Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausbildungsverhältnis - Kündigung im Konkurs
Leitsatz (redaktionell)
Das Ausbildungsverhältnis kann im Konkurs des Arbeitgebers für den Regelfall nicht außerordentlich, sondern nur unter Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist vom Konkursverwalter aufgekündigt werden (§ 22 Abs 1 Satz 2 KO).
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger (geboren am 20. März 1970) stand zuletzt bei der Gemeinschuldnerin im Vertragsverhältnis als Auszubildender zum Beruf des Kommunikationselektronikers/Informationstechnikers, und zwar aufgrund eines Berufungsausbildungsvertrages vom 18. Mai 1988. Er erhielt zuletzt eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 822,-- DM; das im August 1988 begründete Ausbildungsverhältnis, das nach dem übereinstimmenden Parteivortrag zum Angestelltenberuf führt, sollte am 31. Januar 1992 enden. Am 1. Februar 1991 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin der Konkurs eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt. Dieser kündigte mit Schreiben vom 5. Februar 1991 das Ausbildungsverhältnis aus wichtigem Grund fristlos nach § 22 KO mit der Begründung, der Geschäftsbetrieb sei vollständig eingestellt und ein Ausbildungsplatz bzw. geeigneter Ausbilder stünden nicht mehr zur Verfügung. Letztere Umstände sind unter den Parteien unstreitig; umstritten ist lediglich, ob der Konkursverwalter zur außerordentlichen oder nur zur ordentlichen Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt ist.
Der Kläger bestreitet zwar nicht das Recht des Beklagten zur Kündigung aufgrund des Konkurses, vertritt jedoch die Auffassung, das Arbeitsverhältnis bestehe aufgrund der Kündigung bis zum 31. März 1991 fort. Er meint, Auszubildende genössen einen besonderen Kündigungsschutz; wie bei sogenannten unkündbaren Arbeitnehmern, bei denen die ordentliche Kündigung ausgeschlossen sei, könne im Falle der Betriebsschließung allenfalls eine außerordentliche Kündigung unter Einhaltung einer Auslauffrist oder ordentlichen Kündigungsfrist in Betracht kommen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Ausbildungsverhältnis
durch die vom Konkursverwalter mit Schreiben vom
5. Februar 1991 ausgesprochene Kündigung nicht
vor dem 31. März 1991 beendet worden ist.
Der Beklagte hat sich mit seinem Klageabweisungsantrag auf § 22 Abs. 1 Satz 2 KO berufen, der auf die gesetzliche Kündigungsfrist verweise; da es eine solche im Ausbildungsverhältnis nach Ablauf der Probezeit nicht gebe, könne ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. Auch unter dem Aspekt des besonderen sozialen Schutzbedürfnisses bestehe kein Anlaß, von der gesetzlichen Regelung abzuweichen: Der Auszubildende erhalte Arbeitslosenunterstützung und die Hilfe der nach dem Berufsbildungsgesetz zuständigen Stellen bei dem Bemühen, eine neue Arbeitsstelle zu finden. Im Konkursfall scheide im übrigen die Möglichkeit einer weiteren Ausbildung entsprechend § 6 BBiG aus, so daß die Einhaltung einer Kündigungsfrist ihn zu einer ihm nicht möglichen Leistung verpflichte.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben nach dem Klageantrag erkannt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht entschieden, der Beklagte habe das Ausbildungsverhältnis des Klägers nur unter Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist aufkündigen können.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: § 22 Abs. 1 Satz 1 KO gewähre wegen des Konkurses kein besonderes Kündigungsrecht, sondern lasse die Rechte der Arbeitnehmer durch die Konkurseröffnung unberührt; es sei lediglich die "gesetzliche Kündigungsfrist" zu wahren. Die Bestimmung gewähre dem Arbeitnehmer einen Schutz davor, im Insolvenzfall von heute auf morgen aus dem Arbeitsverhältnis entlassen werden zu können. Die Regelung stimme insofern mit dem Grundsatz überein, daß der Arbeitgeber generell keine Gründe, die in den Bereich seines Unternehmerrisikos fielen, zum Anlaß für eine außerordentliche Kündigung nehmen dürfe. Das gelte auch im Ausbildungsverhältnis, in dem der erhöhte Schutz des Auszubildenden im Konkursfall in sein Gegenteil verkehrt würde, wenn ihm als schwächstem in der Reihe der Arbeitnehmer ohne Kündigungsfrist gekündigt werden könne. Wesen und Zweck des Ausbildungsverhältnisses (§§ 3 Abs. 2, 6 Abs. 1 und § 15 BBiG) stünden der Beachtung einer Kündigungsfrist im Konkursfalle nicht entgegen.
