Entscheidungsstichwort (Thema)

Jahresbezogene Ermittlung des tariflichen Urlaubsanspruchs für den Zeitraum des Sabbaticals

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Sabbatical, also eine verblockte Teilzeit aufgrund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung, führt nicht zu einer vergütungspflichtigen Mehrarbeit in der Ansparphase.

Vielmehr vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien, dass der Arbeitnehmer während der gesamten Laufzeit des Sabbaticals in Teilzeit arbeitet.

Während der aktiven Phase wird dabei ein Wert- bzw. Zeitguthaben aufgebaut durch Erhöhung der vereinbarten Teilzeit, während in der passiven Phase eine völlige Freistellung unter Weiterzahlung der vereinbarten (Teilzeit)Vergütung erfolgt.

2. Urlaubsrechtlich besteht für die Zeit der völligen Freistellung kein gesetzlicher oder tarifvertraglicher Anspruch auf Erholungsurlaub.

Da der gesetzliche Urlaubsanspruch jahresbezogen zu ermitteln ist, ist bei einer geringeren völligen Freistellung als 12 Monate der Urlaubsanspruch für das betreffende Jahr nach der Formel Anzahl der Urlaubstage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht: 312 Werktage bzw. 260 Arbeitstage bei einer 5-Tage-Woche zu errechnen

(im Anschluss an BAG 19.03.2019 - 9 AZR 315/17 - sowie BAG 3.12.2019 - 9 AZR 33/19 - und die Rechtsprechung des EuGH 8.11.2012 - C-229/11 - und C-230/11 - sowie zuletzt vom 25.11.2021 - C-233/20 - ).

 

Normenkette

BUrlG § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 19.09.2023; Aktenzeichen 58 Ca 1902/23)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19.09.2023 - 58 Ca 1902/23 - wird auf ihre Kosten bei unverändertem Streitwert zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Umfang von Urlaubstagen für das Jahr 2022.

Die Klägerin ist beim beklagten Land als Angestellte im allgemeinen Verwaltungsdienst beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft vertraglicher Inbezugnahme der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Die Klägerin erzielt einen monatlichen Bruttoverdienst bei einer Teilzeittätigkeit während des Sabbaticals von durchschnittlich 3642,20 EUR.

Am 08. November 2019 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag, in welchem es unter anderem heißt:

"§ 1

(1) Frau A nimmt in der Zeit vom 01.11.2019 bis 30.09.2022 am Sabbatical teil.

(2) Während der Gesamtdauer des Sabbaticals nach Absatz 1 gilt die Beschäftigte in einem Arbeitszeitumfang von 65,26 v. H. der regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollbeschäftigten als Teilzeitbeschäftigte im Sinne des § 24 Absatz 2 TV-L.

(3) Die Beschäftigte erhält während der Gesamtdauer des Sabbaticals entsprechend dem in Absatz 2 vereinbarten Umfang der Teilzeitbeschäftigung anteiliges Entgelt.

§ 2

(1) In der Zeit vom 01.11.2019 bis 30.04.2022 (Ansparphase) beträgt der Arbeitsumfang 76,14 v. H. der regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollbeschäftigten.

(2) Die Beschäftigte wird in der Zeit vom 01.05.2022 bis 30.09.2022 von der Arbeit freigestellt (Freistellungsphase).

..."

Während der Ansparphase arbeitete die Klägerin 30 Stunden wöchentlich an fünf Tagen in der Woche. In der Urlaubsplanung für das Jahr 2022 ist grundsätzlich ein Urlaub von 30 Tagen ausgewiesen.

Im Laufe des Jahres 2022 erhielt die Klägerin von der Personalstelle die Auskunft, dass ihr Urlaubsanspruch für den Zeitraum der Freistellungsphase gekürzt werde. Mit Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 16. Dezember 2022 bat die Klägerin das beklagte Land um Bestätigung, dass eine Kürzung des Urlaubsanspruchs nicht erfolgen wird. Das beklagte Land wies das Ansinnen der Klägerin mit Schreiben vom 31. Januar 2023 zurück.

Mit ihrer am 28. Februar 2023 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Klage beansprucht die Klägerin weitere 14 Urlaubstage für das Jahr 2022.

Die Klägerin ist der Auffassung gewesen, dass die Kürzung ihres Urlaubsanspruchs rechtswidrig sei. Wie explizit in § 2 des Änderungsvertrages geregelt, habe sie in der sogenannten Ansparphase Mehrarbeit geleistet. Bei der Freistellungsphase des Sabbaticals handele es sich auch nicht um unbezahlten Sonderurlaub, sondern um dienstplanmäßige Freizeit, wie es in dem Rundschreiben der Senatsverwaltung für Finanzen "Hinweise für Beschäftigte, die unter den TV-L fallen und eine Teilzeitbeschäftigung anstreben" heiße.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass ihr für das Jahr 2022 weitere 14 Urlaubstage zur Verfügung stehen und die erfolgte Kürzung des Urlaubsanspruchs ungerechtfertigt ist.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land hat die Auffassung vertreten, dass während der Freistellungsphase keine Urlaubsansprüche entstanden seien, da in diesem Zeitraum keine Arbeitspflicht bestanden habe. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 03. Dezember 2019 (9 AZR 33/19) zum Urlaubsanspruch bei Altersteilzeit im Blockmodell sei auf den hiesigen Fall zu übertragen.

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 19. September 2023 die K...

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