Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei Sozialeinrichtung. Sozialeinrichtung iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Beteiligung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren
Leitsatz (amtlich)
Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei einer Sozialeinrichtung iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG setzt voraus, dass der Wirkungsbereich der Einrichtung auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern des Arbeitgebers beschränkt ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die Einrichtung nach dem vom Arbeitgeber bestimmten Zweck einem unbestimmten Personenkreis zugänglich ist.
Orientierungssatz
1. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG setzt voraus, dass die Sozialeinrichtung in ihrem Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern des Arbeitgebers beschränkt ist. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die Einrichtung einem unbestimmten Nutzerkreis zur Verfügung steht. Unschädlich ist es, wenn Außenstehende als Gäste zugelassen werden.
2. Für die Beurteilung der Beschränkung des Wirkungsbereichs einer Sozialeinrichtung ist der vom Arbeitgeber festgelegte Zweck der Einrichtung maßgeblich. Auf das äußere Erscheinungsbild kommt es grundsätzlich nicht an.
3. Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG stehen nicht dem in der Sozialeinrichtung errichteten Betriebsrat zu, sondern dem Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat, für dessen Betrieb, Unternehmen oder Konzern die Sozialeinrichtung errichtet ist.
4. Werden die Öffnungszeiten einer Sozialeinrichtung vom Arbeitgeber – ggf. unter Beteiligung des nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zuständigen Betriebsrats, Gesamtbetriebsrats oder Konzernbetriebsrats – festgelegt, so sind die Betriebsparteien der Sozialeinrichtung oder im Streitfall die Einigungsstelle bei den nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitbestimmten Regelungen der Arbeitszeiten in der Sozialeinrichtung an diese Öffnungszeiten nicht gebunden, haben sie aber als betriebliche Belange bei der Ausgestaltung der Arbeitszeiten zu berücksichtigen.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 2, 8-10; ArbGG § 83 Abs. 3; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 2. August 2007 – 7 TaBV 2/07 – aufgehoben.
2. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 21. November 2006 – 21 BV 29/06 – abgeändert:
Der Antrag wird abgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Gesamtbetriebsrat bei der Form, Ausgestaltung und Verwaltung des von der Arbeitgeberin betriebenen Zentralen Dienstes Kindertagesstätten nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG mitzubestimmen hat.
Die Arbeitgeberin betreibt im Stadtgebiet Hamburg mehrere Krankenhäuser. Bei ihr ist der antragstellende Gesamtbetriebsrat errichtet. Auf dem Gelände von sechs Krankenhäusern oder in deren unmittelbarer Nähe befinden sich Kindertagesstätten. Diese waren früher den Krankenhäusern zugeordnet und deren Leitungen unterstellt. Die Arbeitgeberin wurde im Jahr 2004 privatisiert. Der Privatisierungsvertrag sieht vor, dass “der Investor … Betriebskindergärten und andere von der Gesellschaft betriebene Sozialeinrichtungen grundsätzlich weiterführen” wird. In der Folgezeit entschloss sich die Arbeitgeberin die Kindertagesstätten zu einem Zentralen Dienst (ZD Kita) zusammenzufassen. Hiervon unterrichtete sie den Gesamtbetriebsrat mit Schreiben vom 14. November 2005 und teilte ihm darin auch mit, der Wechsel in das sog. Kita-Gutschein-System der Stadt Hamburg bedinge eine Öffnung der Betriebskindergärten für die Aufnahme externer Kinder; die bisherigen Betriebskindergärten würden zu grundsätzlich frei zugänglichen Einrichtungen.
Der Leiter des neu eingerichteten ZD Kita, dessen Mitarbeiter nach der Errichtung einen eigenen Betriebsrat gewählt haben, untersteht unmittelbar der Geschäftsführung der Arbeitgeberin. Finanziert wurde die Einrichtung im Jahr 2006 über das Kita-Gutschein-System, Beiträge der Eltern und einen Zuschuss der Arbeitgeberin von ca. 490.000,00 Euro. Die Arbeitgeberin wirbt bei Stellenausschreibungen mit dem Hinweis auf “hausinterne Kindertagesstätten”. Die Öffnungszeiten der Kindertagesstätten werden den Mitarbeitern der Arbeitgeberin über das unternehmensinterne E-Mail-System mitgeteilt. Der Anteil “externer” Kinder in den Kindertagesstätten ist nach der Umstrukturierung von ca. 10 % auf über 30 % im Juli 2006 angestiegen.