II. Diese Entscheidung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Revision rügt lediglich eine Verletzung des § 22 KO: Dort werde auf die gesetzliche Kündigungsfrist verwiesen; da es eine solche im Ausbildungsverhältnis nicht gebe, könne das Ausbildungsverhältnis aus außerordentlichem Grund ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. Dem kann nicht zugestimmt werden.
1. Auszugehen ist zunächst vom Wortlaut des § 22 Abs. 1 KO, wonach ein u.a. im Erwerbsgeschäft des Gemeinschuldners angetretenes Dienstverhältnis von jedem Teile gekündigt werden kann und wonach die Kündigungsfrist, falls nicht (einzelvertraglich) eine kürzere Frist bedungen war, die gesetzliche ist.
Damit wird bestimmt, daß ungeachtet einer eventuell längeren vertraglichen Bindung eine jederzeitige ordentliche Kündigungsmöglichkeit eröffnet wird (BAG Urteil vom 19. Oktober 1977 - 5 AZR 359/76 - AP Nr. 3 zu § 22 KO). Bereits der Wortlaut spricht insofern für die vom Landesarbeitsgericht gewählte Lösung, nämlich daß das an sich bis 31. Januar 1992 fest befristete Ausbildungsverhältnis, das nach § 3 Abs. 2 BBiG wie ein Arbeitsverhältnis zu behandeln ist, trotz dieser Befristung mit der gesetzlichen ordentlichen Frist, also gerade nicht außerordentlich ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden kann. Der Sondervorschrift des § 22 KO ist als Ausgleich für die Aufgabe der individualvertraglichen Absprachen, z.B. einer Befristung oder einer längeren Kündigungsfrist, im Interesse der Konkursgläubiger allgemein der Verweis auf die gesetzliche Kündigungsfrist zu entnehmen. Das gilt im übrigen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Senatsurteil vom 7. Juni 1984 - 2 AZR 602/82 - BAGE 46, 206 = AP Nr. 5, aaO) auch für die tarifvertragliche Kündigungsfrist angesehen.
a) Im Hinblick auf diese Fristenregelung in § 22 Abs. 1 Satz 2 KO wird die Auffassung vertreten, für das Ausbildungsverhältnis, in dem wegen § 15 Abs. 2 BBiG eine ordentliche Kündigung ausscheidet, gelte grundsätzlich die sogenannte Unkündbarkeit (Grunsky, Das Arbeitsverhältnis im Konkurs- und Vergleichsverfahren, 2. Aufl., S. 42 ff.; derselbe in EWiR § 22 KO 2/85, S. 501); allenfalls bei Wegfall der Ausbildungsmöglichkeit aufgrund Betriebsstillegung sei in entsprechender Anwendung von § 15 Abs. 4 und 5 KSchG eine ordentliche Kündigung möglich.
