BAG, Urteil vom 9.3.2021, 9 AZR 312/20
Leitsätze (amtlich)
1. Der Arbeitnehmer ist an sein Verlangen, die Arbeitszeit nach § 8 Abs. 1 TzBfG zu verringern, bis zum Ablauf der Stellungnahmefrist des Arbeitgebers aus § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG in der bis zum 31.12.2018 geltenden Fassung vom 21.12.2000 (TzBfG aF) (juris: § 8 Abs 5 S 1 TzBfG F: 2000-12-21) gebunden. Ein Widerrufsrecht steht dem Arbeitnehmer nach Zugang seines Verringerungsantrags nicht zu.
2. Will der Arbeitgeber einen Teilzeitantrag nach § 8 Abs. 1 TzBfG aF (§ 8 Abs 1 TzBfG F: 2000-12-21) nicht uneingeschränkt, sondern nur unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen i. S. v. § 150 Abs. 2 BGB annehmen, muss er dies in seiner Stellungnahme eindeutig zum Ausdruck bringen. Andernfalls kommt eine Vertragsänderung nach Maßgabe des Teilzeitbegehrens des Arbeitnehmers zustande.
Sachverhalt
Der Kläger ist seit dem Jahr 1993 bei der Beklagten in Vollzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5 Stunden beschäftigt. Er beantragte gem. § 8 TzBfG mit Schreiben vom 14.6.2018 die Verringerung seiner wöchentlichen Arbeitszeit auf 20 Stunden bei einer Verteilung auf 5 Tage in der Woche ab dem 1.10.2018. Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 27.7.2018 ließ der Kläger die Beklagte auffordern, bis zum 31.8.2018 über seinen Antrag auf Verringerung der Arbeitszeit zu entscheiden. Unter dem 2.8.2018 antwortete die Beklagte, weiterhin für Gespräche zur Verfügung zu stehen. Nachdem der Klägervertreter erklärte, der Kläger wünsche kein Gespräch über sein Teilzeitverlangen, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 22.8.2018 an, dem Kläger ihre Entscheidung über den Teilzeitantrag fristgerecht in einem gesonderten Schreiben mitzuteilen. Mit einem der Beklagten am 29.8.2018 zugegangenen Schreiben vom 24.8.2018 zog der Kläger seinen Antrag auf Teilzeit "mit sofortiger Wirkung" zurück. Mit Schreiben der Beklagten vom 30.8.2018 gab diese dann dem Antrag auf Teilzeitbeschäftigung mit dem gewünschten Umfang und Verteilung statt, allerdings mit der Einschränkung, dass, da bei einer Teilzeittätigkeit von 20 Wochenstunden die bisherige Stelle des Klägers Business Processes aus betrieblichen Gründen nicht möglich sei, der Kläger ab dem 1.10.2018 innerhalb seiner derzeitigen Abteilung Product Costing auf der Position eines Business Partners beschäftigt werde. Alle übrigen sonstigen Vertragsbestandteile sollten weiterhin gültig bleiben.
Der Kläger hat nun die Ansicht vertreten, das Vollzeitarbeitsverhältnis bestehe fort, da er sein Teilzeitverlangen wirksam zurückgenommen habe. Zudem habe die Beklagte seinen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung nicht unverändert angenommen.
Die Beklagte hat dagegen vorgebracht, der Kläger sei für die Dauer der Stellungnahmefrist des Arbeitgebers nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG an seinen Teilzeitantrag gebunden. Dem Teilzeitbegehren habe sie vor deren Ablauf am 31.8.2018 mit Schreiben vom 30.8.2018 zugestimmt.
Die Entscheidung
Die Klage hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Die Parteien haben den Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit des Klägers mit Wirkung zum 1.10.2018 einvernehmlich auf der Grundlage von § 8 TzBfG a. F. auf 20 Stunden bei einer Verteilung auf 5 Wochentage herabgesetzt.
Das Gericht führte hierzu aus, dass es sich beim Antrag des Klägers auf Verringerung seiner Arbeitszeit um ein auf Änderung des Arbeitsvertrags gerichtetes Angebot handele, an das er bis zum 31.8.2018 gem. § 145 BGB gebunden sei; denn die Bindungswirkung eines Verringerungsverlangens bestehe bis zum Ablauf der Erklärungsfrist des Arbeitgebers aus § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG a. F. Dies entspreche Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck des § 8 TzBfG a. F.
Zum einen zeige § 8 Abs. 6 TzBfG a. F, wonach der Arbeitnehmer eine erneute Verringerung der Arbeitszeit frühestens nach Ablauf von 2 Jahren verlangen könne, wenn der Arbeitgeber einer Verringerung zugestimmt oder sie berechtigt abgelehnt hat, dass in diesem Falle das Recht des Arbeitnehmers begrenzt werde, von dem Arbeitgeber Teilzeit zu verlangen und zugleich das Interesse des Arbeitgebers an einer kontinuierlichen Personalplanung gewahrt werde. Dieser Regelungssystematik liefe es jedoch zuwider, wenn der Arbeitnehmer durch eine freie Disposition über seinen Teilzeitwunsch die Sperrwirkung des § 8 Abs. 6 TzBfG a. F. einschränken könnte.
Für eine Bindung an den Antrag, so das BAG weiter, spreche auch die Regelung in § 8 Abs. 5 Satz 2 TzBfG a. F. Danach gelte die vom Arbeitnehmer beantragte Arbeitszeitverringerung als vereinbart, wenn der Arbeitgeber den Antrag nicht frist-, d. h. nicht spätestens einen Monat vor dem geplanten Beginn der Vertragsänderung, und formgerecht ablehnt. Die Zustimmungsfiktion durch bloße Untätigkeit des Arbeitgebers setze jedoch voraus, dass das Änderungsangebot bis zu ihrem Eintritt fortbesteht und den Arbeitnehmer bindet.
Des Weiteren spreche auch Sinn und Zweck des § 8 Abs. 2 TzBfG a. F. für die Bindung des Beschäftigten an seinen Antrag. Hiernach habe der Beschäftigte die Verringerung ...