Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeit eines Verzichts auf einen tariflichen Anspruch. Verzicht auf tarifvertraglich begründeten Anspruch
Leitsatz (amtlich)
Ein einzelvertraglicher Verzicht auf einen bereits entstandenen tarifvertraglichen Anspruch ist auch dann wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG nichtig, wenn dieser erst nach einem Betriebsübergang gegenüber dem Betriebsveräußerer oder dem Betriebserwerber erklärt wird. Der Betriebsübergang ist für die Unverzichtbarkeit tariflich begründeter Ansprüche ohne Bedeutung.
Orientierungssatz
1. Ein Betriebsübergang ist für die Unverzichtbarkeit eines bereits zuvor entstandenen tarifvertraglichen Anspruchs ohne Bedeutung. Ein erst nach dem Betriebsübergang mit dem Betriebsveräußerer oder dem Betriebserwerber geschlossener Erlassvertrag ist daher wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot des § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG nichtig.
2. Ein sog. Tatsachenvergleich, auf den § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG nicht anzuwenden ist, setzt eine bestehende Unsicherheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines tariflichen Anspruchs voraus, die durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden soll.
3. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) liegt grundsätzlich nicht bereits dann vor, wenn eine Partei sich nachträglich auf die Unwirksamkeit einer von ihr abgegebenen Willenserklärung beruft oder ein unter ihrer Beteiligung zustande gekommenes Rechtsgeschäft angreift. Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände fehlt es an dem erforderlichen Vertrauenstatbestand, die Partei wolle die Willenserklärung oder das Rechtsgeschäft trotz der Unwirksamkeit gegen sich gelten lassen.
Normenkette
BGB §§ 242, 397, 613a Abs. 1 S. 2, § 614 S. 1; TVG § 4 Abs. 4 S. 1; ZPO § 551 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Buchst. b; Tarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Elisabeth-Klinik Dortmund über eine Jahressonderzahlung (vom 1. Januar 2006) §§ 2-3
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 2. Februar 2012 – 17 Sa 1299/11 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Revisionen der Parteien haben die Klägerin zu 9/10 und der Beklagte zu 1/10 zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über einen Anspruch der Klägerin auf eine Jahressonderzahlung.
Die Klägerin, Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Gewerkschaft ver.di), ist seit 1995 beim Beklagten sowie dessen Rechtsvorgängerinnen beschäftigt und in der Elisabeth-Klinik in Dortmund tätig. Bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten, der S GmbH, galt ua. der mit der Gewerkschaft ver.di geschlossene Haustarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Elisabeth-Klinik „über eine Jahressonderzahlung” (vom 1. Januar 2006, TV Jahressonderzahlung) sowie der Manteltarifvertrag vom 6. Mai 2005 (MTV Elisabeth-Klinik), der den Manteltarifvertrag vom 27. November 1997 wieder in Kraft setzte.
Über das Vermögen der S GmbH wurde Mitte des Jahres 2008 die Insolvenz eröffnet. Der Insolvenzverwalter führte die Elisabeth-Klinik fort und nahm die Arbeitsleistung der Klägerin entgegen. Zum 1. Dezember 2009 übernahm der Beklagte im Wege eines Betriebsübergangs die Elisabeth-Klinik. Er ist Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen und an die von der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geschlossenen Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, insbesondere an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD/VKA), gebunden.
