Vergütung von ärztlichem Bereitschaftsdienst. Bereitschaftsdienst. Arbeitsvergütung. Pauschalierung. Krankenhausarzt. Mehrarbeit. Arbeitszeitrichtlinie. Sittenwidrigkeit. Wucher. Arbeitslohn
Die Parteien streiten über die Höhe der Vergütung für geleistete Bereitschaftsdienste.
Der Kläger war von Mai 1999 bis März 2001 Assistenzarzt in der Privatklinik der Beklagten. Seine wöchentliche Arbeitszeit betrug zunächst 19,25 Stunden, ab Dezember 1999 38,5 Stunden. Zusätzlich leistete er regelmäßig Bereitschaftsdienste. Wochentags (Montag bis Freitag) schloss sich der Bereitschaftsdienst an das tägliche Arbeitsende (nach der Behauptung des Klägers 16.30 Uhr, nach der Behauptung der Beklagten 17.00 Uhr) an und endete um 8.00 Uhr des folgenden Tages. An Wochenenden und Feiertagen dauerte der Bereitschaftsdienst 24 Stunden (von 8.00 Uhr bis 8.00 Uhr).
Die Eingruppierung erfolgt in Anlehnung an die Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für die Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten und des Vergütungs- und Lohntarifes des Landesverbandes Baden-Württemberg für Angestellte und Arbeiter der Krankenanstalten in privater Trägerschaft in ihrer jeweils gültigen Fassung.
Die Eingruppierung erfolgt in die Vergütungsgruppe II, Stufe 3. Das monatliche Bruttogehalt beträgt demnach:
Die Bereitschaftsdienste werden mit DM 44,14 vergütet, wobei als Basis von Montag bis Freitag 8,25 Stunden und an Wochenenden und Feiertagen 13,2 Stunden zugrundegelegt werden.
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 19,25 Stunden an 5 Tagen. Die tägliche Arbeitszeit wird nach den Erfordernissen des Betriebes bestimmt.
Mehrarbeit wird nur vergütet, wenn sie vom Arbeitgeber oder seinem Beauftragten angeordnet wurde. Auf Mehrarbeitsvergütung können etwaige über-/außertarifliche Leistungen angerechnet werden.
Über Beginn und Ende der Mehrarbeit hat der Arbeitnehmer tägliche Aufzeichnungen zu machen und diese spätestens am folgenden Tag vom Arbeitgeber oder dessen Beauftragten gegenzeichnen zu lassen.”
Die Beklagte zahlte dem Kläger für Bereitschaftsdienste an Wochentagen anfangs 364,16 DM (8,25 Stunden × 44,14 DM/Stunde) und für Bereitschaftsdienste an Wochenenden bzw. Feiertagen 582,65 DM (13,2 Stunden × 44,14 DM/Stunde). Später legte sie auf Grund von Erhöhungen des Festgehalts des Klägers Stundenbeträge von 45,51 DM, 48,18 DM und zuletzt 49,14 DM zugrunde.
Der Kläger verlangt für jede geleistete Bereitschaftsdienststunde den vereinbarten Stundenbetrag. Die Beklagte müsse demnach Vergütung in Höhe des zugrunde gelegten Stundensatzes multipliziert mit 7,25 Stunden für Bereitschaftsdienste an Wochentagen und multipliziert mit 10,8 Stunden für die Wochenend- und Feiertagsdienste nachzahlen. Eine Pauschalvergütung sei nicht vereinbart. Etwa bestehende Auslegungszweifel gingen zu Lasten der Beklagten. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sei Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit anzusehen. Zudem habe er während der Bereitschaftsdienste liegen gebliebene Tagesarbeit verrichten müssen.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 28.941,55 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Mai 2001 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Arbeitsvertrag pauschaliere die für Bereitschaftsdienste geschuldete Vergütung. Die anzusetzenden 8,25 bzw. 13,2 Stunden entsprächen 55 % der geleisteten Bereitschaftsdienstzeit. Damit lehne sich die Regelung an die im Tarifvertrag für die privaten Krankenanstalten vorgesehene Bereitschaftsdienstvergütung nach Tabelle I Stufe B an. Aus der Bewertung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 93/104/EG des Rates der EG folge keine Vergütungspflicht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Die Revision ist nicht begründet. Dem Kläger steht für die geleisteten Bereitschaftsdienste keine weitere Vergütung zu.
