Prof. Dr. jur. Tobias Huep
Einvernehmliche Änderungen des Arbeitsvertrags nach Vertragsschluss sind jederzeit und ohne Probleme möglich. Formerfordernisse sind nicht zu beachten. Vertragsänderungen können auch stillschweigend, durch schlüssiges Verhalten zustande kommen. Voraussetzung ist, dass die tatsächliche Leistungsgewährung zugleich für die andere Partei (regelmäßig der Arbeitnehmer) einen Vertrauenstatbestand auf die auch zukünftige Gewährung begründet. Dies kann im Wege der betrieblichen Übung mit einem kollektiven Bezug, aber auch lediglich individualrechtlich erfolgen, z. B. durch die regelmäßige Zahlung eines höheren Lohnes an nur einen oder einige wenige Arbeitnehmer. Im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers ändert auch die langjährige Übertragung von Zusatzaufgaben und die dadurch bedingte Überschreitung der vereinbarten Arbeitszeit den Inhalt des Arbeitsvertrags nicht; der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer diese Zusatzaufgabe jederzeit kraft seines Direktionsrechts wieder entziehen, solange er bei der Ausübung billiges Ermessen walten lässt. Gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 2 SBGG haben Beschäftigte einen gesetzlichen Anspruch auf Abänderung und Neuausstellung des bestehenden Arbeitsvertragsdokuments mit dem geänderten Geschlechtseintrag und den geänderten Vornamen.
Die gesetzliche Neuregelung hat verschiedene Konsequenzen:
- Der Arbeitgeber muss die Angaben in der Personalakte entsprechend anpassen.
- Der Arbeitgeber und ggf. damit betraute externe Dienstleister müssen die Daten in der Lohn- und Gehaltsabrechnung abändern.
- Der Arbeitgeber muss neu abzuschließende Arbeits- und Ausbildungsverträge entsprechend den Angaben des Beschäftigten ausstellen. Dies kann dann zu Problemen führen, wenn die im bisherigen Bewerbungsprozess übermittelten Daten nicht mehr der aktuellen Änderung entsprechen und auch Ausweisdokumente dies noch nicht dokumentieren. In diesem Fall muss der Beschäftigte aussagekräftige Nachweise über die Änderung des Geschlechtseintrags vorlegen.
- Gleiches gilt für aktuell auszustellende Zeugnisse sowie "andere Leistungsnachweise"
Für die in der Vergangenheit vom Arbeitgeber ausgestellten Dokumente gilt:
- Der Beschäftigte hat gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 SBGG einen gesetzlichen Anspruch auf Neuausstellung der Dokumente.
- Der Anspruch bezieht sich im arbeitsrechtlichen Zusammenhang auf Ausbildungs- und Dienstverträge, Zeugnisse und andere Leistungsnachweise.
- Der Anspruch setzt in allen Fällen die Glaubhaftmachung eines "berechtigten Interesses" voraus.
Mit dieser Glaubhaftmachung kann kaum die prozessuale Glaubhaftmachung als Maß der richterlichen Überzeugung gemeint sein. In der Praxis dürfte die Neuausstellung deshalb nur in seltenen Ausnahmefällen verweigert werden.
Das Gesetz gibt auch Eckdaten des dafür erforderlichen Prozesses vor:
- Die Initiative zur Änderung und Neuausstellung muss vom Beschäftigten ausgehen, den Arbeitgeber trifft keine Erkundigungs- oder Aufklärungspflicht. Möglicher Anspruchsgegner kann i. S. v. § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SBGG auch ein früherer Arbeitgeber sein, beispielsweise als Aussteller eines Zeugnisses.
- Der Beschäftigte muss die in der Vergangenheit ausgestellten Dokumente dem Arbeitgeber vorlegen. Ist dies dem Beschäftigten nicht möglich, so kann der Arbeitgeber die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangen, dass der Beschäftigte weder im Besitz der Dokumente ist noch Kenntnis von ihrem Verbleib hat. In der Praxis wird es dazu eher nicht kommen, wenn dem Arbeitgeber dieser Abgleich mit den in der Personalakte vorhandenen Unterlagen unkompliziert möglich ist.
- Die veralteten und unrichtigen Dokumente dürfen vom Arbeitgeber eingezogen, d. h. in Besitz genommen und ggf. auch vernichtet werden. Der Arbeitgeber hat einen darauf gerichteten Herausgabeanspruch Zug-um-Zug gegen die Neuausstellung.
- Der ausstellende Arbeitgeber kann vom Beschäftigten die Übernahme der Kosten für die Neuausstellung in angemessener Höhe verlangen.
Weiterhin kann sich die Geschlechtsänderung auf die Geschlechterquote, z. B. bei Betriebsratszusammensetzungen, auswirken. Die Daten müssen deshalb vom Arbeitgeber aktualisiert werden. Entscheidend ist das Personenstandsregister und das dort eingetragene Geschlecht zum Zeitpunkt der Gremienbesetzung.
Datenschutzrechtlich darf die Änderung des Geschlechtseintrags ohne Zustimmung des Beschäftigten Dritten gegenüber nicht offengelegt werden. Der Arbeitgeber sollte daher bei den im Weiteren erforderlichen Änderungen (Umstellungen z. B. in Organigrammen, E-Mail-Adressen, Internetauftritten usw.) vorab die Einwilligung des Beschäftigten einholen.
Die Kündigung einzelner Arbeitsbedingungen ist nur möglich, wenn dies im Arbeitsvertrag wirksam vorbehalten wurde. Eine Ablösung einzelner Vertragsbedingungen durch eine Betriebsvereinbarung ist auch ohne ausdrücklichen Vorbehalt zulässig, sofern es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handelt und diese einen kollektiven Bezug aufweisen. Eine Gesamtzusage ist "betriebsvereinbarungsoffen", wenn sie einen ent...