Im Vorfeld des Betriebsübergangs auf den Beklagten kam es zu Verhandlungen zwischen diesem, dem Insolvenzverwalter, der Gewerkschaft ver.di und dem Betriebsrat der Elisabeth-Klinik, in denen – letztlich erfolglos – auch nach Möglichkeiten gesucht wurde, die Verpflichtungen zur Zahlung noch offener Jahressonderzahlungen für das Jahr 2009 zu reduzieren. Der Betriebsrat wandte sich mit Schreiben vom 27. November 2009 an die Belegschaft, in dem es ua. heißt:
„Kurz-Info: zukünftige Einstufung → 11/12 Jahressonderzahlung
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Herr E informierte uns darüber, dass Eure zukünftige Einstufung in Abhängigkeit zu seinen finanziellen Spielräumen steht. Mit einem Verzicht auf die Jahressonderzahlung sei es ihm möglich, auch den Gremien des LWL gegenüber, höhere Erfahrungsstufen zu rechtfertigen, …
Wir haben gegen dieses Vorgehen zwar erhebliche juristische Bedenken, sehen jedoch auch, dass sich rein rechnerisch, auch für Euch ein einmaliger Verzicht gegenüber dem LWL auf 11/12 der Jahressonderzahlung innerhalb eines Jahres durch die höhere Einstufung ausgleicht.
Wir bitten Euch um kurze, schnelle Rückmeldung zu dem ‚Tausch’ Jahressonderzahlung gegen höhere Erfahrungsstufe, …”
Unter dem Datum des 1. Dezember 2009 unterzeichnete die Klägerin gegenüber dem Insolvenzverwalter eine „Verzichtserklärung”, mit der sie „unwiderruflich … auf 11/12 (Monate Januar-November) der mir für das Jahr 2009 gemäß der tarifvertraglichen Bestimmungen zustehenden Jahressonderzahlung” verzichtete. Gegenüber dem Beklagten gab sie am nachfolgenden Tag folgende schriftliche „Verzichtserklärung” ab:
„Hiermit verzichte ich unwiderruflich gegenüber dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe auf 11/12 (Monate Januar-November) der mir für das Jahr 2009 zustehenden Jahressonderzahlung (Weihnachtsgeld), …”
Der Beklagte zahlte der Klägerin auf Grundlage der Regelungen des TVöD/VKA für den Monat Dezember 2009 eine Jahressonderzahlung iHv. 1/12.
Nach erfolgloser Geltendmachung mit Schreiben vom 29. März 2010 hat die Klägerin mit ihrer Klage auch die Zahlung von 11/12 der Jahressonderzahlung für das Jahr 2009 nach dem TV Jahressonderzahlung verlangt. Sie hat die Ansicht vertreten, die Verzichtserklärungen seien sowohl nach § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG als auch wegen Umgehung der in § 613a BGB vorgesehenen Rechtsfolgen unwirksam.
Die Klägerin hat – soweit für die Revisionsinstanz von Bedeutung – zuletzt nur noch beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie den noch ausstehenden Teil der Jahressonderzahlung von 1.181,62 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2009 zu zahlen.
Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags ausgeführt, die Klägerin könne nur die anteilige Jahressonderzahlung nach dem TVöD/VKA beanspruchen. Sie habe auf 11/12 der Jahressonderzahlung wirksam verzichtet. Eine Zustimmung der Gewerkschaft ver.di sei nicht erforderlich gewesen. Der vormalige tarifliche Anspruch sei infolge des Betriebsübergangs in einen individualrechtlichen Anspruch transformiert worden. Zudem habe die Klägerin aufgrund der vollständigen Anerkennung bisheriger Beschäftigungszeiten bei der Zuordnung zu den Stufen innerhalb der maßgebenden Entgeltgruppe des TVöD/VKA eine Kompensation erhalten. Bei diesem „kompensatorischen Verzicht” handele es sich um einen nicht von § 4 Abs. 4 TVG erfassten Tatsachenvergleich. Schließlich verhalte sich die Klägerin treuwidrig, wenn sie sich nunmehr auf die Unwirksamkeit ihrer Verzichtserklärung berufe.
Das Arbeitsgericht hat den Beklagten ua. zur Zahlung der restlichen Jahressonderzahlung verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und der Berufung der Klägerin teilweise stattgegeben. Mit den vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionen verfolgen die Parteien ihre bisherigen Prozessziele weiter. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Klägerin ihre Revision vollständig und der Beklagte seine Revision überwiegend zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass die Klägerin nach dem TV Jahressonderzahlung für das Jahr 2009 eine Jahressonderzahlung in der beantragten Höhe vom Beklagten verlangen kann. Die beiden „Verzichtserklärungen” der Klägerin entfalten nach § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG keine Rechtswirkungen. Dem Anspruch der Klägerin stehen weiterhin nicht die Grundsätze von Treu und Glauben, § 242 BGB, entgegen.