Am 26. September 2006 fasste die Geschäftsführung der Arbeitgeberin einen förmlichen Beschluss, nach dem die Kindertagesstätten “als öffentliche Kindertagesstätten von Mitarbeitern der L… GmbH aber auch von nicht in der L… GmbH beschäftigten Eltern genutzt” werden. In dem Beschluss heißt es ua.:
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Die Finanzierung des ZD Kita erfolgt über das Kita-Gutschein-System der Freien und Hansestadt Hamburg. Dauerhafte Zuschüsse der L… GmbH zum Ausgleich eines Betriebsverlustes des ZD Kita sind nicht vorgesehen. Es wird angestrebt, im ZD Kita spätestens im Geschäftsjahr 2007 ein positives EBITDA zu erreichen.
§ 3
Die Kindertagesstätten des ZD Kita nehmen als öffentliche Kindertagesstätten grundsätzlich alle Kinder auf. Eine bevorzugte Aufnahme oder bevorzugte Behandlung der Kinder von Mitarbeitern der L… GmbH erfolgt nicht. Voraussetzungen für die Aufnahme von Kindern in eine Kindertagesstätte sind ausschließlich die Vorlage eines entsprechenden Kita-Gutscheins und das Vorhandensein eines freien Platzes. Dem Kita-Gutschein gleichgestellt ist die Kostenzusage einer Hamburger Umlandgemeinde.”
Der Gesamtbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, der ZD Kita sei nach wie vor eine seiner Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG unterliegende Sozialeinrichtung der Arbeitgeberin. Das folge vor allem aus dem äußeren Erscheinungsbild, insbesondere der räumlichen Nähe der Kindertagesstätten zu den Krankenhäusern und dem Umstand, dass in den Kindertagesstätten Mitarbeiter der Arbeitgeberin tätig seien. Dafür spreche auch die Werbung mit den Kindertagesstätten und die Benutzung des internen E-Mail-Systems durch die Leitungen der Kindertagesstätten.
Der Gesamtbetriebsrat hat – soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung – zuletzt beantragt
festzustellen, dass der Zentrale Dienst Kindertagesstätten eine Sozialeinrichtung der Arbeitgeberin iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ist.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der ZD Kita sei keine Sozialeinrichtung iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG mehr, da der Wirkungsbereich nicht auf ihre Betriebe bzw. ihr Unternehmen beschränkt sei. Die Kindertagesstätten stünden externen Kindern in gleicher Weise zur Verfügung wie Kindern ihrer Mitarbeiter.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Gesamtbetriebsrats stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin weiterhin die Abweisung des Antrags.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Vorinstanzen haben dem Antrag des Gesamtbetriebsrats zu Unrecht entsprochen. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Der ZD Kita ist keine Sozialeinrichtung iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Daher steht dem Gesamtbetriebsrat nach dieser Vorschrift kein Mitbestimmungsrecht zu.
I. An dem Verfahren sind nach § 83 Abs. 3 ArbGG keine weiteren Personen oder Stellen beteiligt.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats richtet sich die Beteiligung in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren danach, ob eine Person oder Stelle in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen oder mitbestimmungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen ist. Betroffen ist ein Betriebsverfassungsorgan, wenn es als Inhaber des streitigen Rechts ernsthaft in Betracht kommt. Reklamiert ein Gesamtbetriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, müssen die örtlichen Betriebsräte nur beteiligt werden, wenn Arbeitgeber oder Gesamtbetriebsrat hilfsweise deren Zuständigkeit behaupten oder objektiv zumindest ernsthafte Zweifel bestehen können, ob nicht statt des Gesamtbetriebsrats die örtlichen Betriebsräte Inhaber des streitigen Mitbestimmungsrechts sind (28. März 2006 – 1 ABR 59/04 – Rn. 11 – 13, BAGE 117, 337; 22. Juli 2008 – 1 ABR 40/07 – Rn. 30, NZA 2008, 1248).