Der Anspruch folgt nicht aus § 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrags.
1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Parteien eine pauschale Vergütung der Bereitschaftsdienste vereinbart haben.
a) § 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrags regelt die Vergütung der Bereitschaftsdienste ausgehend von einem festen Geldbetrag, den die Parteien übereinstimmend als Geldfaktor ansehen. Der Streit geht ausschließlich darum, ob der Geldfaktor mit den tatsächlichen Bereitschaftsdienststunden oder mit den besonders genannten 8,25 Stunden bzw. 13,2 Stunden zu multiplizieren ist. Der Vertragswortlaut gibt für die erstere Annahme nichts her. Die Worte “wobei … Stunden zugrundegelegt werden” beziehen sich auf die Aussage “Bereitschaftsdienste werden … vergütet“. Sie regeln also den Zeitfaktor zur Bestimmung der Vergütung. Aus der Verbindung der Satzhälften durch das Wort “wobei” wird deutlich, dass es sich bei dem Betrag von 44,14 DM um den Stundensatz handelt, mit dem die nach der zweiten Satzhälfte maßgebenden Stunden multipliziert werden. Anderenfalls wäre der mit “wobei” eingeleitete Nebensatz nicht nur überflüssig, sondern geradezu widersinnig. Es hätte schlicht heißen müssen:
“Die Bereitschaftsdienste werden mit DM 44,14/Stunde vergütet”.
Weder dem § 2 Abs. 3 noch einer anderen Regelung des Arbeitsvertrags lässt sich ein Anhaltspunkt dafür entnehmen, die Parteien hätten allein den Umfang der voraussichtlichen Heranziehung zur Arbeit klarstellen wollen. Vielmehr sprechen auch die Worte “als Basis” und “zugrundegelegt” dafür, dass hier der maßgebliche Zeitfaktor für die Berechnung der Bereitschaftsdienstvergütung festgeschrieben wird. Die zugrunde zu legenden Zahlen finden sich nur in der aus einem Satz bestehenden Regelung der Bereitschaftsdienstvergütung, während die Folgen einer über 8,25 bzw. 13,2 Stunden hinausgehenden Heranziehung während des Bereitschaftsdienstes nicht geregelt werden.
b) Der Zusammenhang der Vergütungsregelungen bestätigt dieses Verständnis. Die Vorinstanzen haben zutreffend darauf hingewiesen, dass der gleichmäßige Ansatz von 55 % als vergütungspflichtiger Arbeitszeitanteil am Bereitschaftsdienst sowohl am Wochenende als auch in der Woche für die Annahme einer Pauschalierungsabrede spricht. Dieser Prozentsatz ergibt sich, wenn man die angegebenen Stunden zu der von der Beklagten behaupteten Dauer des Bereitschaftsdienstes ins Verhältnis setzt. Es liegt nahe, dass die Parteien die angegebenen Stunden nicht willkürlich festgelegt, sondern eine bestimmte durchschnittliche Arbeitsbelastung während des Bereitschaftsdienstes angenommen haben. Das ändert aber nichts daran, dass sie für die Vergütung des gesamten Bereitschaftsdienstes durch die Verbindung der beiden Teilsätze diese Stundenzahl zugrunde gelegt haben; auf diese Weise knüpft die Bereitschaftsdienstvergütung nachvollziehbar an eine zu erwartende Vollarbeit an.