I. |
Der TV Jahressonderzahlung enthält ua. folgende Regelungen: |
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„§ 2 |
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Beschäftigte, die nach dem 1. Januar 2006 bei der Elisabeth-Klinik beschäftigt werden, erhalten mit dem Gehalt für den Monat November eines jeden Jahres eine Jahressonderzahlung in folgender Höhe: |
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… |
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– ab dem sechsten Jahr der Beschäftigung |
83 Prozent |
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bezogen auf das Monatsgehalt für den Monat September des laufenden Jahres. |
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§ 3 |
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Voraussetzung für den Anspruch auf die Jahressonderzahlung ist das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses am 1. Oktober eines laufenden Jahres, …” |
II. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 11/12 der Jahressonderzahlung nach §§ 2, 3 TV Jahressonderzahlung.
1. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin im Grundsatz die
Anspruchsvoraussetzungen erfüllt und es sich um eine durch den Insolvenzverwalter selbst begründete Masseforderung nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO handelt, weil er die Klinik bereits seit Mitte des Jahres 2008 weitergeführt hat (vgl. nur BAG 12. September 2013 – 6 AZR 953/11 – Rn. 36 mwN). Auch die Höhe einer etwaigen sich nach dem TV Jahressonderzahlung ergebenden Forderung steht nicht im Streit.
2. Auf diesen nach § 613a Abs. 2 Satz 1 BGB gegen den Beklagten bestehenden Anspruch hat die Klägerin nicht wirksam verzichtet.
a) Der Anspruch auf die Jahressonderzahlung 2009 ist am 1. Oktober 2009 in voller Höhe entstanden. Das ergibt sich aus § 3 Abs. 1 TV Jahressonderzahlung. Der Anspruch war am 1. Dezember 2009 fällig, da er „mit dem Gehalt für den Monat November” zu leisten ist. Dieses wurde mangels einer Fälligkeitsregelung im MTV Elisabeth-Klink nach § 614 Satz 1 BGB mit dem 1. Dezember 2009 fällig.
b) Der Anspruch ist nicht aufgrund der Erklärungen der Klägerin vom 1. Dezember 2009 gegenüber dem Insolvenzverwalter als einem der Gesamtschuldner iSv. § 423 BGB oder vom 2. Dezember 2009 gegenüber dem Beklagten erloschen (§ 397 Abs. 1 BGB).
aa) Ein einzelvertraglicher Verzicht auf entstandene tarifliche Ansprüche ist wegen eines Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot des § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG nichtig (vgl. nur BAG 12. Dezember 2007 – 4 AZR 998/06 – Rn. 44 mwN, BAGE 125, 179). Die Klägerin kann ihren tariflichen Anspruch trotz des Verzichts in Form von zwei Erlassverträgen nach § 397 BGB uneingeschränkt geltend machen.
bb) Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich bei den Verzichtserklärungen nicht um einen sog. Tatsachenvergleich, für den § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG nicht heranzuziehen wäre. Um einen Tatsachenvergleich handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur, wenn eine bestehende Unsicherheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden soll (ausf. BAG 5. November 1997 – 4 AZR 682/95 – zu I 2.2.1 der Gründe mwN sowie 9. Dezember 2009 – 10 AZR 850/08 – Rn. 41; 20. Januar 1998 – 9 AZR 812/96 – zu II 1 der Gründe). Bei Abschluss der Erlassverträge bestand jedoch kein Streit über die tatsächlichen Anspruchsvoraussetzungen auf die Jahressonderzahlung für das Jahr 2009. Vielmehr sollte nach dem Inhalt der Verzichtserklärungen von der Klägerin auf eine unstreitig entstandene Forderung „verzichtet” werden.