2. Hiernach sind an dem Verfahren weder die Betriebsräte der einzelnen Krankenhäuser noch der neu errichtete Betriebsrat des ZD Kita beteiligt.
a) Allerdings würde durch die begehrte Entscheidung, der antragstellende Gesamtbetriebsrat habe bei der Ausgestaltung des ZD Kita, darunter auch bei der Regelung von dessen Öffnungszeiten, nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG mitzubestimmen, zugleich inzident entschieden, dass dieses Mitbestimmungsrecht nicht den Betriebsräten der Krankenhäuser oder dem Betriebsrat des ZD Kita zusteht.
b) Die Betriebsräte der einzelnen Krankenhäuser oder der Betriebsrat des ZD Kita kommen aber als Inhaber des streitbefangenen Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG nicht ernsthaft in Betracht.
aa) Sollte es sich bei dem ZD Kita um eine Sozialeinrichtung der Arbeitgeberin iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG handeln, stünden die sich hiernach ergebenden Mitbestimmungsrechte zweifelsfrei dem Gesamtbetriebsrat zu. Dessen Zuständigkeit ergäbe sich aus § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Die Ausgestaltung des ZD Kita betrifft jedenfalls mehrere – wenn nicht gar alle – Betriebe der Arbeitgeberin und kann nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden.
bb) Das gilt auch für die Öffnungszeiten der Kindertagesstätten.
(1) Allerdings sind die Öffnungszeiten derzeit unterschiedlich geregelt. Gleichwohl kommt eine Zuständigkeit der Betriebsräte der Krankenhäuser, auf deren Gelände oder in deren Nähe die einzelnen Kindertagesstätten liegen, aus diesem Grund nicht ernsthaft in Betracht. Jedenfalls seit der organisatorischen Zusammenfassung der Kindertagesstätten zum ZD Kita handelt es sich um eine betriebsübergreifende Einrichtung der Arbeitgeberin. Ein bei deren Ausgestaltung möglicherweise bestehendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG kann aber nicht aufgespalten werden in solche Teile, die dem Gesamtbetriebsrat, und solche, die den örtlichen Betriebsräten zustehen.
(2) Die wechselseitige Abhängigkeit der Öffnungszeiten der Tagesstätten sowie der Arbeitszeiten der dort beschäftigten Arbeitnehmer führt nicht dazu, dass ein hinsichtlich der Öffnungszeiten nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG bestehendes Mitbestimmungsrecht dem Betriebsrat des ZD Kita zustünde. Die Öffnungszeiten der Einrichtung sind nicht identisch mit den Arbeitszeiten der dort beschäftigten Mitarbeiter, hinsichtlich derer der örtliche Betriebsrat des ZD Kita nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitzubestimmen hat. Die Öffnungszeiten der Kindertagesstätten betreffen die Ausgestaltung der Sozialeinrichtung. Die diesbezüglichen Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG stehen aber nicht dem in der Sozialeinrichtung errichteten Betriebsrat zu, sondern dem Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat, für dessen Betrieb, Unternehmen oder Konzern die Sozialeinrichtung errichtet ist. Werden die Öffnungszeiten vom Arbeitgeber – ggf. unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG – festgelegt, so sind die Betriebsparteien der Sozialeinrichtung oder im Streitfall die Einigungsstelle bei den nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitbestimmten Regelungen der Arbeitszeiten in der Sozialeinrichtung an diese Öffnungszeiten nicht gebunden (vgl. BAG 13. Oktober 1987 – 1 ABR 10/86 – zu B II 3c der Gründe, BAGE 56, 197), haben sie aber als betriebliche Belange bei der Ausgestaltung der Arbeitszeiten zu berücksichtigen.
II. Der Antrag ist zulässig, bedarf jedoch der Auslegung.
1. Er ist dahin zu verstehen, dass mit ihm das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Gesamtbetriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG bei der Form, Ausgestaltung und Verwaltung des ZD Kita festgestellt werden soll.
a) Bei einem am Wortlaut haftenden Verständnis des Antrags würde dieser den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO nicht genügen.
aa) Nach dieser auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren Bestimmung muss der Antrag auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet sein. Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Lebenssachverhalt entstehende rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Bloße Elemente und Vorfragen können nicht zum Gegenstand eines Feststellungsantrags gemacht werden (BAG 3. Mai 2006 – 1 ABR 63/04 – Rn. 19, AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 61).
bb) Der Antrag ist seinem Wortlaut nach auf die Feststellung gerichtet, dass der ZD Kita eine Sozialeinrichtung der Arbeitgeberin iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ist. Damit wird bei wörtlichem Verständnis nicht die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, sondern einer rechtlichen Eigenschaft des ZD Kita und dessen betriebsverfassungsrechtliche Qualifizierung begehrt. Dabei handelt es sich allenfalls um ein Element eines Rechtsverhältnisses und um eine Vorfrage für die Beurteilung, ob Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG in Betracht kommen.
