LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 15.1.2020, 7 Sa 284/19 (Revision anhängig: BAG, 9 AZR 107/20)
Leitsatz (amtlich)
Urlaubsansprüche langandauernd erkrankter Arbeitnehmer erlöschen auch dann mit dem 31. März des 2. Folgejahres, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer während der ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit nicht auf den drohenden Verfall der Urlaubsansprüche hingewiesen hat.
Sachverhalt
Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers fand der TVöD Anwendung. Seit dem 18.1.2016 war dieser durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Aufgrund eines Auflösungsvertrags endete das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 28.2.2019. Hierin war u. a. geregelt, dass für den bestehenden Mindesturlaub aus 2017, Resturlaub aus 2018 und Januar und Februar 2019 im Monat Februar 2019 eine Auszahlung erfolgen solle. Allerdings war der Resturlaub aus 2016 strittig. Deshalb beantragte der Kläger schließlich u. a. Auszahlung des bestehenden Resturlaubs für das Jahr 2016 und begründete dies u. a. mit der Entscheidung des EuGH vom 6.11.2018, Az. C-684/16 bzw. C-619/16, wonach Arbeitnehmer nicht automatisch ihren Urlaubsanspruch verlieren, weil sie bis zum Ende des Kalenderjahres keinen Urlaub beantragt haben. Ob er während des Bezugszeitraums vollumfänglich arbeitsunfähig geschrieben gewesen sei oder nicht, habe nichts mit der Obliegenheit des Arbeitgebers zu tun, auf die Gefahr des Verfalls des Urlaubs bzw. dessen Inanspruchnahme hinzuweisen. Aber selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass die Hinweispflicht des Arbeitgebers auf den Verfall des Urlaubsanspruchs immer dann entfalle, wenn der Arbeitnehmer das ganze Jahr über arbeitsunfähig erkrankt sei, würde dies hier der Einzelfallprüfung nicht standhalten; denn die Arbeitsunfähigkeit des Klägers sei einzig auf das Mobbing durch seinen direkten Vorgesetzten zurückzuführen gewesen. Es habe hierzu auch mehrere Gespräche mit dem Dienstherrn, dem Bürgermeister der Beklagten, gegeben, in denen er darauf hingewiesen habe, jederzeit an anderer Stelle innerhalb der Verwaltung umgehend seine Arbeit wiederaufzunehmen, solange gewährleistet sei, dass er nicht mehr der entsprechenden Person untergeordnet sei. Allerdings habe der Bürgermeister daraufhin nur erwidert, man könne ihn zwar statt wie bisher im Tiefbau nun im Hochbau einsetzen, allerdings nur unter der Bedingung, dass es bei seinem bisherigen Vorgesetzten bleibe. Da der Kläger diesem "Deal" aus gesundheitlichen Gründen nicht zustimmen konnte, sei es Sache der Beklagten gewesen, ihm eine neue leidensgerechte Arbeitsstelle zuzuweisen, welche es gegeben habe. Somit sei es dem Arbeitgeber bekannt gewesen, dass es einzig und allein in seiner Sphäre liege, ob er wieder arbeitsfähig werde oder nicht. Dies habe dann jedoch zur Folge, dass er sich nicht darauf berufen könne, von seiner durch die EuGH-Rechtsprechung gefestigten Pflicht zum Hinweis auf den drohenden Verfall des Urlaubsanspruchs befreit zu sein.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Der dem Kläger über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus zustehende tarifliche Mehrurlaub aus dem Jahr 2016 war gem. § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD mit dem 31.5.2017 verfallen. Diese Regelung verstoße, so das LAG, nicht gegen Europarecht, da die Tarifvertragsparteien in § 26 Abs. 2 Buchst. a TVöD eine eigenständige Regelung hinsichtlich der Übertragung und des Verfalls des tariflichen Mehrurlaubs getroffen hätten. Darüber hinaus sei der gesetzliche Mindesturlaub des Klägers mit Ablauf des 31.3.2018 untergegangen. Dem stehe auch nicht das Urteil des EuGH vom 6.11.2018, C 684/16, entgegen, weil es versäumt wurde, den Kläger rechtzeitig darauf hinzuweisen, einen Urlaubsantrag zu stellen bzw. auf die Voraussetzung zur Wahrnehmung des Urlaubs hinzuweisen. Der Zweck der Mitwirkungsobliegenheit, den Arbeitnehmer zur Inanspruchnahme des Urlaubs anzuhalten, bestehe im Fall der langandauernden Erkrankung des Arbeitnehmers nicht. Der Urlaubsanspruch sei untergegangen, weil der Kläger aufgrund seiner langandauernden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit weder im Jahr 2016 noch im Jahr 2017 noch bis zum 31.3.2018 in der Lage gewesen sei, seinen Urlaub anzutreten (so auch LAG Hamm, Urteil vom 24.7.2019, 5 Sa 676/19).
Auf die Art und die Ursache der Erkrankung des Arbeitnehmers komme es nach Auffassung des Gerichts hierbei nicht an; denn unabhängig von der Krankheitsursache sei es dem Arbeitnehmer nicht möglich, während seiner Arbeitsunfähigkeit seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen, sodass ein entsprechender Hinweis des Arbeitgebers unabhängig von der Krankheitsursache ins Leere gehe. Auch komme es bei der Beurteilung der Frage des Verfalls des Urlaubsanspruchs nicht darauf an, ob der Arbeitgeber sein Direktionsrecht dahingehend hätte ausüben können und müssen, dass die Arbeitsunfähigkeit von dem Arbeitnehmer hätte überwunden werden können; denn auch hier könne der Arbeitgeber seine Mitwirkungspflichten durch eine zutreffende Information des Arbeitnehmers über die bestehenden Urlaubsansprüche und ihren drohenden Verfall erst in dem ...