Cesare Vannucchi, Dr. Marcel Holthusen
Rz. 351
Nebenpflichten des Arbeitnehmers können sich aus Gesetzen, aus allgemeinen Treuepflichten oder aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung ergeben.
Rz. 352
Nachfolgend werden beispielhaft einige gesetzlich normierte Nebenverpflichtungen angegeben:
- Anzeige- und Nachweispflichten nach § 5 EFZG im Zusammenhang mit einer Erkrankung
- Verpflichtung, sich Gesundheitsuntersuchungen zu unterziehen, die darüber Auskunft geben, ob der Arbeitnehmer in der Lage ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (§ 32 JArbSchG, § 43 IfSG, § 18 Abs. 2 Nr. 4 ArbSchG).
- Verbot der Erwerbstätigkeit während des Urlaubs (§ 8 BUrlG)
- Geheimhaltungspflichten (§ 17 UWG; § 79 BetrVG)
- Herausgabepflichten dessen, was der Arbeitnehmer zur Ausführung des Arbeitsverhältnisses erhalten oder was er aus dem Arbeitsverhältnis erlangt hat (entsprechend § 667 BGB)
- Auskunfts- und Anzeigepflichten (betr. anderweitigen Verdienst § 615 Satz 2 BGB, § 74c HGB analog)
- Wettbewerbsverbot für kaufmännische Angestellte (§§ 60 ff. HGB; für andere Arbeitnehmer ergibt sich die Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb aus dem Grundsatz von Treu und Glauben)
- Verbot der Vorteilsannahme (§ 331 StGB), Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) und der Bestechlichkeit (§ 332 StGB) im öffentlichen Dienst
Rz. 353
Nebenpflichten können arbeitsvertraglich vereinbart worden sein. Ihre Verletzung kann allerdings nur dann eine Kündigung rechtfertigen, wenn die Absprache einer Inhaltskontrolle standhält, d. h. sie wirksam vereinbart wurden. Die Inhaltskontrolle von vorformulierten einzelvertraglichen Regelungen richtet sich nach den §§ 305–310 BGB. Daneben sind bei der Vertragsgestaltung zwingendes Gesetzesrecht sowie tarifdispositives Gesetzesrecht zu beachten.
Rz. 354
Die Ausübung einer Nebentätigkeit, also einer solchen, bei der der Arbeitnehmer – entgeltlich oder unentgeltlich – außerhalb seines Hauptarbeitsverhältnisses seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, bedarf in der Privatwirtschaft grds. nicht der Genehmigung des Arbeitgebers. Im Rahmen des Arbeitsvertrags verpflichtet sich der Arbeitnehmer nur zur Leistung der versprochenen Dienste. Insbesondere verletzt der Arbeitnehmer durch den Abschluss eines Arbeitsvertrags mit einem weiteren Arbeitgeber noch keine vertraglichen Pflichten, da mehrere Arbeitsverhältnisse nebeneinander bestehen können. Erst wenn es aufgrund der Nebentätigkeit zu Leistungsstörungen im Arbeitsverhältnis kommt, können hieraus Kündigungsgründe entstehen.
Einzelvertraglich kann ein Nebentätigkeitsverbot vereinbart werden, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat, weil durch die Nebentätigkeit die vertraglich geschuldete Leistung beeinträchtigt werden kann, z. B. weil die Nebentätigkeit mit der geschuldeten Arbeitsleistung zeitlich zusammenfällt oder das Arbeitsverhältnis durch Wettbewerb beeinträchtigt würde.
Der Arbeitnehmer ist aus dem Gebot der Rücksichtname (§ 241 Abs. 2 BGB) verpflichtet, dem Arbeitgeber eine geplante Nebentätigkeit anzuzeigen, soweit hiervon die Interessen des Arbeitgebers berührt sein können. Dies kann der Fall sein, wenn ggf. bei Nichtberücksichtigung im Schichtplan die Vorgaben des ArbZG überschritten werden könnten oder geringfügig Beschäftigte durch die weitere Aufnahme einer Tätigkeit u. U. ihre Versicherungsfreiheit verlieren. Eine Konkurrenztätigkeit während des bestehenden Arbeitsverhältnisses ist i. d. R. geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen. Ist allerdings die Wettbewerbstätigkeit erst durch eine frühere – unwirksame – Kündigung ausgelöst, der Wettbewerb nicht auf eine dauerhafte Konkurrenz zum bisherigen Arbeitgeber angelegt und dem Arbeitgeber durch die Konkurrenztätigkeit nicht unmittelbar ein Schaden zugefügt worden, ist dies bei der erforderlichen Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Ferner gibt es tarifvertragliche Anzeigepflichten im öffentlichen Dienst (§ 3 TVöD, § 3 TV-L). Im öffentlichen Dienst bedarf es bei Übernahme einer Nebenbeschäftigung gegen Vergütung, einer gewerblichen Tätigkeit, für die Mitarbeit in einem Gewerbebetrieb oder zur Ausübung eines freien Berufs über die Anzeige hinaus ggf. einer Genehmigung.
Die fortgesetzte und vorsätzliche Ausübung offensichtlich nicht genehmigungsfähiger Nebentätigkeiten in Unkenntnis des Arbeitgebers kann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen, da der Arbeitnehmer mit seinem Verhalten zu erkennen gibt, dass er jederzeit bereit ist, seine eigenen wirtschaftlichen Interessen über seine Vertragspflichten und die von ihm erwartete, ausschließlich an den Belangen seines Arbeitgebers orientierte Amtsführung zu stellen (vgl. auch Konkurrenztätigkeit Rz. 489).
Rz. 355
Neben ausdrücklichen Regelungen können auch weitere allgemein anerkannte Treue- oder Sorgfaltspflichten nach § 241 Abs. 2 BGB ein bestimmtes Verhalten vorgeben. Umfang und Grenzen der Treuepflicht und die daraus resultierenden Nebenpflichten werden durch die Art der ausführenden Tätigkeit bestimmt. Je mehr Verantwortung eine Tätigkeit mit sich bring...