c) Für diese Pauschalierung spricht ferner die Üblichkeit solcher Vereinbarungen bei ärztlichen Bereitschaftsdiensten. Während der Bereitschaftsdienste fällt ärztliche Tätigkeit naturgemäß in verringertem, dabei aber unterschiedlichem Umfang an. Zur durchschnittlichen Belastung des Arbeitnehmers bestehen aus der Vergangenheit gewonnene Erfahrungswerte. Es liegt also nahe und ist üblich, Bereitschaftsdienste nicht wie sog. Vollarbeit zu vergüten, sondern pauschal zu bewerten. Damit wird der gesamte Bereitschaftsdienst als Dienstleistung des Arbeitnehmers vergütet, freilich mit einem minderen Prozentsatz gegenüber der sonstigen Arbeit. Das vermeidet die umständliche Einzelbewertung und gibt beiden Vertragsparteien Vergütungssicherheit. Im Arbeitsvertrag des Klägers ist eine pauschale Bewertung mit 55 % der Vollarbeit erfolgt, die zur weiteren Klarstellung und einfacheren Berechnung bereits in (“voll bezahlten”) Stunden ausgedrückt wird. Die Gliederung in einen Zeit- und einen Geldfaktor erweist sich auch als sinnvoll. Sie ermöglicht bei Anhebung des Gehalts eine entsprechende Erhöhung des Geldfaktors.
Für die Üblichkeit Bedeutung haben die einschlägigen Tarifwerke. In der Regel geben die Tarifverträge wieder, welche Arbeitsbedingungen in einer Branche oder in einem Gewerbezweig charakteristisch sind. Sowohl der Bundes-Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer in den Privatkrankenanstalten vom 18. Januar 1990 als auch der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten in Baden- Württemberg vom 12. September 2000 (B-MTV Nr. 10) bestimmen in § 8 Abs. 3 Ziff. 1 Satz 1: “Die Vergütung für Bereitschaftsdienst und für die Rufbereitschaft kann im Arbeitsvertrag oder durch Nebenabrede zum Arbeitsvertrag pauschaliert werden”. Von dieser Möglichkeit wird in der Praxis nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ausnahmslos Gebrauch gemacht. Der Kläger hat diese Feststellungen nicht angegriffen, so dass sie für das Revisionsgericht bindend sind (§ 559 Abs. 2 ZPO).
d) Nach dem Arbeitsvertrag der Parteien betrug die Bruttostundenvergütung des Klägers zunächst rechnerisch 35,45 DM. Hätten die Parteien die Vergütung einer Bereitschaftsdienststunde mit jeweils 44,14 DM vereinbart, läge die Vergütung des Bereitschaftsdienstes ca. 25 % über dem Normalverdienst. Es ist nicht ohne Weiteres anzunehmen, dass die Parteien dies gewollt haben. Zwar ist für die Arbeitsleistung innerhalb des Bereitschaftsdienstes eine erhöhte Vergütung üblich, nicht aber ohne zusätzliche Voraussetzungen für den gesamten Bereitschaftsdienst. Das belegt etwa die Vergütungsregelung im B-MTV Nr. 10. Dort ist in § 8 Abs. 1 Ziff. 3 vorgesehen, dass für die errechnete Arbeitszeit “Überstundenvergütung” gezahlt wird. Die Bewertung von Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit im Sinne des Tarifvertrags hängt von der Anzahl der Bereitschaftsdienste und von der Inanspruchnahme, also von der tatsächlichen Arbeitsleistung ab.
2. Die hiernach begründeten Ansprüche hat die Beklagte erfüllt. Sie hat unstreitig die gemäß § 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrags vereinbarte und später angehobene Pauschalvergütung im Umfang von 13,2 Stunden für die Wochenenddienste und 8,25 Stunden für die Bereitschaftsdienste von Montag bis Freitag gezahlt.
Der Anspruch ist nicht wegen besonderer über die vereinbarten Bereitschaftsdienste hinausgehender Arbeitsleistungen gerechtfertigt.
