Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Unterlassung von Mitgliederwerbung durch Telefonanrufe. Erlass einer Sicherungsanordnung in Form der Unterlassungsverfügung. keine Geltung von § 7 UWG bei Krankenkassen. keine Anwendbarkeit der Rechtsschutzerleichterung des § 12 Abs 2 UWG im sozialgerichtlichen Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Ist das Begehren einer Antragstellerin allein darauf gerichtet, zu unterbinden, dass durch unaufgeforderte Werbeanrufe der Antragsgegnerin Mitglieder zu einem Kassenwechsel bewogen werden, kommt allein der Erlass einer Sicherungsanordnung in Form der Unterlassungsverfügung in Betracht (vgl LSG Essen vom 15.11.2006 - L 16 B 28/06 KR ER, LSG Stuttgart vom 2.11.2009 - L 11 KR 3727/09 ER-B und LSG Darmstadt vom 8.2.2010 - L 8 KR 294/09 B ER).
2. § 7 UWG gilt nicht im Verhältnis der Krankenkassen untereinander (vgl LSG Stuttgart vom 2.11.2009 - L 11 KR 3727/09 ER-B aaO, LSG Essen vom 15.11.2006 - L 16 B 28/06 KR ER aaO und LSG Hamburg vom 18.9.2008 - L 1 B 149/08 ER KR, L 1 B 139/08 ER KR).
Orientierungssatz
Die Rechtsschutzerleichterung des § 12 Abs 2 UWG, wonach zur Sicherung der im UWG bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung eine einstweilige Verfügung auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 943 und 940 ZPO bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden kann, gelten im sozialgerichtlichen Verfahren nicht. Dies folgt aus der eindeutigen gesetzlichen Anordnung in § 86b Abs 2 S 3 SGG, weshalb § 12 Abs 2 UWG auch entsprechend angewandt werden kann (vgl LSG Hamburg vom 18.9.2008 - L 1 B 149/08 ER KR, L 1 B 139/08 ER KR aaO).
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 26. August 2009 wird zurückgewiesen. Der Beschluss des Landgerichts Erfurt (Az.: 9 O 968/09) vom 9. Juli 2009 ist gegenstandslos.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung die Unterlassung von Mitgliederwerbung durch Telefonanrufe.
Am 15. Juni 2009 um 17.44 Uhr rief ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin eine bei der Antragstellerin Versicherte an. Hierüber wurde die Antragstellerin seitens des Ehemannes der Versicherten informiert. Die Antragstellerin forderte daraufhin die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30. Juni 2009 auf, eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben. Dies lehnte die Antragstellerin mit Schreiben vom 7. Juli 2009 ab.
Die Antragstellerin hat am 9. Juli 2009 beim Landgericht Erfurt den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt und zur Begründung geltend gemacht, ihre Versicherten Georg und Katharina J. seien durch einen männlichen Mitarbeiter der Antragsgegnerin am 15. Juni 2009 um 17.44 Uhr angerufen worden. Das Gespräch habe die Versicherte J. geführt. Anlässlich des Gespräches sei versucht worden, die bei der Antragstellerin Versicherten zu einem Wechsel zur Antragsgegnerin zu bewegen. Dabei sei darauf abgestellt worden, dass sich die Beiträge der Krankenversicherungen nicht mehr unterschieden und deshalb ein Wechsel zur Antragsgegnerin besser sei. Dies habe für die Versicherten viele Vorteile. Zum einen liege die Geschäftsstelle der Antragsgegnerin näher an ihrem Wohnort als die der Antragstellerin. Zum anderen sei die Antraggegnerin als familienfreundlichste Krankenkasse ausgezeichnet worden und böte gute Leistungen. Der Anruf sei gegenüber der Familie J. nicht nur ein Werbeanruf, sondern sogar ein Abwerbeanruf gewesen, der den gesetzlichen Regelungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) unterfalle. Der Anruf sei ohne Einwilligung der Versicherten erfolgt. In seinem Kündigungsschreiben vom 25. März 2008 habe der Versicherte J. die Antragsgegnerin aufgefordert, von Besuchen, Rückfragen und dergleichen Abstand zu nehmen. Außerdem habe er gefordert, dass alle seine persönlichen Daten, sofern keine Berechtigung vorliege, gelöscht würden. Zu den zu löschenden Daten habe auch die Telefonnummer des Versicherten J. gehört. Der Unterlassungsanspruch richte sich auf das Unterlassen im konkreten Fall und darüber hinaus allgemein, da die wettbewerbliche Stellung der Antragsgegnerin gegenüber derjenigen der Antragstellerin auch durch Telefonanrufe bei Mitgliedern anderer Krankenkassen insgesamt auf unlautere Weise gestärkt würde. Der Verfügungsgrund ergebe sich daraus, dass der Antragstellerin durch die Abwerbeversuche Mitglieder und Kunden entzogen würden. Aufgrund der Laufzeiten der so zustande gekommenen Versicherungsverträge entstehe der Antragstellerin eine erhebliche finanzielle Einbuße und verringere deren eigene Leistungsfähigkeit im Wettbewerb. Die zu erwartenden finanziellen Schäden seien irreparabel, da nicht zu erwarten sei, dass einmal abgeworbene Mitglieder in absehbarer Zeit zur Antragstellerin zurückwechselten.