BAG, Urteil vom 15.12.2021, 7 AZR 530/20

Eine Vorbeschäftigung von 3 Monaten ist im Regelfall zu kurz, um eine spätere weitere Befristung zu sperren.

Sachverhalt

Der Kläger war in der Zeit vom 21.6.2004 bis 14.8.2004 bei der Beklagten als Aushilfe beschäftigt. Danach war er in der Zeit vom 1.10.2012 bis Februar 2017 mehrmals im Wege der Arbeitnehmerüberlassung im Betrieb der Beklagten tätig.

Nachdem sich der Kläger dann im Frühjahr/Sommer 2017 auf eine Stellenanzeige der Beklagten bewarb, die ca. 40 Arbeitnehmer als befristete Aushilfen suchte, wurde er auch zum 1.9.2017 als Maschinenführer-Aushilfe eingestellt. Das Arbeitsverhältnis war nach § 14 Abs. 2 TzBfG befristet, zunächst bis zum 31.12.2017 und dann zweimal verlängert, letztlich bis zum 31.8.2019.

Der Kläger machte nun die Unwirksamkeit der Befristung geltend. Er war der Ansicht, dass diese wegen des zuvor mit der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 TzBfG zulässig sei. Insbesondere liege die Vorbeschäftigung in der Zeit vom 21.6.2004 bis 14.8.2004 nicht sehr lange zurück und sei auch weder von sehr kurzer Dauer noch ganz anders geartet gewesen.

Die Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Das Gericht entschied, dass die Befristung gem. § 14 Abs. 2 TzBfG vorliegend wirksam sei. Es begründete dies damit, dass die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Voraussetzungen, die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von 2 Jahren (vom 1.9.2017 bis zum 31.8.2019) sowie die max. zweimaligen Vertragsverlängerung eingehalten worden seien. Zudem stehe nach Auffassung des BAG vorliegend die Vorbeschäftigung des Klägers in der Zeit vom 21.6.2004 bis zum 14.8.2004 der Zulässigkeit der Vereinbarung einer sachgrundlosen Befristung für die Zeit ab dem 1.9.2017 nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht entgegen.

Das Gericht führte hierzu aus, dass das in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG normierte Verbot der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG v. 6.6.2018, 1 BvL 7/14) in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift auf Fälle nicht anzuwenden sei, in denen dies für die Parteien unzumutbar wäre; dies sei z. B. dann der Fall, wenn eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht bestehe und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich sei, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Dies sei dann anzunehmen, wenn eine Vorbeschäftigung alternativ sehr lang zurückliege, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sei dies denkbar u. a. bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergehe.

Nach Auffassung des BAG lagen vorliegend die Voraussetzungen einer verfassungskonformen Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG vor; zwar habe das BVerfG selbst nicht näher ausgeführt, wann eine Vorbeschäftigung "sehr lang" zurückliege, "ganz anders" geartet oder "von sehr kurzer" Dauer sei. Es bedürfe bei der Anwendung und Konkretisierung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe somit einer Würdigung des Einzelfalls.

Im vorliegenden Fall war für das BAG entscheidend, dass die Vorbeschäftigung des Klägers bei der Beklagten im Sommer 2004 sehr kurz gewesen sei. Diesem Kriterium komme deshalb Gewicht zu, weil darüber hinaus die Vorbeschäftigung zwar nicht sehr lang, aber immerhin lang (nämlich 13 Jahre) zurückgelegen habe. Somit sei bei einer gemeinsamen Wertung beider Kriterien anzunehmen, dass die Anwendung von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in diesem Fall für beide Parteien unzumutbar gewesen sei. Das Gericht führte hierzu weiter aus, dass insbesondere auch im Hinblick auf den Rechtsgedanken, den der Gesetzgeber in § 622 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 BGB und § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch zum Ausdruck gebracht habe, es für eine "sehr kurze Dauer" der Vorbeschäftigung ein Zeitraum von bis zu 3 Monaten in Betracht komme. Für den hier zu entscheidenden Fall bedeute dies, dass das achtwöchige frühere Arbeitsverhältnis für die Beurteilung der sachgrundlosen Befristung im Jahr 2017 unberücksichtigt bleiben durfte.

Anmerkung:

Zur Frage, wann eine Vorbeschäftigung "sehr lang" zurückliegt, "ganz anders" geartet oder "von sehr kurzer" Dauer ist, siehe weitere Urteile des BAG unter dem Stichwort "Befristung", Punkt 4.2.1.

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