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob und ggf. welche Ansprüche entstehen, wenn die Arbeitsbelastung während der Bereitschaftsdienste über das in § 2 Abs. 3 des Arbeitsvertrags bezeichnete Maß hinausgeht. In Betracht kommt etwa eine Auslegung, die Parteien hätten eine Grenze der geschuldeten Vollarbeit festgelegt und eine darüber hinausgehende Arbeitsleistung sei als Mehrarbeit mit dem angegebenen Stundensatz zu vergüten.
2. Der Kläger hat zwar behauptet, aber nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass er zu solcher Mehrarbeit herangezogen worden sei.
a) Die Darlegungs- und Beweislast für überobligatorische Arbeitsleistung während des Bereitschaftsdienstes beurteilt sich nach den für die Vergütung von Überstunden entwickelten Grundsätzen. Denn in beiden Fällen macht der Arbeitnehmer geltend, er habe über die Normalleistung hinaus Leistungen erbracht und hierfür vom Arbeitgeber keine Vergütung erhalten. Der Arbeitnehmer, der die Vergütung solcher Mehrleistungen fordert, muss im Einzelnen darlegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Er muss vortragen, von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht, dass er tatsächlich gearbeitet hat und welche (geschuldete) Tätigkeit er ausgeführt hat. Je nach der Einlassung des Arbeitgebers besteht eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast (Senat 29. Mai 2002 5 AZR 370/01 – EzA BGB § 611 Mehrarbeit Nr. 10; 24. Oktober 2001 – 5 AZR 245/00 – AP EntgeltFG § 2 Nr. 8 = EzA EntgeltfortzG § 2 Nr. 3).
Der Vergütungsanspruch setzt ferner voraus, dass die Mehrarbeit vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurde oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig war (vgl. Senat 17. April 2002 – 5 AZR 644/00 – AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 40 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 148; 29. Mai 2002 – 5 AZR 370/01 – aaO). Für Mehrarbeit bestimmt § 7 des Arbeitsvertrags ausdrücklich, dass sie nur vergütet wird, “wenn sie vom Arbeitgeber oder seinem Beauftragten angeordnet wurde”. Darüber hinaus hat der Arbeitnehmer über Beginn und Ende der Mehrarbeit “tägliche Aufzeichnungen zu machen und diese spätestens am folgenden Tag vom Arbeitgeber oder dessen Beauftragten gegenzeichnen zu lassen”.
b) Das Landesarbeitsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, aus dem Sachvortrag des Klägers ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, ob, wann und auf Grund welcher zwingend zugewiesenen Arbeiten oder welcher Akutaufgaben der Kläger gehalten gewesen sei, über die im Vertrag genannten Zeiten hinaus tätig zu werden.
Der Kläger habe nicht dargelegt, wann er an den Bereitschaftsdiensttagen unter der Woche und an Wochenenden über 8,25 bzw. 13,2 Stunden hinaus herangezogen worden sei. Er habe nur allgemein dargestellt, dass er unter der Woche in der Regel die zugewiesenen Arbeiten, die eigentlich im Tagdienst zu verrichten gewesen seien, nicht in der Regelarbeitszeit habe erledigen können, da die Patientenversorgung Vorrang gehabt habe; deshalb seien aufschiebbare Arbeiten in die Zeiten des Bereitschaftsdienstes verlegt worden. Unter der Woche habe er sich erst ab etwa 24.00 Uhr im Bereitschaftszimmer zum Schlafen legen können.
c) Die Revision hat hiergegen nur vorgebracht, sie habe unter Zeugenbeweis gestellt, dass der Kläger im Anschluss an seine werktäglichen Dienste regelmäßig von 16.30 Uhr bis 24.00 Uhr im Normaldienst liegen gebliebene Arbeiten aufgearbeitet habe. Er habe Arztberichte diktiert, EKG's ausgewertet und Laborbestimmungen durchgeführt. Als Verfahrensrüge ist diese Rüge unzulässig. Weder benennt der Kläger den oder die übergangenen Zeugen, noch bezeichnet er seine Beweismittel nach Schriftsatz und Seitenzahl (vgl. nur BAG 11. April 1985 – 2 AZR 239/84 – BAGE 49, 39, 52 f.). Er hat auch nicht darzulegen vermocht, dass das Ergebnis der Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung geführt hätte. Denn selbst wenn bewiesen wäre, dass der Kläger wochentags von 16.30 Uhr bis 24.00 Uhr durchgehend gearbeitet hat, wären erst 7,5 Stunden und damit weniger als die bereits vergüteten 8,25 Stunden nachgewiesen. Seine Berechnung ist unschlüssig, da er die Ruhezeit pauschal mit 30 % bewertet. Im Ergebnis genügt auch der neue Vortrag des Klägers zur Ableistung von Mehrarbeit nicht den oben zu a) dargestellten Anforderungen.
