Selbst wenn der Einfluss des Unionsrechts auf Tarifverträge berücksichtigt wird (vgl. Rz. 2), steht der tariflichen Rückforderungsnorm weder Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88/EG noch Art. 31 Abs. 2 GRC entgegen. Denn der EuGH stellt bei der Berechnung der Dauer des Mindesturlaubsanspruchs nach Art. 7 Abs. 1 der RL 2003/88/EG grundsätzlich auf die tatsächlich geleistete Arbeitszeit ab. Als Ausnahme hierzu stellt er Zeiten von Krankheit oder Mutterschutz tatsächlicher Arbeitsleistung gleich. Hintergrund hierfür ist ein vom EuGH angenommenes Schutzbedürfnis von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen bei Krankheit und Mutterschutz, das er bei Elternzeit und Kurzarbeit dagegen verneint. Ebenso wenig besteht ein Schutzbedürfnis, Arbeitnehmern trotz ihres vorzeitigen Ausscheidens mehr Urlaub zu gewähren, als ihnen gemessen an ihrer tatsächlichen Arbeitsleistung zusteht. Hat ein Arbeitnehmer seinen vollen Mindesturlaubsanspruch von 4 Wochen im Februar erhalten und scheidet zum 31.5. des Jahres aus, hat er nach Auffassung des EuGH für 7/12 des Mindesturlaubsanspruchs keine Arbeitsleistung erbracht und einen Urlaubsanspruch nur in Höhe von 5/12 "erworben". Dass er tatsächlich den Urlaub schon genommen und Urlaubsentgelt erhalten hat, ändert an dieser Feststellung nichts: Hätte bereits im Februar festgestanden, dass er Ende Mai ausscheidet, hätte er von vornherein nur für 8,33 Tage (20 Tage : 12 x 5) Urlaubsentgelt bekommen, im Übrigen wäre er unbezahlt freigestellt gewesen. Es besteht auch aus unionsrechtlichen Gründen kein Anlass, dies anders zu sehen, wenn das Urlaubsentgelt bereits ausgezahlt worden ist. Eine höhere Schutzwürdigkeit entsteht nicht dadurch, weil der Arbeitnehmer das Geld bereits erhalten hat. Auch wenn der EuGH den Anspruch auf Jahresurlaub und den auf Zahlung des Urlaubsentgelts unionsrechtlich als 2 Aspekte eines einzigen Anspruchs ansieht, ändert dies nichts daran, dass dem Arbeitnehmer ein Urlaubsanspruch, der über 5/12 hinausginge, nicht zusteht. Dann steht ihm auch der zweite Aspekt, das Urlaubsentgelt, nicht zu.
Problematisch wäre es nur, wenn die tarifliche Regelung vorsähe, dass wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer jeglicher Anspruch auf Urlaubsabgeltung entfiele und sei es, weil er ohne Einhaltung der Kündigungsfrist und ohne wichtigen Grund das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendet hat. Dies stünde weder mit Unionsrecht noch mit § 1 BUrlG in Einklang. Denn der Grund und die Umstände der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind für die Frage des Urlaubsanspruchs ohne Belang.