cc) Ohne Bedeutung für die Nichtigkeit des Verzichts ist es, ob ein sachlicher Grund für ihn vorgelegen hat. Die von dem Beklagten herangezogene Rechtsprechung des Fünften Senats, nach der ein „Verzicht auf rückständigen Lohn aus Anlaß eines Betriebsüberganges … grundsätzlich als wirksam angesehen [wird, wenn] … hierfür sachliche Gründe vorliegen”, enthält ausdrücklich den Vorbehalt, „soweit es sich nicht um Tariflohn handelt (§ 4 Abs. 4 TVG)” (BAG 27. April 1988 – 5 AZR 358/87 – zu III der Gründe mwN, BAGE 58, 176). Dann verbleibt es bei dem Verzichtsverbot nach § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG.
dd) Auch der Betriebsübergang zum 1. Dezember 2009 ist für die Nichtigkeit der „Verzichtserklärungen” ohne Bedeutung. Entgegen der Auffassung des Beklagten hat sich der bereits am 1. Oktober 2009 entstandene tarifliche Anspruch der Klägerin nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in einen „einzelvertraglichen, schuldrechtlichen Anspruch [gewandelt], auf den der Arbeitnehmer individualarbeitsrechtlich wirksam verzichten kann”.
(1) Die Rechtsnatur des bereits vor dem Betriebsübergang entstandenen tarifvertraglichen Anspruchs auf Zahlung einer Jahressonderzahlung, für den der Betriebserwerber nach § 613a Abs. 2 BGB haftet, hat sich nicht infolge des Betriebsübergangs geändert. Die Unverzichtbarkeit eines bereits entstandenen, tariflich begründeten Anspruchs bleibt unberührt (s. nur Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 4 Rn. 607: „Unverzichtbarkeit ist dingliche Eigenschaft der Forderung”). Der Schutz des § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG bleibt der Klägerin erhalten (ebenso Dzida/Wagner NZA 2008, 571, 573).
(2) Die Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ist vorliegend ohne Bedeutung. Der Beklagte verkennt die Reichweite der in § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB vorgesehenen Transformation kollektiv-rechtlicher Regelungen. Nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB gehen – vorbehaltlich der Regelung in § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB – die in Kollektivverträgen „durch Rechtsnormen” geregelten Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer als sog. transformierte Normen in das Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber unter Beibehaltung ihres kollektiv-rechtlichen Charakters ein (ausf. BAG 22. April 2009 – 4 AZR 100/08 – Rn. 61, 83, BAGE 130, 237). Es kommt zu einem Übergang kollektiv-rechtlicher Regelungen (s. nur ErfK/Preis 14. Aufl. § 613a BGB Rn. 112; HWK/Willemsen/Müller-Bonanni 5. Aufl. § 613a Rn. 263).
ee) Der weitere Einwand des Beklagten, es handele sich „nicht um einen ‚Verzicht’ im rechtstechnischen Sinne, sondern um ein Kompensationsgeschäft”, ist bereits im Ansatz unzutreffend. Die von der Klägerin abgegebenen Verzichtserklärungen erfolgten ohne eine rechtliche Verpflichtung des Beklagten zu einer „Kompensationsleistung”. Insbesondere haben sich die Parteien nicht verbindlich über eine Stufenzuordnung geeinigt, die zugunsten der Klägerin über die sich aus § 16 Abs. 3 TVöD/VKA ergebende Rechtslage hinausgeht. Davon geht auch der Beklagte aus, wenn er selbst vorträgt, die Klägerin habe „eine Kompensation für den Verzicht, in Form einer ohne Rechtsgrund erfolgten höheren Einstufung” erhalten.
