Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenfehlbetrag. Mitbestimmung des Personalrats von Amts wegen statt auf Antrag
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verletzung einer Verfahrensvorschrift macht die nachfolgende Verwaltungsentscheidung nicht zum Nachteil des Betroffenen fehlerhaft, wenn die verletzte Vorschrift nicht auch eine im Interesse des Betroffenen liegende verfahrensmäßige Vorkehrung zur Förderung der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung sein, sondern anderen Zwecken (hier: der Wahrung einer besonderen Vertraulichkeit) dienen soll (wie Beschluß des Senats vom 19.6.1980, 4 S 968/80).
2. Dementsprechend ist der an einen Schalterbeamten der Deutschen Bundespost auf Erstattung eines Kassenfehlbetrags gerichtete Leistungsbescheid nicht deshalb fehlerhaft, weil der zuständige Personalrat statt nach Unterrichtung des Beamten auf dessen Antrag im Wege der Mitbestimmung (vgl. § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 und Satz 2 BPersVG), sondern ohne dessen Unterrichtung und ohne Antrag beteiligt worden ist und der Personalrat zugestimmt hat.
3. Im Falle einer Beteiligung nach 2 gilt der Umstand, daß der Personalrat die Siebentagefrist des § 69 Abs. 2 BPersVG verstreichen läßt, nicht kraft Gesetzes als Zustimmung.
4. Der Personalrat kann auch im Falle einer Beteiligung nach 2 seine Zustimmung durch schlüssiges Handeln erklären (hier bejaht).
5. Zur Anwendung der Beweislastregel des § 282 BGB bei der Inanspruchnahme eines Schalterbeamten der Deutschen Bundespost wegen eines Fehlbestandes (wie BVerwGE 52, 255 und Urteil des Senats vom 15.7.1980, IV 433/79).
Normenkette
VwVfG § 46; BPersVG § 69 Abs. 2, § 76 Abs. 2; BBG § 78 Abs. 1; BGB § 282
Verfahrensgang
VG Freiburg i. Br. (Urteil vom 02.04.1980; Aktenzeichen V 257/79) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 2. April 1980 – V 257/79 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, damals Postassistent, war 1973 dem Postamt (V) Freiburg im Breisgau zugewiesen. Er war dort als ständiger Vertreter bei den Stadtpostämtern und den übrigen Amtsstellen des Postamts (V) Freiburg im Breisgau eingesetzt. Dementsprechend leistete er in der Zeit vom Mittwoch, dem 5.9.1973 bis Samstag, dem 8.9.1973 Schalterdienst im Postamt Bötzingen. Der Kassenabschluß für 8.9.1973, 12.00 Uhr, wies für diese Zeit einen Minderbetrag von 993,30 DM auf. Unter Berücksichtigung eines anderweitigen geringen Mehrbetrags ergab sich ein Fehlbestand von 987,15 DM.
Der Kläger war vorher in Bötzingen seit Ende 1972 in sieben Vertretungsfällen als Schalterbeamter eingesetzt gewesen für eine Zeitdauer von insgesamt etwa über vier Monaten. Der Zeitraum vom 5. bis 8.9.1973 fiel in eine seit 29.8.1973 laufende Vertretung. Das Postamt Bötzingen ist ein Einmannpostamt, bei welchem jedoch in der Zeit von 7.00 bis 9.15 (9.35) Uhr und ab 15.30 Uhr, ferner am Samstag während der gesamten Öffnungszeit (auch im Zeitraum vom 5. bis 8.9.1973) ein zweiter Beamter Innendienst verrichtete. Die Schalteranlage war ein Linksschalter älterer Art ohne Verglasung. (Die Schalterbande verlief links des Schalterbeamten, wenn dieser an dem mit der linken Schmalseite an die Schalterbande anstoßenden Schalterschreibtisch saß.) Das Wertgelaß befand sich im Schreibtisch, die Kasse für Geld und Wertzeichen in einer abschließbaren Schreibtischschublade außerhalb des Griffbereichs von Schalterkunden; sie war mit anderen Schlüsseln der Dienststelle nicht zu öffnen. Der Schrank mit den Fächern für lagernde Sendungen war so aufgestellt, daß während des Herausnehmens solcher Sendungen der Blick auf die Schalteranlage versperrt war. Das Diensttelefon befand sich im Zustellerraum, von dem aus die Schalteranlage nicht beobachtet werden konnte. Der Kassenschrank befand sich für Außenstehende unzugänglich im Betriebsraum an einer Stelle, von der aus die Schalteranlage nicht einsehbar war.
Der Arbeitsbereich des Schalters umfaßte alle bei einem derartigen Postamt einschlägigen Tätigkeiten: Abgabe von Postwertzeichen und Wertkarten, Annahme von Briefsendungen aller Art, Paketen und Telegrammen, Einzahlungen auf Zahlkarten und Postanweisungen, Ein- und Auszahlungen im Postsparkassendienst, Auszahlungen von Post- und Zahlungsanweisungen, Postbar- und Bankschecks, Ausgabe von Nachnahmesendungen und niedergelegten Briefen mit Zustellungsurkunde, Fertigen des Wertabgangs und der Barablieferung. Dabei ist zu berücksichtigen, daß 1973 in der Zeit vom 1. bis 10. eines jeden Monats von den Zustellern die Rundfunkgebühren und das Zeitungsgeld eingezogen werden mußten. Deren Barablieferungen mit viel Kleingeld erfolgte häufig verspätet während der Schalterstunden. Der Schalterbeamte hatte ferner an den Wochentagen (nicht an Samstagen) u.a. gegen 10.15 Uhr, wenn das Postamt von der Landkraftpost angefahren wurde, den Postabgang zu besorgen; er hatte dazu u.a. um 10.00 Uhr den Briefkasten vor dem Postamt zu leeren, die Briefe zu stempeln und auch sonst versand...