Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsverbot unter einer Bedingung
Leitsatz (redaktionell)
Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist für den Arbeitnehmer unverbindlich, wenn die Wettbewerbstätigkeit von der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Arbeitgebers abhängig gemacht wird.
Normenkette
HGB § 74; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 31.03.1983; Aktenzeichen 2 Sa 74/83) |
ArbG Krefeld (Entscheidung vom 08.12.1982; Aktenzeichen 5 Ca 2299/82) |
Tatbestand
Der Beklagte war seit dem 1. April 1979 bei der Klägerin, einer Gesellschaft für Schweißtechnik, als Reisender im Angestelltenverhältnis tätig. In § 9 des Anstellungsvertrags vom 19./22. Dezember 1978 wird auf ein beigefügtes Wettbewerbsverbot vom selben Tage verwiesen. Es ist von beiden Parteien unterzeichnet und lautet:
"Während der Dauer des Dienstverhältnisses zwi-
schen den Vertragsschließenden sowie während
der ersten beiden Jahre nach Beendigung des
Dienstverhältnisses ist es dem Arbeitnehmer oh-
ne vorherige schriftliche Zustimmung der Ge-
schäftsleitung von A nicht gestattet, selb-
ständig oder unselbständig, mittelbar oder un-
mittelbar in einem oder für ein Konkurrenzun-
ternehmen von A tätig zu sein, insbesonde-
re eine Stellung bei einem Konkurrenzunterneh-
men anzunehmen, sich an einem solchen mittel-
bar oder unmittelbar zu beteiligen oder dafür
mittelbar oder unmittelbar, auch durch Bera-
tung oder dergleichen tätig zu werden oder es
in irgendeiner Weise zu fördern oder für eige-
ne Rechnung Konkurrenzgeschäfte zu machen oder
sich von Konkurrenzunternehmen Vergütungen für
eine ausgeübte oder vorgesehene Tätigkeit ge-
währen oder versprechen zu lassen.
Das Konkurrenzverbot erstreckt sich auf den ge-
samten bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers
von A bearbeiteten Raum und die angrenzen-
den Regierungsbezirke, ferner auf Konkurrenz-
unternehmen, die von außerhalb diesen Gesamt-
raum bearbeiten. ......
Der Arbeitnehmer erhält nach Beendigung sei-
nes Dienstverhältnisses für die Dauer des Kon-
kurrenzverbotes eine Entschädigung in Höhe
der Hälfte der von ihm zuletzt bezogenen ver-
tragsmäßigen Leistungen. Es steht A frei,
vor Beendigung des Dienstverhältnisses auf
die Einhaltung des Konkurrenzverbotes zu ver-
zichten. Im übrigen finden für das Konkurrenz-
verbot wie auch für die Zahlung einer Ent-
schädigung die Bestimmungen der §§ 74 bis
75 e Anwendung.
......"
Am 19. Februar 1982 schloß der Beklagte mit der K GmbH, ,W Straße 11, D, einen Arbeitsvertrag. Dieses Unternehmen steht zu der Klägerin in Wettbewerb. Am 23. Februar 1982 kündigte er sein Arbeitsverhältnis zur Klägerin zum 30. Juni 1982. Am 1. Juli 1982 nahm er die Arbeit bei der K GmbH auf.