Die Beklagte muss dem Kläger nicht kraft Gesetzes für jede Bereitschaftsdienststunde (mindestens) die für eine reguläre Arbeitsstunde geschuldete Vergütung zahlen.
1. Bereitschaftsdienst ist zwar Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 93/104/EG des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (RL 93/104/EG) vom 23. November 1993 (ABl. EG Nr. L 307 vom 13. Dezember 1993 S. 18 – 24), geändert durch die Richtlinie 2000/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 2000 (ABl. EG Nr. L 195 vom 1. August 2000 S. 41) und unter der neuen Bezeichnung Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 (ABl. EG Nr. L 299 vom 18. November 2003 S. 9 – 17, Inkrafttreten am 2. August 2004) (RL 2003/88/EG) veröffentlicht, nachfolgend: Arbeitszeit-Richtlinie (EuGH 3. Oktober 2000 – C-303/98 – [SIMAP] EuGHE 2000 I 7963, 7997; BAG 18. Februar 2003 – 1 ABR 2/02 – AP BGB § 611 Arbeitsbereitschaft Nr. 12 = EzA ArbZG § 7 Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Daraus folgt aber keine bestimmte Vergütungspflicht. Auch die zitierte Rechtsprechung des EuGH verhält sich zur Frage der Vergütung von Bereitschaftsdienst nicht.
2. Bereitschaftsdienst liegt vor, wenn sich der Arbeitnehmer, ohne dass von ihm wache Aufmerksamkeit gefordert wird, für Zwecke des Betriebs an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebs aufzuhalten hat, damit er erforderlichenfalls seine volle Arbeitstätigkeit unverzüglich aufnehmen kann (so schon BAG 10. Juni 1959 – 4 AZR 567/56 – BAGE 8, 25, 27 f.). Bereitschaftsdienst ist danach keine volle Arbeitsleistung, sondern eine Aufenthaltsbeschränkung, die mit der Verpflichtung verbunden ist, bei Bedarf unverzüglich tätig zu werden (BAG 27. Februar 1985 – 7 AZR 552/82 – AP BAT § 17 Nr. 12, zu II 2a der Gründe mwN). Damit unterscheidet sich dieser Dienst seinem Wesen nach von der vollen Arbeitstätigkeit, die vom Arbeitnehmer eine ständige Aufmerksamkeit und Arbeitsleistung verlangt. Dieser qualitative Unterschied rechtfertigt es, für den Bereitschaftsdienst eine andere Vergütung vorzusehen als für die Vollarbeit. Die Tarifvertragsparteien dürfen deshalb Bereitschaftsdienst und Vollarbeit unterschiedlichen Vergütungsordnungen unterwerfen (BAG 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 – DB 2004, 138, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2b der Gründe).
3. Auch die Arbeitsvertragsparteien sind frei, für beide Arten der zeitlichen Inanspruchnahme unterschiedliche Vergütungen vorzusehen. Die Vergütungshöhe unterliegt grundsätzlich der freien Vereinbarung der Parteien. Ebenso wie sie regeln können, dass besondere Belastungen zu einer höheren Vergütung führen (zB Leistung von Nacht- oder Schichtarbeit oder Arbeit an Sonn- und Feiertagen), können sie bestimmen, dass Zeiten mit geringerer Belastung oder Inanspruchnahme niedriger vergütet werden. Nichts anderes gilt im Verhältnis von Vollarbeit zu Bereitschaftsdienst, der eine insgesamt minder wertvolle Dienstleistung darstellt.