b) Aus dem Dilemma, daß einerseits § 22 Abs. 1 Satz 2 KO auf die gesetzliche Kündigungsfrist verweist, im Ausbildungsverhältnis aber im Interesse der Ausbildung und zum Schutz des Auszubildenden eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist - vom Ausnahmefall der Kündigung durch den Auszubildenden bei Berufsaufgabe abgesehen (§ 15 Abs. 2 Nr. 2 BBiG) -, führt jedenfalls im Falle einer Betriebsstillegung und der damit verbundenen Unmöglichkeit, die Ausbildung fortzusetzen, bei Wahrung des Wortlauts von § 22 Abs. 1 Satz 2 KO nur die Erkenntnis heraus, daß ersatzweise für das Ausbildungsverhältnis eine Kündigungsfrist, und zwar in analoger Anwendung zu § 622 BGB, gilt (vgl. Gerhardt, Grundbegriffe des Vollstreckungs- und Insolvenzrechts, 1985, Rz 355; Granzow, Die Behandlung von Dienst- und Arbeitsverträgen im Konkurs, Dissertation, 1979, S. 117 ff.; Hegmanns, BB 1978, 1365; derselbe EWiR § 22 KO 1/86, S. 89; Heilmann, Grundzüge des Insolvenzrechts, 1983, Rz A 212; Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 22 Rz 36; Kilger, KO, 15. Aufl., § 22 Anm. 7; Knopp/Kraegeloh, BBiG, 3. Aufl., § 14 Rz 5; Hess/Kropshofer, KO, 3. Aufl., § 22 Rz 5; Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Aufl., § 22 Rz 8; KR-Weigand, 3. Aufl., § 22 KO Rz 10 und §§ 14, 15 BBiG Rz 69; Wichmann, Der Arbeitnehmer, Lehrling und Pensionär im Konkurs- und Vergleichsverfahren des Arbeitgebers, 1965, S. 218). Die gegenteilige Auffassung geht - ohne zu differenzieren, ob zunächst die Möglichkeit der Fortsetzung der Ausbildung besteht oder nicht - allein von der Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung aus (RAGE 9, 32 f.; RAG ARS 26, 146; Böhle-Stamschräder/Kilger, KO, 14. Aufl., § 22 Anm. 7; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Bd. I, § 73 II 2 b bb, m.w.N. zur älteren Literatur; Natzel, Berufsbildungsrecht, 3. Aufl., S. 272; Staudinger/Neumann, BGB, 12. Aufl., § 626 Rz 100).
c) In der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bisher entschieden (Urteil vom 25. Oktober 1968 - 2 AZR 23/68 - AP Nr. 1 zu § 22 KO, mit zust. Anm. von Böhle-Stamschräder), daß die Konkursordnung als solche das Arbeitsverhältnis nicht kraft Gesetzes beendet und darüberhinaus die Konkurseröffnung nicht einmal einen wichtigen Grund für eine fristlose Entlassung bildet. Danach scheidet vorliegend die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 BGB wegen der Konkurseröffnung von vornherein aus. Der Beklagte hat sich auf ein solches Kündigungsrecht auch nicht berufen, sondern hat bereits im Kündigungsschreiben wie auch in den Vorinstanzen auf die nach seiner Meinung entfristete Kündigungsmöglichkeit nach § 22 KO verwiesen. In der genannten Entscheidung hat der Senat bereits darauf hingewiesen, wenn die Konkurseröffnung nach § 22 KO zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ausdrücklich nur mit der gesetzlichen Frist berechtige, dann könne sie nicht gleichzeitig noch als Grund zur fristlosen Kündigung dienen; nach Konkurseröffnung könne ein Arbeitsverhältnis nur dann fristlos gekündigt werden, wenn daneben ein anderer Grund vorliege, der wichtig genug sei, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen (§ 626 BGB), wie z.B. eine Untreue des Arbeitnehmers.
2. Tatsächlich entspricht es auch nicht dem Sinn und Zweck des § 22 Abs. 1 KO, dem Konkursverwalter aufgrund des Konkurses ein außerordentliches Kündigungsrecht im Ausbildungsverhältnis zuzubilligen.
a) Der Senat hat im Urteil vom 7. Juni 1984 (BAGE 46, 206, 214 = AP, aaO, zu B II 4 der Gründe) ausgeführt, § 22 Abs. 1 Satz 2 KO solle im Interesse der Konkursmasse eine allzulange Bindung an inzwischen nicht mehr sinnvolle Arbeitsverhältnisse verhindern. Das kann aber nun nicht dazu führen, überhaupt keine Bindung mehr zu verlangen, was auch ein Blick auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift zeigt, wie insbesondere Hegmanns (BB 1978, 1365, 1366 f.) im Anschluß an RAGE 9, 32, 38, 39 belegt hat.