Die Klägerin hat von dem Beklagten die Einhaltung des Wettbewerbsverbots verlangt. Dieses sei entgegen der Auffassung des Beklagten wirksam. Die Vertragsbestimmung, nach der "ohne vorherige schriftliche Zustimmung" eine Konkurrenztätigkeit verboten sei, stelle keine Bedingung dar, die zur Unverbindlichkeit der Wettbewerbsvereinbarung führe. Aufgrund dieser Vereinbarung könne sie sich keineswegs jederzeit einseitig aus der Vereinbarung lösen. Sie sei vielmehr auf ein dahingehendes Begehren des Beklagten angewiesen. Die Klägerin hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen,
a) beginnend mit dem 1. Juli 1982 bis zum
Ablauf des 30. Juni 1984 es zu unter-
lassen, für die K GmbH, ,
W Straße 11, D 1, als
Angestellter, freier Mitarbeiter oder als
selbständiger Handelsvertreter tätig zu
werden;
b) dem Beklagten wird für jeden Fall der Zu-
widerhandlung gegen das Wettbewerbsverbot
ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000,-- DM
oder im Falle der Nichteintreibbarkeit eine
Zwangshaft bis zu sechs Monaten angedroht;
2. festzustellen,
daß der Beklagte verpflichtet ist, der
Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der
ihr durch die Tätigkeit des Beklagten
bei der K GmbH, ,
W Straße 11, D 1,
entsteht.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, das Wettbewerbsverbot sei unter einer Bedingung abgeschlossen und daher unverbindlich. Zudem werde er unangemessen belastet, weil er sich mit den halben Bezügen begnügen müsse. Er erhalte in diesem Wirtschaftszweig keine ähnlich dotierte Stellung, da der Arbeitsmarkt praktisch geschlossen sei. Das Verbot erstrecke sich auf das gesamte Bundesgebiet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr entsprochen. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet. Die Klägerin kann keine Rechte aus dem Wettbewerbsverbot herleiten. Dieses ist für den Beklagten unverbindlich, weil es unter der Bedingung geschlossen wurde, daß die Klägerin der nachvertraglichen Konkurrenztätigkeit des Beklagten nicht zustimmt.
1. Bedingte Wettbewerbsverbote sind mit den Grundsätzen der §§ 74 ff. HGB nicht vereinbar. Das hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung angenommen (vgl. BAG 30, 23 = AP Nr. 36 zu § 74 HGB, zu II 1 a der Gründe m.w.N.). Sie behindern den Arbeitnehmer bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz erheblich, weil sie ihn zunächst im unklaren darüber lassen, ob eine Wettbewerbsunterlassung verlangt werden wird oder nicht. Dem Arbeitgeber bleibt in einem solchen Fall überlassen, wann er sich entscheiden will. Übernimmt der Arbeitnehmer in dieser Lage eine Wettbewerbstätigkeit, so kann sich sein früherer Arbeitgeber auf das Wettbewerbsverbot berufen und sowohl Unterlassung als auch Schadenersatz verlangen. Vermeidet der Arbeitnehmer wegen der Konkurrenzklausel eine Wettbewerbstätigkeit oder kann er dem Arbeitgeber aus anderen Gründen zur Zeit geschäftlich nicht gefährlich werden, so braucht dieser nur auf die Wettbewerbsunterlassung zu verzichten, um von allen Verpflichtungen frei zu werden. Auf diese Weise läßt sich das differenzierte System der Schutzvorschriften, das in den §§ 74 ff. HGB entwickelt wurde, umgehen (vgl. BAG, aaO).
2. Auch im Zustimmungsvorbehalt des Arbeitgebers zur nachvertraglichen Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers liegt eine Bedingung, die zur Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots für den Arbeitnehmer führt.
Bereits in seiner Entscheidung vom 18. November 1967 - 3 AZR 471/66 - (BAG 20, 162 = AP Nr. 21 zu § 74 HGB, zu II 2 c der Gründe) hat der Senat in einer Vereinbarung, durch die die Konkurrenztätigkeit eines Angestellten innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses von der vorherigen Zustimmung durch den früheren Arbeitgeber abhängig gemacht worden war, ein bedingtes Wettbewerbsverbot gesehen, weil der Arbeitgeber danach allein durch die Erteilung oder Versagung seiner Zustimmung über seine Pflicht zur Entschädigungszahlung verfügen konnte. Der Senat hat ausgeführt, ein vertraglicher Ausschluß der Entschädigungspflicht, auf den sich der Arbeitgeber gemäß § 75 d HGB nicht berufen könne, liege vor, wenn dieser Zweck mit dem Zustimmungserfordernis verfolgt werde, der Arbeitgeber also trotz Einhaltung des Wettbewerbsverbots durch den Angestellten nicht zur Zahlung von Entschädigung verpflichtet sein solle. Daran ist festzuhalten.
3. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist das Wettbewerbsverbot der Parteien in diesem Sinne bedingt geschlossen worden.
a) Grundsätzlich ist dem Beklagten nach Absatz 1 Satz 1 des Wettbewerbsverbots Wettbewerb untersagt. Von diesem Verbot kann die Klägerin den Beklagten befreien, indem sie ihre Zustimmung zur Konkurrenztätigkeit des Beklagten erklärt. Die Parteien haben somit für das nachvertragliche Wettbewerbsverbot die gleiche Regelung getroffen, die nach § 60 Abs. 1 HGB für das Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses gilt. Entgegen der Auffassung der Klägerin macht dies das Wettbewerbsverbot jedoch nicht rechtlich unbedenklich. Die Interessenlage ist nach Vertragsende anders als während des Arbeitsverhältnisses. Wird die Voraussetzung der Zustimmung des Arbeitgebers in ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot aufgenommen, so bezweckt der Arbeitgeber damit im allgemeinen auch, den Arbeitnehmer zu veranlassen, rechtzeitig seine Bewerbungen bekanntzugeben, um sich darüber klar zu werden, ob er das Wettbewerbsverbot aufheben soll oder nicht. Anders kann diese Vertragsklausel nicht ausgelegt werden, denn der vertraglichen Aufhebungsmöglichkeit des Wettbewerbsverbots brauchte in der Abrede nicht Rechnung getragen zu werden, sie versteht sich von selbst. Durch eine solche Zustimmungsklausel verschafft der Arbeitgeber sich also die Möglichkeit, seine Pflicht zur Zahlung von Karenzentschädigung noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einseitig aufzuheben. Dies soll jedoch durch die Bestimmung des § 75 a HGB, von der nach § 75 d HGB nicht zum Nachteil des Handlungsgehilfen abgewichen werden kann, verhindert werden.
b) Zu Unrecht nimmt das Landesarbeitsgericht an, die in Absatz 1 Satz 1 des Wettbewerbsverbots vorgesehene Zustimmung der Klägerin könne nur auf Antrag des Beklagten erklärt werden. Der Hinweis des Landesarbeitsgerichts darauf, daß § 75 a HGB in Absatz 4 des Wettbewerbsverbots ausdrücklich erwähnt und dort auch auf die Bestimmungen der §§ 74 ff. HGB verwiesen sei, ist nicht zwingend. Auf diese Bestimmungen ist nur "im übrigen" verwiesen, also insoweit, wie keine vertraglichen Sonderregelungen bestehen. Daraus, daß § 75 a HGB in Bezug genommen worden ist, läßt sich für die Auslegung des Begriffs der Zustimmung in Absatz 1 Satz 1 des Verbots nichts herleiten. Diese ist auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses denkbar und muß nach §§ 133, 157 BGB auch so verstanden werden, daß die Klägerin als Arbeitgeberin den Beklagten einseitig von der Wettbewerbsenthaltung entbinden kann.
4. Da das Wettbewerbsverbot somit für den Beklagten unverbindlich ist, weil es unter einer Bedingung abgeschlossen wurde, kommt es auf die Unwirksamkeitsgründe, die der Beklagte außerdem noch geltend gemacht hat, nicht an.
Schaub Griebeling Dr. Peifer
Zieglwalner Halberstadt
Fundstellen
BB 1986, 1156-1157 (LT1) |
DB 1986, 1476-1477 (LT1) |
NZA 1986, 640-641 (LT1) |
RdA 1986, 267 |
AP § 74 HGB (LT1), Nr 50 |
EzA § 74 HGB, Nr 47 (LT1) |
VersR 1986, 690-691 (LT1) |