4. Der Senat geht davon aus, dass der gesamte Bereitschaftsdienst und nicht nur die darin enthaltene Vollarbeit zu vergüten ist; denn der Arbeitnehmer erbringt auch in der Ruhezeit eine Leistung gegenüber dem Arbeitgeber, weil er in seinem Aufenthalt beschränkt ist und mit jederzeitiger Arbeitsaufnahme rechnen muss. Die Vergütungsvereinbarung darf nicht nur die Zeiten der Heranziehung zu Vollarbeit, sondern muss auch den Verlust an Freizeit im Übrigen angemessen berücksichtigen. Unter diesen Voraussetzungen können die Arbeitsvertragsparteien die Vergütung des Bereitschaftsdienstes nach dem voraussichtlichen Grad der Heranziehung zu Vollarbeit pauschalieren. Ein Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) oder der Tatbestand des Wuchers (§ 138 Abs. 2 BGB) liegen dann nahe, wenn dem Arbeitnehmer erhebliche Leistungen ohne Vergütung abverlangt werden.
Nach diesem Maßstab ist die Vergütungsabrede der Parteien nicht sittenwidrig oder wucherisch. Der Stundensatz von 44,14 DM und zuletzt 49,14 DM lag deutlich, nämlich ca. 25 %, über dem Stundensatz des Klägers für die wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Nach dem nicht näher substantiierten Vortrag des Klägers betrug die Arbeitsbelastung während der Bereitschaftsdienste weniger als 50 %. Die Bewertung mit 55 % bei erhöhtem Stundensatz ist danach nicht unangemessen. Die Beklagte zahlte für die Dauer der Bereitschaftsdienste im Ergebnis etwa 68 % der Vergütung der regulären Arbeitszeit.
Ob durch die Dienstplangestaltung der Beklagten gegen das Arbeitszeitgesetz und die Arbeitszeit-Richtlinie verstoßen wurde, ist nicht erheblich. Derartige Verstöße kommen dem Kläger vergütungsrechtlich nicht zugute.
1. Die Arbeitszeit-Richtlinie sieht bei Verstößen gegen ihre Regelungen keine finanziellen Ansprüche vor. Sie betrifft nur den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz (BAG 24. Oktober 2000 – 9 AZR 634/99 – AP BUrlG § 11 Nr. 50 = EzA BUrlG § 11 Nr. 48, zu II 2d der Gründe; 22. November 2000 – 4 AZR 612/99 – BAGE 96, 284, 291 f.; 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 – DB 2004, 138, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2a der Gründe). Nach ihrem Art. 1 Abs. 2 hat sie zum Gegenstand die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten, den Mindestjahresurlaub, die Ruhepausen, die wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie bestimmte Aspekte der Nacht- und Schichtarbeit sowie des Arbeitsrhythmus. Zur Frage der Vergütung von Arbeitszeit enthält die Richtlinie dagegen keine Bestimmungen. Allein in Art. 7 ist vom “bezahlten” Mindestjahresurlaub die Rede. Dies ist folgerichtig. Nach ihren Erwägungsgründen (Abs. 1) stützt sich die Arbeitszeit-Richtlinie auf Art. 118a EG. Diese Vorschrift berechtigt den Rat, durch Richtlinien Mindestvorschriften festzulegen, die die Verbesserung insbesondere der Arbeitsumwelt fördern, um die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer verstärkt zu schützen. Es geht darum, unter welchen Umständen die Arbeit erbracht wird. Mindestvorschriften über die Vergütungspflicht sind in Art. 118a EG nicht vorgesehen. Im EG-Vertrag ist auch keine entsprechende Primärkompetenz der Gemeinschaft angelegt (BAG 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 – aaO).