§ 22 KO beruht nämlich in seiner heutigen Fassung auf der KO-Novelle vom 17. Mai 1898; sein Vorläufer, der § 19 KO a.F., bestimmte für den Fall, daß eine gesetzliche, vertragliche oder ortsübliche Kündigungsfrist für das Dienstverhältnis nicht gegeben sei, daß das Konkursgericht eine Kündigungsfrist festsetzen könne. Bis zu dieser Novelle wäre es also möglich gewesen, die im Ausbildungsverhältnis fehlende Kündigungsfrist vom Konkursgericht bestimmen zu lassen. Ziel der Novelle von 1898 war die Anpassung der Konkursordnung an das Bürgerliche Gesetzbuch. Die Streichung der Möglichkeit, die Kündigungsfrist gerichtlich bestimmen zu lassen, erklärt sich daraus, daß der Gesetzgeber damals davon ausging, die von § 22 KO betroffenen Dienst- und Arbeitsverhältnisse seien nach Inkrafttreten des BGB ausnahmslos mit Kündigungsfristen versehen (Begründung zur Änderung des § 19 KO, RT-Drucksache Nr. 100, RT-Verhandlungen, 9. Legislaturperiode, in Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Band 7, 1898, S. 238). Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber wollte auch im Konkurs an der befristeten Kündigung der Arbeitsverhältnisse festhalten. Dieser Wille war ursprünglich so stark, daß er ihn für den Fall, daß keine Frist bestimmt war, durch das richterliche Festsetzungsrecht sicherte. Auf diese Sicherung glaubte man erst dann verzichten zu können, als man meinte, der Wille sei auch ohne diese Sicherung gewährleistet, d.h. die Befristung der Kündigung im Konkurs gelte für alle Arbeitsverhältnisse, zu denen seinerzeit allerdings das Ausbildungsverhältnis nicht gezählt wurde. Die befristete Kündigung ist deshalb auch auf ein Arbeitsverhältnis anzuwenden, das der Gesetzgeber wie das Ausbildungsverhältnis zunächst noch nicht als solches angesehen hat.
b) Sinn des § 22 KO - vgl. dazu bereits oben zu II 2 a - ist es, ebenso wie der des früheren § 19 KO, der Besonderheit eines Dauerschuldverhältnisses gerecht zu werden. Dies geschieht nicht durch eine Wahlmöglichkeit, wie es die Grundregel des § 17 KO für andere Verträge vorsieht. Damit wäre keiner der Arbeitsvertragsparteien gedient, so daß ein Fortbestehen des Vertrages - im Falle der Betriebsstillegung durch den Konkursverwalter - mit beiderseitiger Kündbarkeit allein interessengerecht ist. Demnach bestimmt § 22 KO im beiderseitigen Interesse, bei der Kündigung im Konkurs müsse eine Frist eingehalten werden. Diese braucht der Arbeitnehmer, um sich nach einem neuen Arbeitsplatz umzusehen, wie umgekehrt auch der Gemeinschuldner/Konkursverwalter die Kündigungsfrist nutzen kann, um den Betrieb abzuwickeln. Ob im Falle der Weiterführung des Betriebes unter Fortbestehen einer Ausbildungsmöglichkeit die Interessenlage ebenfalls eine Aufkündigungsmöglichkeit erfordert (siehe dazu insbesondere Grunsky, oben zu II 1 a), ist hier nicht zu entscheiden. Dieses Interesse ist jedenfalls bei einer Betriebsstillegung bei einem "normalen" Arbeitnehmer und einem Auszubildenden nicht unterschiedlich. Die Einhaltung einer Frist schützt daher den Arbeitnehmer; von hier aus gesehen ist nicht einzusehen, daß der Auszubildende geringeren Schutz verdient als jeder andere Arbeitnehmer auch.
c) Das Landesarbeitsgericht hat schließlich zutreffend darauf hingewiesen, auch Wesen und Zweck des Ausbildungsverhältnisses stünden der Beachtung einer Kündigungsfrist im Konkursfalle nicht entgegen. Die Kündigungsregelung in § 15 BBiG ist nicht mit Blick auf den Konkursfall geschaffen worden; vielmehr geht sie im Grundsatz davon aus, die beiderseitigen Hauptpflichten aus dem Ausbildungsverhältnis könnten fortlaufend erbracht werden. Dies ist auch dann noch möglich, wenn im Konkurs allen Arbeitnehmern, sowohl dem Ausbilder wie dem Auszubildenden mit der ordentlichen Kündigungsfrist gekündigt wird. Für den Fall der Freistellung von der Arbeit mangels Arbeitsmöglichkeit käme ohnehin für den Regelfall ein Beschäftigungsanspruch nicht in Frage. Zwar hat der Arbeitgeber als Ausbildender nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BBiG die Ausbildung durchzuführen, was aber grundsätzlich der Beachtung einer Kündigungsfrist nicht entgegensteht. Die dabei entstehende Interessenkollision wird durch das Annahmeverzugsrecht (§§ 615, 293 f. BGB) geregelt.
