Rz. 33
Widerrufsvorbehalte finden sich vor allem in Bezug auf vertraglich vereinbarte übertarifliche Entgeltbestandteile. Sie räumen dem Arbeitgeber das Recht ein, eine von ihm versprochene Leistung einseitig zu widerrufen.
Beispiel
"Der Arbeitnehmer erhält eine übertarifliche Zulage i. H. v. 500 EUR brutto monatlich. Der Arbeitgeber behält sich vor, die übertarifliche Zulage aus wirtschaftlichen Gründen einseitig zu widerrufen."
Rz. 34
Auf formularmäßig vertraglich vereinbarte Widerrufsvorbehalte findet, da sie die Leistung des Verwenders betreffen, § 308 Nr. 4 BGB Anwendung. Danach ist die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts zulässig, soweit der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst unter 25 bis 30 % liegt und der Tariflohn nicht unterschritten wird.
Rz. 35
Ein vom Arbeitgeber vorformulierter Widerrufsvorbehalt muss nach der Rechtsprechung des BAG zudem bestimmten formellen Anforderungen genügen. Aus der Regelung selbst muss sich ergeben, dass der Widerruf nicht ohne Grund erfolgen darf. Voraussetzungen und Umfang der vorbehaltenen Änderungen müssen möglichst konkretisiert werden. Bei den Voraussetzungen der Änderung, also den Widerrufsgründen, ist zumindest die Richtung anzugeben, aus der der Widerruf möglich sein soll, also ob aus wirtschaftlichen oder in der Leistung oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegenden Gründen. Der Grad der Störung (wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, negatives wirtschaftliches Ergebnis der Betriebsabteilung, nicht ausreichender Gewinn, Rückgang oder Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung, unterdurchschnittliche Leistungen des Arbeitnehmers, schwerwiegende Pflichtverletzungen) muss konkretisiert werden, wenn der Verwender hierauf abstellen will. Bei vor dem 1.1.2002 abgeschlossenen Verträgen, welche diese formellen Anforderungen nicht berücksichtigen, ist ein erfolgter Widerruf allerdings nicht zwingend unwirksam, sondern es muss ggf. eine ergänzende Vertragsauslegung erfolgen.
Rz. 36
Bei einem bei der jeweiligen Zahlung erklärten sog. Freiwilligkeitsvorbehalt, wonach die Gewährung einer Sonderleistung keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründen soll, entsteht anders als bei einem Widerrufsvorbehalt von vornherein kein Anspruch auf die Sonderleistung. Eine Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt hinsichtlich ein- und derselben Leistung ist deshalb intransparent i. S. v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB mit der Folge der Rechtsunwirksamkeit beider Vorbehalte.
Rz. 37
Wegen einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers gem.nach§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der den Ausschluss jeglichen Rechtsanspruchs für laufendes Arbeitsentgelt vorsieht. Ebenso unwirksam ist ein Freiwilligkeitsvorbehalt, wenn er dem Arbeitgeber das Recht zubilligt, trotz Abschlusses einer vergütungsorientierten Zielvereinbarung nach Ablauf der Beurteilungsperiode frei darüber zu entscheiden, ob eine Vergütungszahlung erfolgt oder nicht. Unangemessen benachteiligend i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB und damit unwirksam ist auch ein formularmäßiger Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund umfasst.
Rz. 38
In Betriebsvereinbarungen geregelte Widerrufsvorbehalte sind nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB entzogen. Ihre Ausübung im Einzelfall unterliegt jedoch wiederum der Ausübungskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB.