz gravierend stören und vom Arbeitgeber ...

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