d) Der Lösung des Reichsarbeitsgerichts (grundlegend RAGE 9, 32 f.; RAG ARS 26, 146), das ein außerordentliches Kündigungsrecht des Konkursverwalters bejaht, kann nicht gefolgt werden. Seine Begründung (RAGE 9, 32, 39) spricht eher für die gegenteilige Lösung, nämlich die Anwendung einer für alle Arbeitnehmer geltenden gesetzlichen Kündigungsfrist. Zutreffend weist nämlich das Reichsarbeitsgericht zunächst darauf hin, § 22 Abs. 1 Satz 2 KO betreffe nur die Frage, zu welchem Zeitpunkt das Dienstverhältnis, nicht aber, ob es überhaupt gelöst werden könne; dies erhelle insbesondere, wenn man die auf bestimmte Zeit eingegangenen Dienstverhältnisse ins Auge fasse; auch bei ihnen - nicht nur bei den auf Kündigung gestellten - greife der Gesetzgeber ein und ordne die Lösungsmöglichkeit mit der für fast alle Dienstverhältnisse bestimmten gesetzlichen Kündigungsfrist an. Lediglich der Lehrlingsvertrag enthalte insoweit eine Besonderheit, als er ein Dauerverhältnis auf bestimmte Zeit darstelle, bei welchem eine vorzeitige gesetzliche Lösungsmöglichkeit nur in beschränktem Umfang und nicht aus jedem wichtigen Grunde gegeben sei (§ 127 b RGewO). Das Reichsarbeitsgericht weist weiter auf die bereits oben zu II 2 a erörterte Entstehungsgeschichte des § 22 Abs. 1 KO hin, wonach der Wegfall der ortsüblichen und richterlichen Frist auf die offenbare Meinung der Gesetzgebungskommission zurückzuführen sei, daß für alle Fälle gesetzliche Kündigungsfristen bestünden. Demnach kommt das Reichsarbeitsgericht zu dem Schluß, den Lehrvertrag ohne Rücksicht auf seine Lösungsmöglichkeit grundsätzlich der Bestimmung des § 22 KO zu unterstellen; es meint jedoch dann die verbleibende Lücke infolge Fehlens einer gesetzlichen Kündigungsfrist für das Lehrverhältnis dadurch ausfüllen zu können, daß "entsprechend § 70 HGB und § 127 RGewO die fristlose Lösung einzutreten hat" und führt dazu aus, eine Schlechterstellung des Lehrlings liege nicht vor; durch die Anwendung des § 22 KO werde wenigstens die Möglichkeit geschaffen, für den Fall der Weiterführung des Betriebes das Lehrverhältnis aufrechtzuerhalten; der Lehrling erhalte in diesem Falle die Zeit, sich nach einem anderen Lehrverhältnis umzusehen; deshalb könne von einer Umkehrung des Gesetzeszweckes in sein Gegenteil und einer angeblichen Schlechterstellung gegenüber den anderen gewerblichen Arbeitern nicht die Rede sein. Dadurch, daß der Lehrling seine Vergütung aus der Masse erhalte (§ 59 Ziff. 2 KO), ohne Arbeit zu leisten, werde er zum Untätigsein verleitet und der Ansporn, alsbald eine andere Lehrstelle zu suchen, falle fort (RAGE 9, 32, 37).