b) Der Antrag kann jedoch dahin ausgelegt werden festzustellen, dass der Gesamtbetriebsrat bei Form, Ausgestaltung und Verwaltung des ZD Kita nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG mitzubestimmen hat. Dem antragstellenden Gesamtbetriebsrat geht es in der Sache nicht um die betriebsverfassungsrechtliche Qualifizierung des ZD Kita, sondern um die Feststellung seiner von der Arbeitgeberin bestrittenen Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Bei einem solchen Verständnis genügt der Antrag den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO. Das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts ist ein Rechtsverhältnis zwischen den Betriebsparteien, das einer gerichtlichen Feststellung zugänglich ist.
2. Bei diesem Verständnis genügt der Antrag auch den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
a) Allerdings muss in Fällen, in denen über den Inhalt eines Mitbestimmungsrechts gestritten wird, der Antragsteller eines Beschlussverfahrens die Maßnahme des Arbeitgebers oder den betrieblichen Vorgang, hinsichtlich dessen das Mitbestimmungsrecht festgestellt werden soll, regelmäßig so konkret beschreiben, dass der Umfang der mit einer Sachentscheidung verbundenen Rechtskraft zuverlässig festgestellt werden kann. In Fällen, in denen das Mitbestimmungsrecht für einen bestimmten Regelungskomplex nicht in seinem Inhalt, sondern bereits dem Grunde nach streitig ist, genügt es aber, wenn der Regelungskomplex hinreichend bestimmt ist, und ist es nicht erforderlich, die darunter fallenden Vorgänge sämtlich und im Einzelnen zu beschreiben (vgl. BAG 8. Juni 2004 – 1 ABR 13/03 – zu B I 2a aa der Gründe, BAGE 111, 36).
b) Hiernach ist der Antrag hinreichend bestimmt. Zwar sind bei dem aufgrund der Auslegung gebotenen Verständnis mit der Formulierung “Form, Ausgestaltung und Verwaltung” die Maßnahmen und Vorgänge, hinsichtlich derer das Mitbestimmungsrecht festgestellt werden soll, nicht im Einzelnen beschrieben. Das ist hier aber auch nicht erforderlich. Die Beteiligten streiten nicht über den Inhalt eines etwa bestehenden Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, sondern allein darüber, ob dieses überhaupt besteht. Der Regelungskomplex, für den über das Mitbestimmungsrecht gestritten wird, ist hinreichend bestimmt. Es geht um die Form, Ausgestaltung und Verwaltung des ZD Kita.
III. Der Antrag ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen unbegründet. Der Gesamtbetriebsrat hat bei der Form, Ausgestaltung und der Verwaltung des ZD Kita nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG mitzubestimmen. Der ZD Kita ist zwar eine Sozialeinrichtung. Deren Wirkungsbereich ist aber nicht auf Betrieb, Unternehmen oder Konzern der Arbeitgeberin beschränkt.
1. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist. Hierzu muss ein zweckgebundenes Sondervermögen vorhanden sein, die Einrichtung sozialen Zwecken dienen und ihr Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt sein (vgl. BAG 15. September 1987 – 1 ABR 31/86 – zu B II 1a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 87 Sozialeinrichtung Nr. 9 = EzA BetrVG 1972 § 87 Sozialeinrichtung Nr. 15).
a) Eine Sozialeinrichtung iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG setzt ein zweckgebundenes Sondervermögen voraus. Hierzu müssen die Mittel für die Sozialleistungen von den laufenden, anderen Zwecken dienenden Betriebsmitteln abgrenzbar sein (vgl. BAG 9. Dezember 1980 – 1 ABR 80/77 – zu B II der Gründe, BAGE 34, 297). Dies erfordert regelmäßig eine äußerlich erkennbare, auf Dauer gerichtete Organisation (vgl. BAG 15. September 1987 – 1 ABR 31/86 – zu B II 1a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 87 Sozialeinrichtung Nr. 9 = EzA BetrVG 1972 § 87 Sozialeinrichtung Nr. 15).