3. Die Klage erweist sich nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens als unbegründet.
a) Es verstößt grundsätzlich nicht gegen Treu und Glauben, wenn eine Partei sich nachträglich auf die Unwirksamkeit einer von ihr abgegebenen Willenserklärung beruft (BAG 18. Juni 2008 – 7 AZR 214/07 – Rn. 32; BGH 7. April 1983 – IX ZR 24/82 – BGHZ 87, 169) oder ein unter ihrer Beteiligung zustande gekommenes Rechtsgeschäft angreift (BGH 5. Dezember 1991 – IX ZR 271/90 –). Widersprüchliches Verhalten ist erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn dadurch für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (BGH 5. Juni 1997 – X ZR 73/95 – zu II 4 b der Gründe mwN).
b) Im Entscheidungsfall fehlt es bereits an einem von der Klägerin geschaffenen Vertrauenstatbestand.
Allein durch die Abgabe von „Verzichtserklärungen”, die gegen die zwingende gesetzliche Regelung des § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG verstoßen (oben II 2 b aa), kann für den anderen Teil grundsätzlich noch kein Vertrauenstatbestand entstehen, der Arbeitnehmer werde später die Unwirksamkeit seiner Erklärungen nicht mehr geltend machen. Es ist vorliegend auch weder ersichtlich noch legt der Beklagte dar, die Klägerin habe ihm gegenüber erkennen lassen, sie wolle den Verzicht trotz seiner Rechtsunwirksamkeit gegen sich gelten lassen. Aus der widerspruchslosen Entgegennahme einer Vergütung mit der von dem Beklagten vorgenommenen Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 3 TVöD/VKA in der Zeit vom 1. Dezember 2009 bis zur schriftlichen Geltendmachung am 29. März 2010 allein erwächst kein Vertrauenstatbestand für den Beklagten (vgl. BAG 22. Februar 2012 – 4 AZR 580/10 – Rn. 48).
4. Die Verfahrensrügen des Beklagten sind unzulässig. Die Revisionsbegründung entspricht nicht den gesetzlichen Voraussetzungen nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO.
a) Die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe seine richterliche Hinweispflicht verletzt, da es ihn nicht auf den unsubstantiierten Vortrag hingewiesen habe, entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen. Er hat schon nicht dargelegt, was er auf einen entsprechenden Hinweis des Landesarbeitsgerichts über den bisherigen Vortrag hinaus vorgetragen und wie sich dieser auf die Berufungsentscheidung ausgewirkt hätte (zu den Voraussetzungen einer solchen Revisionsrüge etwa BAG 14. November 2007 – 4 AZR 861/06 – Rn. 22; 23. März 2011 – 4 AZR 268/09 – Rn. 71).
b) Soweit der Beklagte eine unterlassene Beweisaufnahme rügt (zu den Anforderungen BAG 12. Dezember 2012 – 4 AZR 171/11 – Rn. 33 mwN), kann der Revisionsbegründung bereits nicht entnommen werden, zu welchem Beweisthema eine Zeugeneinvernahme hätte erfolgen sollen, welches Ergebnis diese voraussichtlich gehabt hätte und weshalb das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensfehler beruhen kann.
5. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Rechtsauffassung der Klägerin zutreffend ist, die nach dem Betriebsübergang abgegebenen Verzichtserklärungen seien als Umgehung der in § 613a Abs. 1 BGB geregelten Rechtsfolgen nach § 134 BGB unwirksam.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 565 iVm. § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO.
Unterschriften
Eylert, Creutzfeldt, Treber, Drechsler, Lippok
Fundstellen
BAGE 2015, 199 |
BB 2014, 1204 |
BB 2014, 2238 |
EBE/BAG 2014 |
EWiR 2014, 495 |
FA 2014, 221 |
NZA 2014, 613 |
ZIP 2014, 988 |
ZTR 2014, 468 |
AP 2015 |
EzA-SD 2014, 14 |
EzA 2014 |
MDR 2014, 787 |
ZInsO 2014, 1112 |
AUR 2014, 249 |
ArbRB 2014, 165 |
ArbR 2014, 291 |
RdW 2014, 565 |
AP-Newsletter 2014, 140 |
AP-Newsletter 2014, 187 |
SPA 2014, 130 |