2. Dem Arbeitszeitgesetz lässt sich ebenfalls keine Anspruchsgrundlage für Vergütungsansprüche entnehmen. Wie die Arbeitszeit-Richtlinie hat es den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz zum Gegenstand. Der Gesetzgeber hat mit diesem Gesetz den ihm durch Art. 30 Abs. 1 Nr. 1 des Einigungsvertrags erteilten Auftrag erfüllt, das öffentlich-rechtliche Arbeitszeitrecht einheitlich neu zu kodifizieren. Ferner hatte er den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts aus den Entscheidungen zum Hausarbeitstagsgesetz (BVerfG 13. November 1979 – 1 BvR 631/78 – BVerfGE 52, 369) und zum Nachtarbeitsverbot für Arbeitnehmerinnen (BVerfG 28. Januar 1992 – 1 BvR 1025/82 – ua. BVerfGE 85, 191) nachzukommen. Der europarechtliche Regelungsauftrag für den Gesetzgeber ergab sich insbesondere aus den Art. 3 bis 13 der Arbeitszeit-Richtlinie. Danach beschränkt sich das ArbZG auf den öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutz. Nach § 1 ArbZG besteht der Gesetzeszweck darin, die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten und die Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten zu verbessern sowie den Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung der Arbeitnehmer zu schützen. Allein § 6 Abs. 5 ArbZG regelt – alternativ – eine Vergütungsfrage. Danach hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren, soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen.
Die rechtswidrige Anordnung von Bereitschaftsdienst hat nicht zur Folge, dass die Zeit des Bereitschaftsdienstes vergütungsrechtlich wie reguläre Arbeit zu behandeln ist. Bereitschaftsdienst, den der Arbeitgeber nicht hätte anordnen dürfen und den der Arbeitnehmer dennoch leistet, bleibt Bereitschaftsdienst und wird nicht etwa von selbst zu voller Arbeitsleistung mit einem entsprechenden Vergütungsanspruch (BAG 27. Februar 1985 – 7 AZR 552/82 – AP BAT § 17 Nr. 12, zu II 2b aa der Gründe; 4. August 1988 – 6 AZR 48/86 – ZTR 1989, 147; 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 – DB 2004, 138, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B II 2b der Gründe). Der Arbeitnehmer kann die Leistung von gesetzwidrigen wie von vertragswidrigen Bereitschaftsdiensten verweigern und ggf. einen Annahmeverzug des Arbeitgebers herbeiführen. Als Sanktionen kommen die Straf- und Bußgeldvorschriften der §§ 22 f. ArbZG in Betracht; hinzuweisen ist schließlich auf die Durchführungsbestimmungen der §§ 16 f. ArbZG. Deshalb ist die vom Kläger begehrte Vergütung auch nicht zur Durchsetzung des Arbeitszeitrechts erforderlich.
3. Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 612 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Das betrifft Fälle, in denen weder durch Gesetz, Tarifvertrag oder einzelvertragliche Vereinbarung noch auf sonstiger Grundlage eine Vergütung festgelegt ist. § 612 Abs. 1 BGB greift auch dann ein, wenn über die vertraglich geschuldete Tätigkeit hinaus eine Sonderleistung erbracht wird, die durch die vereinbarte Vergütung nicht abgegolten ist und weder einzelvertraglich noch tarifvertraglich geregelt ist, wie diese Dienste zu vergüten sind (Senat 29. Januar 2003 – 5 AZR 703/01 – AP BGB § 612 Nr. 66, zu I 1 der Gründe; BAG 21. März 2002 – 6 AZR 456/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Musiker Nr. 17 = EzA TVG § 4 Musiker Nr. 2, zu I 1 der Gründe). Der Arbeitsvertrag des Klägers enthält in § 2 Abs. 3 eine Vergütungsregelung. Ein Rückgriff auf § 612 Abs. 1 BGB scheidet somit aus.
