Alle Jahre wieder


Kolumne: Weihnachtsgeschenke als betriebliche Übung

Advent Advent, ein Lichtlein brennt … Zur Weihnachtszeit bringt der Nikolaus auch den Arbeitnehmern gerne einmal eine schöne Überraschung: eine Weihnachtsfeier, ein Präsent oder sogar eine Sonderzahlung. Für den Arbeitgeber kann dies aber durchaus rechtliche Tücken mit sich bringen, warnt unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller.

Die Adventszeit ist nicht nur die "besinnliche" Zeit, sondern auch insofern von (arbeitsrechtlichem) Interesse, als es die Zeit der Präsente ist. Ich spreche hier nicht von Kunden- oder Lieferantenpräsenten (heutzutage ohnedies in den meisten Unternehmen durch Compliance-Richtlinien untersagt), sondern von Präsenten des Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer. Und als Arbeitsrechtler verstehe ich da keinen Spaß und kenne keine Besinnlichkeit …

Vor vielen Jahren hatte ich folgenden Fall: Ein kleines Unternehmen – heute würde man Start-up sagen – schenkte seinen Mitarbeitern zu Weihnachten eine Weihnachtsgans (dynamisch-biologisch, gar nicht günstig). Das Unternehmen wuchs im Laufe der Zeit von 20 auf 70 Beschäftigte und hatte plötzlich einen Betriebsrat; und wuchs weiter auf 150 Beschäftigte. Ja, und da war die Gans plötzlich zum Problemvogel geworden: Erstens ist es gar nicht einfach, 150 (gute, biologisch-dynamisch aufgewachsene) Gänse zu bekommen und zweitens ist das Unternehmen nun einmal kein Lebensmitteleinzelhandel mit entsprechender Infrastruktur gewesen. Also fiel die Entscheidung: Keine Gans mehr.

Aber geht das so einfach? Natürlich nicht. Das Unternehmen war doppelt gefangen: "Seit jeher" wurde die Gans verschenkt (der geneigte Leser weiß sofort: betriebliche Übung) und dann war da noch der Betriebsrat. Welche "gefahrlosen" Möglichkeiten gibt es also, seinen Mitarbeitern Weihnachtsessen, Weihnachtsgans oder gar Sonderzahlungen zukommen zu lassen?

"Diese Feier könnte Ihre letzte sein!"

Das Beispiel zeigt: Einfach ist es nicht. "Einfach" den Beschäftigten die Gans zukommen zu lassen wird zur betrieblichen Übung. Dreimal hintereinander ohne Vorbehalt, kein Irrtum in der Gewährung als solcher und schon sind wir dabei. Wie verhindere ich das? Mit einem klar ausgedrückten Vorbehalt: "Wir werden uns nächstes Jahr aufs Neue überlegen, ob wir eine Leistung zu Weihnachten auskehren und wenn ja, in welchem finanziellen Umfang / in welcher Form". Nun, bei einer Sonderzahlung ist das noch praktikabel, da kann der Vorbehalt in die Gehaltsmitteilung aufgenommen werden. Aber bei einer Weihnachtsfeier oder einem Weihnachtsessen? Etwa auf die Einladung schreiben: "Diese Feier könnte Ihre letzte sein"?

Wohltat für alle – die Gesamtzusage

Nun, wir befinden uns auf der Weihnachtsfeier, der Chef lässt es richtig krachen und weil es dem Unternehmen gut geht, verkündet er in Feierlaune: "Liebe Kollegen, ich zahle jedem noch zusätzlich 500 Euro und das auch in den nächsten Jahren, wenn die Bude so brummt!". Dem Arbeitsrechtler wird schummrig vor Augen: Eine Gesamtzusage! Nichts gegen die Gesamtzusage: Es kommt nicht darauf an, ob ich bei der Feier anwesend war oder nicht. Die Gesamtzusage begünstigt jeden. Als Instrument weihnachtlicher Großzügigkeit ist sie daher bestens geeignet - jedoch will es gut überlegt sein, ob man nicht lieber formulieren möchte "Dieses Jahr liefen die Geschäfte so gut, dass jeder ausnahmsweise 500 EUR bekommt" und die Zukunft vorsichtshalber aus dem Spiel lässt.

Wie das Christkind aus dem Brunnen holen?

Ist die betriebliche Übung erstmal installiert und die Gesamtzusage gemacht, gibt es eine Möglichkeit, sich für kommende Jahre wieder davon zu lösen: Der Betriebsrat hilft! Hin und wieder mögen sich Arbeitgeber ärgern, dass sie "im eigenen Haus nicht ihr eigener Herr" sein können. Aber eine "Rückgängigmachung" ist nur einzelvertraglich (recht müßig bei einer hinreichend großen Belegschaft) möglich oder durch Betriebsvereinbarung.

Weihnachtsgansablösende Betriebsvereinbarung

Eine betriebliche Übung ist schwierig. Hier habe ich nur die Möglichkeit der "ablösenden Betriebsvereinbarung". Kurzgefasst: Ich muss das gleiche Volumen ausschütten und zwar für einen äquivalenten Zweck und denselben Empfängerkreis – kann dabei aber "umwidmen". Statt der Weihnachtsgans eine Weihnachtsfeier, statt der Weihnachtsfeier eine Geldprämie, statt der Geldprämie eine Altersversorgungszusage.

Betriebsvereinbarungsoffenheit der Gesamtzusage

Mit der Gesamtzusage hat man fast noch Glück: Dieses Jahr hat das BAG neuerlich bestätigt: Gesamtzusagen sind in aller Regel "betriebsvereinbarungsoffen" (BAG-Urteil vom 30.01.2019, 5 AZR 450/17). Bedeutet: Ich kann die zugesagte Leistung durch eine Betriebsvereinbarung ändern. Und zwar auch ohne die Schranke, das gleiche Volumen an den gleichen Personenkreis ausschütten zu müssen. Allerdings unter der klaren Bedingung, dass diese Betriebsvereinbarung unzweideutig eine abschließende Regelung für den Regelungszusammenhang sein muss. Das kann die Angelegenheit schwierig und komplex machen. Ich muss den Betriebsrat davon überzeugen, mitzumachen – was oft nur dann möglich ist, wenn es dem Unternehmen nicht gut geht oder aber wenn eine anderweitige Kompensation erfolgt.

Die Lösung: Besser gleich mit Betriebsvereinbarung

Das Intelligenteste: Die Leistung von vornherein durch eine Betriebsvereinbarung zu regeln. Der Arbeitgeber kann frei bestimmen, wie viel er ausgeben möchte, für welchen Zweck und für welchen abstrakten Personenkreis. Dem Betriebsrat verbleibt ein Mitbestimmungsrecht, das sich in der Verteilungsgerechtigkeit erschöpft. Bekommt jeder gleich viel? Oder die Außertariflichen weniger und dafür die Tarifbeschäftigten mehr? Ja, das lasse ich mir als Arbeitgeber aus der Hand nehmen. Aber selbst wenn ich diese Vereinbarung unbefristet abschließe: Sobald ich sie kündige und den "Topf" wieder auf Null setze, bin ich frei von jeglichen Verpflichtungen.

An dieser Stelle sei jedem Leser ein besinnliches Fest und ein guter, erfolgreicher und friedlicher Start ins neue Jahr gewünscht. Und dass Sie auf der Karte Ihres vom Arbeitgeber spendierten Weihnachtsmenüs nicht lesen müssen "Diese Weihnachtsfeier könnte Ihre letzte gewesen sein".


Unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller, Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BVAU), blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.