b) Die Einrichtung dient sozialen Zwecken, wenn den Arbeitnehmern Leistungen oder Vorteile gewährt werden, die keine unmittelbare Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung sind (vgl. BAG 11. Juli 2000 – 1 AZR 551/99 – zu II 1a der Gründe, BAGE 95, 221). Die Leistungen müssen nicht unentgeltlich sein. Dem sozialen Zweck einer Einrichtung steht nicht entgegen, wenn Teile der Mittel von den Arbeitnehmern selbst aufgebracht werden müssen (BAG 11. Juli 2000 – 1 AZR 551/99 – aaO). Eine Sozialeinrichtung kann sogar dann vorliegen, wenn sie der Arbeitgeber mit der Maßgabe einrichtet, dass sie auf Dauer kostendeckende Einnahmen erzielen soll (vgl. Wiese GK-BetrVG 8. Aufl. § 87 Rn. 688; HSWGNR-Worzalla BetrVG 7. Aufl. § 87 Rn. 393).
c) Die von § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG verlangte betriebs-, unternehmens- oder konzernbezogene Beschränkung des Wirkungsbereichs setzt voraus, dass die Einrichtung für die Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernangehörigen vorgesehen und nicht einem unbestimmten Personenkreis zugänglich ist. Unschädlich ist es allerdings, wenn Außenstehende als Gäste zugelassen werden (vgl. BAG 21. Juni 1979 – 3 ABR 3/78 – zu II 2a der Gründe, BAGE 32, 39; 11. Juli 2000 – 1 AZR 551/99 – zu II 1a der Gründe, BAGE 95, 221). Ein solches Verständnis entspricht dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG.
aa) Nach dem Wortlaut der Regelung verlangt das Mitbestimmungsrecht die “Beschränkung” des “Wirkungsbereichs” der Sozialeinrichtung auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern des Arbeitgebers. Dem Wortsinn nach bedeutet dies, dass die Personen, denen die Leistungen der Einrichtung zugute kommen sollen, jedenfalls typischerweise Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernangehörige sind. Eine generelle Öffnung der Einrichtung für einen unbestimmten Personenkreis ist damit nicht vereinbar.
bb) Dies entspricht auch dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift. Die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG sind – wie generell die Mitbestimmung der Betriebsverfassungsorgane – belegschaftsbezogen. Die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG tritt – ähnlich wie diejenige nach § 87 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG – ergänzend neben die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Durch § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG werden – soziale – Leistungen des Arbeitgebers, die nicht ohne Weiteres unter § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG fallen, ebenfalls der Mitbestimmung des Betriebsrats unterworfen. Soweit der Arbeitgeber eine Sozialeinrichtung bezuschusst und damit zusätzliches Entgelt leistet, verdrängt das speziellere Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG den Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (BAG 11. Juli 2000 – 1 AZR 551/99 – zu II 1a der Gründe, BAGE 95, 221). Diese “Belegschaftsbezogenheit” rechtfertigt es, die Mitbestimmung auf die Fälle zu beschränken, in denen die Leistungen der Sozialeinrichtung zumindest ganz überwiegend und vorrangig den Belegschaftsmitgliedern dienen.
cc) Ein solches Verständnis entspricht dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Beschränkung. Diese ist jedenfalls auch Ausdruck davon, dass die Legitimation des Betriebsrats sich von der Belegschaft ableitet, die ihn gewählt hat und die er gegenüber dem Arbeitgeber repräsentiert (vgl. BAG 21. Juni 1979 – 3 ABR 3/78 – zu II 2b der Gründe, BAGE 32, 39). Für betriebs-, unternehmens- und konzernfremde Nutzungsberechtigte einer Sozialeinrichtung haben der Betriebsrat, der Gesamtbetriebsrat oder der Konzernbetriebsrat keine entsprechende Legitimation. Auch werden sie sich deren Interessen regelmäßig nicht verpflichtet sehen. Dies rechtfertigt es, eine Mitbestimmung zu verneinen, wenn die Sozialeinrichtung unterschiedslos für einen unbestimmten Nutzerkreis geöffnet ist. Im Übrigen hat die Einrichtung in einem solchen Fall regelmäßig einen anderen Charakter. Ihre Funktion besteht dann nicht mehr darin, betriebs-, unternehmens- oder konzernangehörigen Arbeitnehmern soziale Leistungen zugute kommen zu lassen. Vielmehr dient sie in einem solchen Fall der Öffentlichkeit.
d) Maßgeblich für die Beurteilung ist der – letzte – vom Arbeitgeber vorgegebene Zweck der Sozialeinrichtung. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Zweckbestimmung der Sozialeinrichtung ändert. Auf das “äußere Erscheinungsbild” kommt es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts grundsätzlich nicht an. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG stellt auf den “Wirkungsbereich” der Sozialeinrichtung ab. Dieser hängt entscheidend von deren Zweckbestimmung ab. Dabei kann dahinstehen, ob es Ausnahmefälle geben mag, in denen trotz rechtlicher Öffnung einer Sozialeinrichtung faktische Zugangshindernisse bestehen, die eine Beschränkung des Wirkungskreises zur Folge haben.
