BAG, Urteil v. 16.7.2020, 6 AZR 287/19
Leitsatz (amtlich)
§ 32 Abs. 3 TVöD-V ist keine spezielle § 14 Abs. 1 TVöD-V vorgehende Regelung für die Übertragung von Führungspositionen auf Zeit. Auch Tätigkeiten der EG 10 und höher mit Weisungsbefugnis können daher dem Beschäftigten vorübergehend nach § 14 Abs. 1 TVöD-V übertragen werden.
Sachverhalt
Der Kläger war bei der Beklagten seit August 1993 zuletzt als Sachgebietsleiter Wirtschaft und Arbeit beschäftigt. Vom 23.8.1993 bis zum 31.12.2002 war er Abteilungsleiter im Amt für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung. Er erhielt eine Vergütung nach der individuellen Endstufe der Entgeltgruppe 11 TVöD-V. Als Sachgebietsleiter Wirtschaft und Arbeit hatte er zudem nach einem seit dem 30.11.2013 geltenden Geschäftsverteilungsplan den Abteilungsleiter 2.40 Wirtschaftsförderung zu vertreten. Diese zusätzliche Tätigkeit (bewertet mit EG 13) wurde im Januar 2016 einer Kollegin als Führungsposition auf Probe übertragen. Da die Kollegin aufgrund Mutterschutzes und Elternzeit ab Juni 2016 bis März 2017 an der Arbeitsleistung verhindert war, übertrug für diese Zeit die Beklagte die Abteilungsleitung dem Kläger und zahlte diesem hierfür eine Zulage in Höhe der Differenz zur EG 13 TVöD-V.
Aufgrund der Regelung in § 32 Abs. 3 TVöD-V, der einen weiteren Zuschlag für die vorübergehende Übertragung von Führungspositionen vorsieht, begehrte der Kläger einen zusätzlichen Zuschlag i. H. v. 75 % der Differenz der Vergütung aus der EG 13 zur EG 14. Dies lehnte die Beklagte unter Hinweis auf § 14 TVöD-V jedoch ab. Er argumentierte, dass § 32 TVöD-V ein zusätzliches Instrument zur Personalentwicklung darstelle, welches der Arbeitgeber nutzen könne, jedoch nicht müsse.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das Gericht entschied, dass der Kläger keinen Anspruch auf den begehrten Zuschlag nach § 32 Abs. 3 Satz 2 TVöD-V habe, da die dafür erforderliche Tatbestandsvoraussetzung des § 32 Abs. 2 Teilsatz 2 TVöD-V nicht erfüllt sei; denn hiernach genüge es im Rahmen des § 32 TVöD-V nicht, lediglich Führungsaufgaben zu übertragen, sondern es sei die ausdrückliche Bezeichnung einer Tätigkeit als Führungsposition konstitutiv. Mit dem Änderungstarifvertrag Nr. 2 zum TVöD-V vom Jahr 2008 sei der Zusatz "die vor Übertragung vom Arbeitgeber ausdrücklich als Führungspositionen auf Zeit bezeichnet worden sind" mit aufgenommen worden, wodurch die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber mit Nachdruck aufgegeben hatten, dem Arbeitnehmer sogar noch "vor" der Übertragung der Führungsposition die Rechtsgrundlage für diesen Akt mitzuteilen.
Weiter führte das BAG aus, dass §§ 14 und 32 TVöD-V nebeneinander stünden, somit auch Führungspositionen über § 14 TVöD-V übertragen werden könnten; insbesondere sei § 14 TVöD-V bei der Übertragung von Führungspositionen nicht "gesperrt", da beide Vorschriften unterschiedlichen Zwecken dienten. Über § 14 TVöD-V könne der Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts vorübergehend eine höherwertigere Tätigkeit übertragen; die dann zu zahlende Zulage gem. § 14 TVöD-V führe zur Gleichstellung mit dauerhaft höhergruppierten Beschäftigten. Dagegen gebe § 32 TVöD-V dem Arbeitgeber die Möglichkeit zum flexiblen und effektiven Einsatz von Führungskräften. Es gehe um die Steigerung der Führungsqualität.
Es stehe nach Auffassung des BAG hierbei im freien Ermessen des Arbeitgebers, ob er eine Stelle gem. § 14 TVöD-V oder gem. § 32 TVöD-V als Führungsposition auf Zeit übertragen möchte. Die sich aus den Vorschriften ergebenden unterschiedlichen Ansprüche der Mitarbeiter stellen auch keinen Verstoß gegen höherrangiges Recht dar und verstoßen nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da sich die höhere Zulage nach § 32 TVöD-V aus dem höheren Anspruch an die Führungsposition ergeben.