Der Anspruch folgt nicht aus § 612 Abs. 2 BGB. Hiernach ist in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen, wenn die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist. Diese Vorschrift ist auch anwendbar, wenn die Vergütungsvereinbarung unwirksam ist (BAG 28. September 1994 – 4 AZR 619/93 – AP BeschFG 1985 § 2 Nr. 38 = EzA BGB § 612 Nr. 17, zu B I der Gründe). Die Vergütungsregelung der Parteien zum Bereitschaftsdienst ist nicht unwirksam. Hat die Ableistung der Bereitschaftsdienste gegen öffentlich-rechtliche Arbeitsschutzvorschriften verstoßen und waren die zugrunde liegenden Anordnungen gem. § 134 BGB nichtig, führt dies nicht zur Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung. Zwar hat gem. § 139 BGB die Nichtigkeit eines Teils eines Rechtsgeschäfts im Zweifel die Nichtigkeit des ganzen Rechtsgeschäfts zur Folge. Das gilt aber nicht, wenn sich aus dem Zweck der Verbotsnorm ergibt, dass nur der verbotene Teil des Rechtsgeschäfts nichtig sein soll. Die einschlägigen Verbotsvorschriften dienen allein dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. Sie sollen vor einer die Gesundheit gefährdenden Überbeanspruchung bewahren. Eine angemessene Vergütung der Arbeit wollen sie dagegen nicht sicherstellen.
4. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 3, Art. 6 Nr. 2 Arbeitszeit-Richtlinie oder § 5 Abs. 1 ArbZG zu. Dabei kann offen bleiben, ob die Bestimmungen der Arbeitszeit-Richtlinie Schutzgesetze iSv. § 823 Abs. 2 BGB darstellen (ablehnend BAG 5. Juni 2003 – 6 AZR 114/02 – DB 2004, 138, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Einem Schadensersatzanspruch steht entgegen, dass dem Kläger ein ersatzfähiger Schaden nicht entstanden ist. Die Nichtgewährung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten führt zu einem Verlust an Freizeit. Dieser Verlust stellt als solcher keinen Schaden iSd. §§ 249 ff. BGB dar (BAG 24. August 1967 – 5 AZR 59/67 – BAGE 20, 48, 52; 28. September 1972 – 5 AZR 198/72 – AP AZO § 12 Nr. 9 = EzA AZO § 12 Nr. 1, zu 3a der Gründe; BGH 22. November 1988 – VI ZR 126/88 – BGHZ 106, 28, 32; 13. Juli 1993 – III ZR 116/92 – BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 Notfalldienst 2; Münch- KommBGB/Oetker Bd. 2a § 249 Rn. 88 ff.). Der Kläger hat einen wirtschaftlichen Verlust durch die Nichtgewährung von Ruhezeiten nicht geltend gemacht. Ihm ist kein höherer Anspruch entgangen. Zu einer möglichen Gesundheitsbeeinträchtigung hat er nichts vorgetragen. Die bloße Gefahr eines Schadenseintritts löst keinen Schadensersatzanspruch aus.
5. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus § 812 Abs. 1 BGB. Unterstellt man, die Beklagte sei durch die Erbringung unzulässiger Bereitschaftsdienste ungerechtfertigt bereichert worden, schuldet sie nur Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB, da ihr die Herausgabe der Bereitschaftsdienstleistungen des Klägers nicht möglich ist. Der Umfang des Wertersatzanspruchs bestimmt sich bei Arbeitsleistungen nach der dafür üblichen Vergütung oder mangels einer solchen nach der angemessenen Vergütung (BAG 12. Februar 1992 – 5 AZR 297/90 – BAGE 69, 324, 330). Da die Bereicherungsansprüche in besonderem Maße unter den Grundsätzen von Treu und Glauben stehen, kann im Wege des Bereicherungsausgleichs nicht mehr verlangt werden, als im Beschäftigungsverhältnis vereinbart war (BAG 12. Februar 1992 – 5 AZR 297/90 – aaO; BGH 31. Mai 1990 – VII ZR 336/89 – BGHZ 111, 308 mwN). Da der Kläger die ausgezahlte Vergütung zurückzuerstatten hätte, errechnet sich kein Saldo zu seinen Gunsten.
- Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.