2. Hiernach steht dem Gesamtbetriebsrat bei der Form, Ausgestaltung und Verwaltung des ZD Kita kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zu.
a) Der ZD Kita bildet allerdings ein zweckgebundenes Sondervermögen der Arbeitgeberin. Die in ihm zusammengefassten einzelnen Kindertagesstätten sind mit den Räumen, Einrichtungsgegenständen, Betriebsmitteln und Arbeitskräften eine äußerlich erkennbare, abgrenzbare und auf Dauer gerichtete Organisation.
b) Die Einrichtung dient auch sozialen Zwecken. Durch die Möglichkeit ihrer Nutzung werden – jedenfalls auch – Arbeitnehmern der Arbeitgeberin Vorteile gewährt. Dies gälte selbst dann, wenn die Arbeitgeberin den ZD Kita nicht mehr – wie im Jahr 2006 mit immerhin noch 490.000,00 Euro – bezuschussen, sondern dieser sich finanziell selbst tragen würde.
c) Der Wirkungsbereich des ZD Kita ist jedoch nicht – mehr – auf die Betriebe oder das Unternehmen der Arbeitgeberin beschränkt. Die Möglichkeit der Nutzung der Kindertagesstätten ist vielmehr generell für einen unbestimmten Personenkreis eröffnet.
aa) Nach § 3 des Beschlusses der Geschäftsführung der Arbeitgeberin vom 26. September 2006 nehmen die Kindertagesstätten des ZD Kita “als öffentliche Kindertagesstätten grundsätzlich alle Kinder auf”. Ausdrücklich heißt es ferner, dass eine bevorzugte Aufnahme oder Behandlung der Kinder von Mitarbeitern der Arbeitgeberin nicht erfolgt und die Aufnahme ausschließlich die Vorlage eines entsprechenden Kita-Gutscheins und das Vorhandensein eines freien Platzes voraussetzt. Der generellen Öffnung der ZD Kita für einen unbestimmten Personenkreis steht nicht entgegen, dass sich die Kindertagesstätten auf dem Gelände der Krankenhäuser oder in deren Nähe befinden. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Arbeitgeberin bei der Stellenausschreibung mit den Kindertagesstätten wirbt und deren Leitungen die Öffnungs- und Schließungszeiten ins Intranet der Arbeitgeberin einstellen. Der Wirkungsbereich des ZD Kita wird dadurch weder rechtlich noch faktisch beschränkt. Dies zeigt auch der Umstand, dass die Einrichtung im Jahr 2006 zu über 30 % von Eltern genutzt wird, die nicht im Unternehmen der Arbeitgeberin beschäftigt sind.
bb) Der Arbeitgeberin ist es auch nicht verwehrt, sich gegenüber dem Gesamtbetriebsrat auf die generelle Öffnung des Wirkungskreises des ZD Kita zu berufen. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass nach dem Privatisierungsvertrag “der Investor” – also wohl die Arbeitgeberin – “Betriebskindergärten und andere von der Gesellschaft betriebene Sozialeinrichtungen grundsätzlich weiterführen” wird. Selbst wenn darin eine wirksame schuldrechtliche Verpflichtung der Arbeitgeberin läge und diese als Vertrag zugunsten Dritter Rechte der Arbeitnehmer auf Fortführung der Betriebskindergärten und anderer Sozialeinrichtungen begründen sollte, so ergäbe sich daraus kein Anspruch des Gesamtbetriebsrats darauf, dass die Arbeitgeberin die Betriebskindergärten als Sozialeinrichtungen iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG fortführt und sie nicht für einen unbestimmten Personenkreis öffnet.
Unterschriften
Schmidt, Kreft, Linsenmaier, Gentz, Olaf Kunz
Fundstellen
Haufe-Index 2149199 |
BAGE 2010, 313 |
BB 2009, 893 |
DB 2009, 1655 |
EBE/BAG 2009, 66 |
NZA 2009, 562 |
AP, 0 |
EzA-SD 2009, 20 |
EzA |
ArbRB 2009, 169 |
NJW-Spezial 2009, 276 |