OFD Karlsruhe, Verfügung v. 8.2.2007, S 130.1/3 - St 222
Bezug: BMF-Schreiben vom 14.9.2006, BStBl 2006 I S. 532
1 Steuerliche Behandlung von Entlassungsabfindungen
Die steuerliche Behandlung von Arbeitslohn nach den Doppelbesteuerungsabkommen wurde im BMF-Schreiben vom 14.9.2006, BStBl 2006 I S. 532, geregelt. Ergänzend hierzu bitte ich bei der steuerlichen Beurteilung von Abfindungen noch folgende Bearbeitungshinweise zu beachten:
1.1 Lohnsteuerpflicht (Rz. 121 des Merkblatts)
Die Abfindung unterliegt nach § 49 Abs. 1 Nr. 4d EStG selbst bei einer nachgewiesenen Ansässigkeit im Ausland der inländischen Besteuerung (Vergangenheitsbezug; vgl. Tz. III 9 des Einführungsschreibens des BMF vom 27.1.2004, BStBl 2004 I S. 173). Nur soweit zum Zeitpunkt des Zuflusses bereits feststeht, dass Deutschland abkommensrechtlich kein Besteuerungsrecht zusteht, ist kein Lohnsteuerabzug vorzunehmen (§ 39d i.V. mit § 39b Abs. 6 EStG).
1.2 DBA-Prüfung
Diese hat regelmäßig im Veranlagungsverfahren zu erfolgen. Hierbei gelten folgende Grundsätze:
1.2.1 Grundsatz
Abfindungen, die dem Arbeitnehmer anlässlich seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis gezahlt werden, sind regelmäßig den Vergütungen aus unselbständiger Arbeit im Sinne des Art. 15 Abs. 1 OECD-MA als nachträglich gezahlte Tätigkeitsvergütungen zuzuordnen. Unter Abfindungen in diesem Sinne sind Zahlungen im Sinne des § 3 Nr. 9 EStG in Verbindung mit R 9 LStR zu verstehen. Sie stellen jedoch kein zusätzliches Entgelt für die frühere Tätigkeit dar und werden nicht für eine konkrete im In- oder Ausland ausgeübte Tätigkeit gezahlt. Abfindungen sind daher im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz OECD-MA) zu besteuern. Maßgeblich hierfür ist der Zeitpunkt der Auszahlung (BFH-Urteil vom 24.2.1988, BStBl 1988 II S. 819 ; BFH-Urteil vom 10.7.1996, BStBl 1997 II S. 341).
1.2.2 Vorabprüfung der abgegoltenen Ansprüche (Rz. 121 des Merkblatts)
Auf der Grundlage der individuellen Abfindungsvereinbarung/der Betriebsrahmenvereinbarung ist zu prüfen, ob die Abfindung (teilweise) Bestandteile enthält, für die der Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht hat (z.B. Ausgleichszahlungen für Urlaubs- oder Tantiemeansprüche).
1.2.3 Sonderfall: Abfindung Pensionsanspruch (Rz. 123 und 124 des Merkblatts)
Die Handhabung kann innerhalb eines Unternehmens uneinheitlich sein. Je nach Betriebszugehörigkeit kann eine Anrechnung oder eine gesonderte Zahlung vorliegen.
Liegt eine Zahlung mit Versorgungscharakter vor, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses an Stelle einer Betriebspension gezahlt wird, fällt diese unter Art. 18 OECD-MA (BFH-Urteil vom 19.9.1975, BStBl 1976 II S. 65) und damit in das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates.
Allerdings kann von einem Versorgungscharakter einer Abfindung grundsätzlich nur ausgegangen werden, wenn der Arbeitnehmer kurz (maximal 1 Jahr) vor dem Eintrittsalter in die gesetzliche Rentenversicherung steht.
Die Besonderheiten des jeweiligen DBA sind zu beachten. Soweit der dem Art. 18 OECD-MA entsprechende Artikel des jeweiligen DBA (z.B. Art. 12 DBA-Luxemburg) nur laufende Zahlungen erfasst, fällt eine Einmalzahlung mit Versorgungscharakter unter Art. 15 OECD-MA.
1.2.4 Länderspezifische Besonderheiten: Belgien, Niederlande, Österreich und die Schweiz (Rz. 125 des Merkblatts)
Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien wurde am 15.12.2006 eine Verständigungsvereinbarung getroffen (BMF-Schreiben vom 10.1.2007, IV B 6 – S 1301 BEL – 1/07, wird im BStBl veröffentlicht). Danach gilt Folgendes:
Abfindungen mit Versorgungscharakter unterliegen Art. 18 DBA-Belgien und sind nur im Wohnsitzstaat des Empfängers zu besteuern.
Handelt es sich dagegen bei der Abfindung um eine im Rahmen eines Arbeitsvertrages geleistete Nachzahlung von Löhnen, Gehältern oder anderen Vergütungen oder wird die Abfindung allgemein für die Auflösung des Arbeitsvertrages gewährt, so kann sie gemäß Art. 15 Abs. 1 des Abkommens in dem Staat besteuert werden, in dem die Tätigkeit ausgeübt wurde (im Regelfall Quellenstaat gegenüber bisher Ansässigkeitsstaat). Bei Tätigkeiten in mehreren Staaten ist die Abfindung ggf. aufzuteilen (maßgebend sind die Verhältnisse im Jahr vor Auflösung des Arbeitsverhältnisses).
Nach der Vereinbarung sind die zugeflossenen Abfindungen dem anderen Staat im Wege des zwischenstaatlichen Auskunftsaustausches spontan mitzuteilen.
Auch mit Österreich und den Niederlanden laufen derzeit Verhandlungen mit dem Ziel der Besteuerung der Abfindungen im Quellenstaat. Eine Entscheidung über entsprechende Fälle bitte ich daher ggf. zurückzustellen.
Zur steuerlichen Behandlung von Abfindungen nach dem DBA-Schweiz wird auf die Verständigungsvereinbarung mit der Schweiz vom 13.10.1992 verwiesen (BMF-Schreiben vom 20.5.1997, BStBl 1997 I S. 560, Grenzgängerhandbuch Fach A Teil 2 Nr. 13).
1.2.5 Prüfung der Ansässigkeit
Der Zeitpunkt des Ansässigkeitswechsels ist regelmäßig detailliert darzulegen und zu prüfen. Im Rahmen der Gesamtwürdigun...