LAG München, Urteil vom 23.3.2023, 3 Sa 497/22
§ 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA findet auf den gesetzlichen Mindesturlaub keine Anwendung, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des gesetzlichen Übertragungszeitraums krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist.
Sachverhalt
Der Kläger ist bei der beklagten Stadt seit März 1985 als Mitarbeiter im Warenmanagement (Lagerist) beschäftigt. Der TVöD- VKA findet auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.
Seit dem 19.3.2020 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Er wurde mit Schreiben vom 5.1.2021 von der Beklagten darauf hingewiesen, dass ihm aus dem Jahr 2020 ein Resturlaub von 22 Tagen zustehe, den er bis zum 31.3.2021 antreten müsse. Sollte er über den 31.3.2021 erkranken, würden noch bestehende Resturlaubsansprüche automatisch bis zum 31.5.2021 übertragen werden. Danach verfiele der Resturlaub aus 2020 ersatzlos.
Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers bestand bis zum 30.4.2021 fort. Danach beantragte er für den Zeitraum 31.5.2021 bis 4.6.2021 Urlaub, den die Beklagte auch gewährte. Am 12.8.2021 beantragte der Kläger, den gesetzlichen und tariflichen Urlaub aus 2020 bis zum 31.3.2022 zu übertragen. Dies lehnte die Beklagte ab.
Der Kläger erhob Klage. Er begründete seine Ansicht damit, dass die Regelung in § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA durch § 7 Abs. 3 BUrlG verdrängt werde. Und diese Norm sei unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass der Urlaubsanspruch erst 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfalle. Aufgrund seiner dauernden Erkrankung über den dreimonatigen Übertragungszeitraum des § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG hinaus sei der Urlaub in den Übertragungszeitraum bis 31.3.2022 zu übertragen.
Dagegen brachte die Beklagte vor, dass eine Übertragung des Urlaubs nur dann in Betracht komme, wenn der Kläger seinen Resturlaub aus 2020 nicht bis zum 31.5.2021 aufgrund der Arbeitsunfähigkeit hätte antreten können. Dies sei nicht der Fall gewesen, da er ab 3.5.2021 wieder gearbeitet und spätestens am 31.5.2021 seinen Resturlaub insgesamt und nicht nur im Umfang von 4 Tagen hätte antreten können.
Die Entscheidung
Das Gericht entschied, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Urlaubskonto des Klägers 8 Tage gesetzlichen Urlaub gutzuschreiben. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Revision zum BAG wurde zugelassen.
Das Gericht führte aus, dass der Kläger einen Anspruch auf Gutschrift von 8 gesetzlichen Urlaubstagen aus 2020 auf sein Urlaubskonto gem. §§ 275 Abs. 1 und 4, 280 Abs. 1, 283, 286 Abs. 1, 287 Satz 2, 249 Abs. 1 BGB habe, da dieser nicht nach § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA mit Ablauf des 31.5.2021 verfallen sei.
Der Kläger habe zu Beginn des Jahres 2020 einen gesetzlichen Urlaubsanspruch im Umfang von 20 Arbeitstagen und einen tariflichen Mehrurlaub im Umfang von 10 Arbeitstagen erworben. Der tarifliche Mehrurlaub sei gem. § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA verfallen. Die in Bezug genommene Rechtsprechung sei auf die tariflichen Urlaubsansprüche nicht anwendbar, da durch die Regelungen in § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA ein eigenständiges, vom Bundesurlaubsgesetz abweichendes Fristenregime vorliege (vgl. BAG, Urteil vom 22.5.2012 – 9 AZR 575/10). Jedoch stehe dem Kläger der gesetzliche Mindesturlaub noch in Höhe von 8 Tagen zu.
Es begründete dies damit, dass § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA auf den gesetzlichen Mindesturlaub keine Anwendung finde, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des gesetzlichen Übertragungszeitraums krankheitsbedingt arbeitsunfähig sei; denn § 7 Abs. 3 BUrlG sei unionrechtskonform dahin auszulegen, dass der gesetzliche Urlaub nicht verfalle, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahrs und/oder des Übertragungszeitraums krankheitsbedingt arbeitsunfähig sei und es ihm deshalb nicht möglich sei, den Urlaub zu nehmen (BAG, Urteil vom 7.8.2012 – 9 AZR 353/10). Dieser Urlaubsanspruch trete dann zu dem im Folgejahr entstandenen Urlaubsanspruch hinzu und sei damit erneut nach § 7 Abs. 3 BUrlG befristet. Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit erlösche jedoch dieser übertragene Urlaub spätestens fünfzehn Monate nach dem Ende des Urlaubsjahrs.
Das Gericht führte weiter aus, dass mit § 26 Abs. 2 a) TVöD-VKA ein eigenständiges Fristenregime gegenüber § 7 Abs. 3 BurlG vorliege, aus dem zu schließen sei, dass die Tarifvertragsparteien einen "Gleichlauf" des gesetzlichen Urlaubsanspruchs und des Anspruchs auf tariflichen Mehrurlaub bzgl. des Verfalls nicht gewollt haben. Die tarifliche Regelung betreffe deshalb nur den vom Mindesturlaub abtrennbaren Teil der einheitlich in § 26 Abs. 1 Satz 2 TVöD-VKA geregelten Gesamturlaubsdauer.