LAG Düsseldorf, Beschluss vom 24.11.2022, 8 TaBV 59/21
Gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber die – erforderlichen – Kosten zu tragen, die durch die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind. Hierbei sind jeweils die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen der Arbeitgeberin zu berücksichtigen. Bei der Seminarauswahl wird dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zugestanden. Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen innerhalb dieses Beurteilungsspielraums als qualitativ gleichwertig anzusehen sind, kommt eine Beschränkung der Kostentragungspflicht der Arbeitgeberin auf die Kosten des preiswerteren Seminars in Betracht. Bei der Auswahl kann es auch von Bedeutung sein, dass der "Lerneffekt" im Rahmen einer Präsenzveranstaltung deutlich höher ist als bei einem Webinar.
Sachverhalt
Die Arbeitgeberin ist eine Luftverkehrsgesellschaft. Bei ihr ist eine Personalvertretung Kabine (PV Kabine) gebildet. Diese wollte 2 in Düsseldorf und Köln wohnende Mitglieder der PV zu der Präsenzschulung "Betriebsverfassungsrecht Teil 1" in Binz/Rügen entsenden. Aus Kostengründen schlug die Arbeitgeberin jedoch ortsnähere Seminarorte vor, alternativ im selben Zeitraum ein Webinar. Die PV Kabine beschloss daraufhin, die beiden Mitglieder für die Zeit vom 24.8.2021 bis zum 27.8.2021 zur entsprechenden Schulung nach Potsdam zu entsenden. Für beide Teilnehmer entstanden dadurch Kosten in Höhe von zusammen ca. 1.800 EUR brutto für die Schulung und ca. weitere 1.300 EUR brutto für die Übernachtung und Verpflegung. Die Hin- und Rückreise der beiden Mitglieder erfolgte per Flugzeug nach Berlin auf nicht von Kunden gebuchten Plätzen mit Flügen der Arbeitgeberin. Diese verweigerte jedoch die Übernahme der Schulungs-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten mit der Begründung, dass die beiden Mitglieder der PV Kabine an einem kostengünstigeren Webinar im maßgeblichen Zeitraum mit identischem Schulungsinhalt hätten teilnehmen können, insbesondere da in diesem Fall auch keine Übernachtungs- und Verpflegungskosten angefallen wären. Ebenfalls hätten auch im näheren Einzugsgebiet kostengünstigere Präsenzseminare stattgefunden. Die PV Kabine, die der Ansicht war, sie müsse sich nicht auf ein Webinar verweisen lassen und die an näheren Orten gehaltenen Präsenzseminare wären u. a. wegen Urlaub nicht in Betracht gekommen, begehrte, die Arbeitgeberin zu verpflichten, sie von den Schulungs-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten für das Seminar in Potsdam freizustellen.
Die Entscheidung
Dies Begehren hatte Erfolg. Die Rechtsbeschwerde wurde jedoch zugelassen.
Das LAG führte aus, dass gem. § 40 Abs. 1 BetrVG die Arbeitgeberin die Kosten zu tragen habe, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich sei. Dies war hier der Fall.
Auch musste sich vorliegend die PV Kabine nicht auf ein Webinar anstelle einer Präsenzveranstaltung verweisen lassen. Grundsätzlich sei, so das Gericht weiter, bei der Prüfung der Erforderlichkeit die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen der Arbeitgeberin zu berücksichtigen. Allerdings werde bei der Seminarauswahl auch ein Beurteilungsspielraum zugestanden. Nur wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen innerhalb dieses Beurteilungsspielraums als qualitativ gleichwertig anzusehen seien, komme eine Beschränkung der Kostentragungspflicht der Arbeitgeberin auf die Kosten des preiswerteren Seminars in Betracht.
Im vorliegenden Fall halte es sich innerhalb des Beurteilungsspielraums der PV Kabine, wenn sie selbst ein inhaltgleiches Webinar mit einer entsprechenden Präsenzveranstaltung nicht für qualitativ vergleichbar erachte. Insbesondere sei die Einschätzung der PV Kabine, dass der "Lerneffekt" im Rahmen einer Präsenzveranstaltung deutlich höher sei als bei einem Webinar, nicht zu beanstanden; denn ein Austausch und eine Diskussion über bestimmte Themen seien bei einem Webinar in weitaus schlechterem Maße möglich als bei einer Präsenzveranstaltung. Auch durfte die PV Kabine die konkret angefallenen Übernachtungs- und Verpflegungskosten für erforderlich halten; denn es gab keine ortsnäheren Präsenzseminare, auf welche die PV Kabine hätte verwiesen werden können und die alternativen Seminare lagen u. a. tatsächlich im Urlaubszeitraum des einen Mitglieds bzw. das andere Mitglied oder lagen zeitlich so viel später, dass die PV Kabine sich darauf nicht verweisen lassen musste.