Hier setzt zu Recht die Kritik der Gegenmeinung ein, die u.a. darauf hinweist, zur Zeit der "alten Konkursordnung" habe eine patriarchalische Betrachtungsweise vorgeherrscht, die das Ausbildungsverhältnis nicht als Dienst- und Arbeitsverhältnis angesehen habe und demnach führe der besondere Schutz, den der Auszubildende dadurch genießen solle, daß sein Ausbildungsverhältnis nur aus wichtigem Grund gekündigt werden könne, nicht dazu, daß er im Falle des Konkurses schlechter stehe als ein ordentlich kündbarer Arbeitnehmer; da für den Konkursverwalter der Zeitpunkt vorhersehbar sei, in dem der Betrieb stillgelegt werde und damit eine Ausbildungsmöglichkeit endgültig entfalle, sei ihm zuzumuten, eine ordentliche Kündigungsfrist, nämlich die des § 622 BGB einzuhalten (so u.a. Jaeger/Henckel, aaO, § 22 Rz 36; Hegmanns, BB 1978, 1365, 1366; KR-Weigand, aaO, § 22 KO Rz 10 und §§ 14, 15 BBiG Rz 69). Dem schließt sich der Senat an. Das LAG hat im übrigen zutreffend darauf hingewiesen, der Arbeitgeber könne - dies gilt jedenfalls für den Regelfall - keine Gründe, die in den Bereich seines Unternehmerrisikos fielen, zum Anlaß für eine außerordentliche Kündigung nehmen.
e) Deshalb ist, in entsprechender Anwendung des § 622 BGB die Kündigungsfrist einzuhalten, die für das Arbeitsverhältnis gelten würde, wenn die Ausbildung zu dem erstrebten Beruf geführt hätte. Unter den Parteien ist hier unstreitig, daß das im August 1988 begründete Ausbildungsverhältnis zum Angestelltenberuf führt. Bei dieser Sachlage hat das Landesarbeitsgericht zu Recht entschieden, der Beklagte habe eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartal (§ 622 Abs. 1 BGB) einzuhalten. Diese Rechtsanalogie erscheint vertretbar, weil angesichts des rechtsähnlichen Tatbestandes (vgl. oben zu II 2 a und b) Wortlaut und Sinn des § 22 Abs. 1 Satz 2 KO Rechnung getragen wird und nur für den Ausnahmefall des Konkurses verbunden mit einer Betriebsstillegung auf die allgemeinen gesetzlichen Kündigungsfristen zurückgegriffen wird. Demgegenüber erscheint die Anwendung der für einen Spezialfall geschaffenen Kündigungsfrist des § 15 Abs. 2 Nr. 2 BBiG von 4 Wochen (so Germann, Grenzen und Möglichkeiten des Sozialschutzes der Arbeitnehmer im Konkurs, Diss., 1976, S. 56, 61 ff.) nicht vertretbar, weil dort auf die besondere Situation abgestellt wird, daß der Auszubildende die Berufsausbildung aufgeben oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will. Dabei handelt es sich nicht um eine beiderseits geltende Kündigungsfrist, so daß es systemgerechter erscheint - auch wenn die Ausbildung noch nicht vollendet ist, was allerdings eine Folge des Konkurses ist -, § 622 BGB anzuwenden. Damit wird eine sachgerechte, möglichst schonende Einpassung in die Arbeitsrechtsordnung erreicht.
Hillebrecht Bitter Bröhl
Dr. Bartz Dr. Wolter
Fundstellen
BAGE 73, 201-209 (LT1) |
BAGE, 201 |
DB 1993, 2082-2083 (LT1) |
NJW 1994, 404 |
NJW 1994, 404-406 (LT1) |
BetrR 1993, 150-152 (LT1) |
EzB KO § 22, Nr 1 (LT1) |
ARST 1993, 177-180 (LT1) |
EWiR 1993, 909 (S1-2) |
JR 1993, 528 |
JR 1993, 528 (S) |
KTS 1993, 679-683 (LT1) |
NZA 1993, 845 |
NZA 1993, 845-848 (LT1) |
ZAP, EN-Nr 915/93 (S) |
ZIP 1993, 1316 |
ZIP 1993, 1316-1319 (LT1) |
AP § 22 KO (LT1), Nr 9 |
AR-Blattei, ES 400 Nr 78 (LT1) |
EzA § 22 KO, Nr 5 (LT1) |
GdS-Zeitung 1994, Nr 8, 14 (KT) |
MDR 1993, 1088-1089 (LT1) |