Finanzielle Anreize für Arbeitnehmer, damit diese aus einer Gewerkschaft austreten, sind unzulässig. Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen hat dies in einem Verfügungsverfahren Anfang März 2016 festgestellt (Urteil vom 9. März 2016, Az. 3 Ga 3/16). Damit folgte das Arbeitsgericht – gar nicht so spektakulär, wie die Presse Glauben machen möchte – der höchstrichterlichen Rechtsprechung: So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) etwa für unzulässig erklärt, die Einstellung eines Mitarbeiters von dem Austritt aus einer Gewerkschaft abhängig zu machen (Urteil vom 2. Juni 1987, Az. 1 AZR 651/85; Beschluss vom 28. März 2000, Az. 1 ABR 16/99). Auch die Befragung von Mitarbeitern nach ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit im Zusammenhang mit bevorstehenden Arbeitskampfmaßnahmen stellt dem BAG zufolge eine gegen die gewerkschaftliche Koalitionsbetätigungsfreiheit gerichtete Maßnahme dar (Urteil vom 18. November 2014, Az. 1 AZR 257/13). Es bleibt das vorläufige Fazit: wenig spektakulär.
BAG zu Differenzierungs- oder Spannenklauseln in Tarifverträgen
Interessanter ist da schon ein Blick auf sogenannte Differenzierungs- oder Spannenklauseln. Bereits 1967 hat der Große Senat des BAG entschieden, dass diese in Tarifverträgen unwirksam sind (GS 1/67 vom 29. November 1967). Nichtsdestotrotz: Immer wieder versuchen Gewerkschaften, solche Klauseln zu vereinbaren. Und mitunter gelingt es diesen dann auch, die Richter abtrünnig werden zu lassen – wie jene des 4. Senats des BAG (18. März 2009, Az. 4 AZR 64/08), der hierzu schlichtweg die "einfache" Differenzierungsklausel entwickelt hat, die verfassungskonform sei. Dabei handelt es sich um eine Klausel, die lediglich Gewerkschaftsmitglieder erfasst, "Trittbrettfahrer" (Nicht-Gewerkschaftsmitglieder) aber nicht "expressis verbis" ausschließt. Eine solche einfache Differenzierungsklausel könne bereits strukturell keinen unzulässigen unmittelbaren Druck auf Außenseiter ausüben. Das ist zwar falsch, aber höchstrichterlich entschieden.
Zudem begründe eine solche einfache Klausel ausschließlich Rechte und Pflichten von Mitgliedern der Tarifvertragsparteien, schränke indes die Handlungs- und insbesondere Vertragsfreiheit der tarifgebundenen Arbeitgeber nicht ein. Außenseiter könnten einen solchen Anspruch aufgrund einer schuldrechtlichen Vereinbarung erlangen. Allerdings: Einen Anspruch des Außenseiters auf Gleichbehandlung aus Art. 3 I GG gibt es nicht, da geht der Schutz des Art. 9 GG vor.
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Nicht-Gewerkschaftsmitglieder haben keinen Anspruch auf tarifliche Leistungen. Längere Arbeitszeit für diese Mitarbeitergruppe, niedrigere Vergütung, weniger Urlaub als im Tarifvertrag – rechtlich kein Problem. Inwieweit dies anzuraten ist, ist eine andere Frage, denn der damit erreichte Zustand ist äußerst labil. Schließlich bereitet der Eintritt der Beschäftigten in die Gewerkschaft – die Tarifbindung des Arbeitgebers vorausgesetzt – diesem Zustand ein kurzes und jähes Ende.
Die "Gleichstellungsklausel" im Vertrag, also die Gleichstellung der "Trittbrettfahrer" zu den Gewerkschaftsmitgliedern ist auch kein Problem und weit verbreitet – was die Gewerkschaften eigentlich veranlassen sollte, Differenzierungsklauseln nicht einzufordern. Denn kaum ein Arbeitgeber fragt nach Einstellung eines Mitarbeiters nach dessen Gewerkschaftszugehörigkeit – der Aufwand ist zu groß und das Ergebnis wäre in vielen Fällen dann ohnehin nur der Eintritt in die Gewerkschaft.
Im Klartext heißt das: Die Gewerkschaft kann nicht unterbinden, dass ein Arbeitgeber "Trittbrettfahrer" behandelt wie Gewerkschaftsmitglieder. Zudem wissen wir nun also: Die Besserstellung des Nicht-Gewerkschaftsmitglieds – verboten. Die Besserstellung des Gewerkschaftsmitglieds – erlaubt, aus praktischen und betriebspolitischen Erwägungen aber selten anzutreffen.
Differenzierung: Nicht besser, aber anders?
Aber wie sieht es eigentlich mit "Andersstellung" aus? Fangen wir mit einem vermeintlich einfachen Fall an: der Entgeltumwandlung. Der Arbeitgeber bietet eine Entgeltumwandlung an, zum Beispiel einen Dienstwagen. § 4 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz lässt dies hinsichtlich des Tarifentgelts nicht zu. Dem Günstigkeitsvergleich ist diese Entgeltumwandlung, da zweischneidig, nicht ohne weiteres zugänglich: Geringere Sozialversicherungsbeiträge stellen gegenüber dem Steuervorteil einen klaren Nachteil dar. Die Entgeltumwandlung muss also zulässig sein – meine ich zumindest.
Ein anderes Beispiel: Statt einem tariflichen Weihnachtsgeld erhalten Beschäftigte, die nicht in einer Gewerkschaft sind, den "Gegenwert" als zusätzlichen Urlaub. Das ist – seit der "Burda-Entscheidung" des BAG (Urteil vom 20. April 1999, Az. 1 ABR 72/98) ein Vergleich von Regelungen, die sich thematisch nicht berühren und damit methodisch unmöglich sei. Es hieße "Äpfel mit Birnen" zu vergleichen, so das BAG wörtlich.
Urlaub und Weihnachtsgeld: keine vergleichbaren Sachverhalte
Heißt das, dass diese genannten Unterschiede zulässig wären? Hier ist Vorsicht geboten. Denn wenn es sich um eine Nichtvergleichbarkeit handelt, würden "Trittbrettfahrer" – zulässig – vom tariflichen Weihnachtsgeld ausgeschlossen, Gewerkschaftsmitglieder indes unzulässig vom zusätzlichen Urlaub wegen ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit ausgeschlossen und somit in ihrer Koalitionsfreiheit eingeschränkt werden. Nur, wenn es Äpfel (vielleicht unterschiedlicher Sorten) wären, wäre das zulässig. Sonst nicht.
Sonst nicht? Im Spätsommer vergangenen Jahres ging die Meldung um, dass eine Kreuzung zwischen Apfel und Birne, ein Hybrid, geglückt sei. Allergenarm und besonders widerstandskräftig. Vielleicht muss ja dann das BAG auch umdenken. Denn plötzlich werden Äpfel und Birnen doch vergleichbar.
Alexander R. Zumkeller, Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BvAU), blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.