BMF, Schreiben v. 29.12.2003, IV A 4 - S 0430 - 7/03, BStBl I 2003, 742
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für verbindliche Auskünfte Folgendes:
Die Finanzämter können nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 4.8.1961, BStBl 1961 III S. 562, vom 19.3.1981, BStBl 1981 II S. 538 und vom 16.3.1983, BStBl 1983 II S. 459) auch außerhalb der Regelungen der §§ 204 ff. AO und des § 42e EStG verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht.
1. Zuständigkeit
1.1 Der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist bei dem FA zu stellen, das bei Verwirklichung des Sachverhalts voraussichtlich zuständig sein würde. Wird der Antragsteller noch nicht steuerlich geführt, ist auf die nach dem geschilderten Sachverhalt sich künftig ergebende Zuständigkeit abzustellen.
1.2 Dies gilt auch, wenn der Antragsteller steuerlich bereits geführt wird, er aber beabsichtigt, den zu beurteilenden Sachverhalt im Zuständigkeitsbereich eines anderen Finanzamts zu verwirklichen (z.B. Aufnahme einer Tätigkeit mit gleichzeitigem Wohnsitzwechsel; Beibehaltung des bisherigen Wohnsitzes, aber Verwirklichung des Sachverhalts im Zuständigkeitsbereich eines anderen Finanzamts im Rahmen einer gesonderten Feststellung). In diesen Fällen hat sich das künftig zuständige FA mit dem bisher zuständigen FA abzustimmen.
1.3 Die Bindungswirkung einer erteilten Auskunft bleibt auch im Falle eines späteren Zuständigkeitswechsels bestehen.
2. Form, Inhalt und Voraussetzungen des Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft
2.1 Der Antrag muss schriftlich gestellt werden und folgende Angaben enthalten:
- Die genaue Bezeichnung des Antragstellers (Name, Wohnort, ggf. Steuernummer), eine umfassende und in sich abgeschlossene Darstellung eines ernsthaft geplanten, im Wesentlichen noch nicht verwirklichten Sachverhalts (keine unvollständige, alternativ gestaltete oder auf Annahmen beruhende Darstellung, Verweisung auf Anlagen nur als Beleg),
- die Darlegung des besonderen steuerlichen Interesses,
- eine ausführliche Darlegung des Rechtsproblems mit eingehender Begründung des eigenen Rechtsstandpunktes,
- die Formulierung konkreter Rechtsfragen (wobei globale Fragen nach den eintretenden Rechtsfolgen nicht ausreichen),
- die Erklärung, dass über den zur Beurteilung gestellten Sachverhalt bei keiner anderen Finanzbehörde eine verbindliche Auskunft beantragt wurde sowie
- die Versicherung, dass alle für die Erteilung der Auskunft und für die Beurteilung erforderlichen Angaben gemacht wurden und der Wahrheit entsprechen.
2.2 Das FA ist nicht verpflichtet, eigens für die zu erteilende Auskunft Ermittlungen durchzuführen.
2.3 Die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist ausgeschlossen, wenn der Sachverhalt im Wesentlichen bereits verwirklicht ist. Über Rechtsfragen, die sich aus einem bereits abgeschlossenen Sachverhalt ergeben, ist ausschließlich im Rahmen des Veranlagungs- oder Feststellungsverfahrens zu entscheiden. Denn in diesem Fall kann aufgrund der angestrebten Auskunft keine Disposition mehr getroffen werden. Das gilt auch, wenn der Sachverhalt erst nach Antragstellung, aber vor der Entscheidung über den Antrag verwirklicht wird.
2.4 Eine Auskunft kann auch erteilt werden, wenn der Antragsteller eine Auskunft für die ernsthaft geplante Umgestaltung eines bereits vorliegenden Sachverhalts begehrt. Das gilt insbesondere bei Sachverhalten, die wesentliche Auswirkungen in die Zukunft haben (z.B. Dauersachverhalte).
2.5 Verbindliche Auskünfte werden nicht erteilt in Angelegenheiten, bei denen die Erzielung eines Steuervorteils im Vordergrund steht (z.B. Prüfung von Steuersparmodellen, Feststellung der Grenzpunkte für einen Gestaltungsmissbrauch oder für das Handeln eines ordentlichen Geschäftsleiters).
2.6 Die Befugnis, nach pflichtgemäßem Ermessen auch in anderen Fällen die Erteilung verbindlicher Auskünfte abzulehnen, bleibt unberührt (z.B. wenn zu dem Rechtsproblem eine gesetzliche Regelung, eine höchstrichterliche Entscheidung oder eine Verwaltungsanweisung in absehbarer Zeit zu erwarten ist).
3. Erteilung einer verbindlichen Auskunft
Bei der schriftlich zu erteilenden Auskunft hat das FA ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass
- die Auskunft nach Treu und Glauben Bindungswirkung nur entfaltet, wenn der später verwirklichte Sachverhalt von dem der Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalt nicht abweicht;
- das FA bis zu der von der Auskunft abhängigen Disposition einen anderen rechtlichen Standpunkt einnehmen und die Auskunft entsprechend widerrufen kann;
- die Auskunft außer Kraft tritt,
- wenn die Rechtsvorschriften, auf denen die Auskunft beruht, geändert werden,
- wenn das FA die Auskunft zulässigerweise mit Wirkung für die Zukunft widerruft oder
- wenn das FA die Auskunft rückwirkend aufhebt, weil sie von einer sachlich unzuständigen Behörde erlasse...