Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung bei Betriebsstillegung
Leitsatz (redaktionell)
Ist die ordentliche Kündigung durch Tarifvertrag ausgeschlossen, so ist eine Betriebsstillegung geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Es ist die gesetzliche oder tarifvertragliche Kündigungsfrist einzuhalten, die gelten würde, wenn die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen wäre.
Orientierungssatz
Auslegung des § 4.4 des Manteltarifvertrages für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie in Südwürttemberg-Hohenzollern vom 20.5.1980.
Normenkette
TVG § 1; BGB §§ 242, 626 Abs. 1-2; AFG § 117 Abs. 2 Sätze 3, 1, Abs. 3 S. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 07.12.1983; Aktenzeichen 2 Sa 113/83) |
ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 26.03.1983; Aktenzeichen 2 Ca 251/82) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob und wann eine von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis des Klägers beendet hat.
Die Beklagte hat ihre Fertigungsstätte B zum 31. Dezember 1982 stillgelegt. Aus diesem Grunde hatte sie gegenüber dem dort seit 26. Juni 1939 beschäftigten und zum Zeitpunkt der Kündigung 59-jährigen Kläger mit Schreiben vom 25. März 1982 eine außerordentliche Änderungskündigung zum 30. September 1982 - später verlängert zum 31. Dezember 1982 - ausgesprochen. Betriebsrat und Beklagte haben am 29. Dezember 1982 einen Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen, der für diejenigen Arbeitnehmer, denen im Zusammenhang mit der Stillegung der Fertigungsstätte B betriebsbedingt gekündigt wurde, die Zahlung einer Sozialabfindung vorsieht.
Der Kläger genießt nach § 4.4 des Manteltarifvertrages für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie in Südwürttemberg-Hohenzollern vom 20. Mai 1980 kraft Tarifbindung Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer. Ein Angebot der Beklagten, ihn zu geänderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen, hat der Kläger abgelehnt.
Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung. Er hat vorgetragen, nach § 117 Abs. 2 AFG ruhe der Anspruch eines kraft Tarifvertrages altersgesicherten Arbeitnehmers auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 18 Monaten. Kündige ein Arbeitgeber - wie vorliegend die Beklagte - nicht mit einer entsprechend langen Kündigungsfrist, werde ein Teil der Abfindung, die der Arbeitnehmer aufgrund des Sozialplanes erhält, auf das Arbeitslosengeld angerechnet. Um dies zu vermeiden und den von den Tarifvertragsparteien gewollten Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer nicht in sein Gegenteil zu verkehren, könne eine aus Anlaß einer Betriebsstillegung ausgesprochene außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nur unter Einhaltung einer 18-monatigen Auslauffrist oder gar nicht beenden.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis
durch die Kündigung vom 25. März 1982
nicht zum 30. September 1982 aufgelöst
ist, sondern bis zum 30. September 1983
fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat zur Begründung geltend gemacht, sie habe, um den Kläger als altersgesicherten Arbeitnehmer nicht schlechter zu stellen als ordentlich kündbare Arbeitnehmer, dem Kläger zwar außerordentlich, aber mit einer Auslauffrist, die der längsten ordentlichen Kündigungsfrist entspreche, gekündigt. Aus den Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes könne dagegen nicht auf die Länge einer eventuell einzuhaltenden Auslauffrist geschlossen werden. Die außerordentliche Kündigung sei erforderlich gewesen, weil sie den Betrieb B habe stillegen müssen, um auf diese Weise wenigstens die Erhaltung der Fertigungsstätten E und K zu erreichen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglich gestellten Antrag weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen. Dieses hat angenommen, das Arbeitsverhältnis sei durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 25. März 1982 mit Ablauf der verlängerten Auslauffrist am 31. Dezember 1982 beendet worden. Nach dem auf die Parteien kraft Tarifbindung geltenden Manteltarifvertrag könne einem Arbeitnehmer, der das 53., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet hat und dem Betrieb mindestens drei Jahre angehört, nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Dementsprechend könne dem Kläger nur gekündigt werden, wenn die Voraussetzungen des § 626 BGB vorliegen. Die außerordentliche Kündigung wegen einer Betriebsstillegung sei weder generell zulässig noch ausgeschlossen. Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 8. Oktober 1957 - 3 AZR 136/55 - BAG 5, 20 = AP Nr. 16 zu § 626 BGB) habe bei einem Sachverhalt, der dem vorliegenden sehr ähnlich sei, die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung bejaht. Auch im vorliegenden Fall sei die Kündigung wirksam gewesen, weil die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angesichts der verständlichen Weigerung des Klägers, im 100 km entfernten Hauptwerk der Beklagten weiterzuarbeiten, zur Lohnfortzahlung bis zum Jahre 1988 ohne Gegenleistung geführt hätte. Dies hätte für die Beklagte zu einer erheblichen Belastung geführt, weil der Kläger nicht der einzige altersgesicherte Arbeitnehmer in B gewesen sei.
Der Auffassung des Klägers, aus § 117 Abs. 2 Satz 3 AFG ergebe sich zumindest eine einzuhaltende Kündigungsfrist von 18 Monaten, weil andernfalls seine Abfindung aus dem Sozialplan auf das Arbeitslosengeld angerechnet werde, könne nicht gefolgt werden. Die Länge der Kündigungsfristen richte sich nämlich nicht nach dem Arbeitsförderungsgesetz, das die Folgen der durch die Kündigung ausgelösten Arbeitslosigkeit regele, sondern nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag. Bei zutreffender Auslegung des § 117 Abs. 2 und Abs. 3 AFG würden vorliegend auch nicht die nachteiligen Folgen des § 117 Abs. 2 Satz 3 AFG eintreten. Daher müsse bei Abwägung der beiderseitigen Interessen die außerordentliche Kündigung mit einer Auslauffrist von neun Monaten als rechtens angesehen werden.
B. Den Ausführungen des Arbeitsgerichts, die sich das Berufungsgericht zu eigen gemacht hat, ist im Ergebnis, wenn auch nicht in allen Teilen der Begründung, zu folgen.
I. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Rüge der Revision, Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht hätten § 626 BGB unrichtig angewendet, nicht etwa schon deshalb erfolglos, weil sie gegen Treu und Glauben (venire contra factum proprium) verstoßen würde.
Die Parteivertreter haben zwar nach dem Protokoll der Verhandlung vom 17. Mai 1983 vor dem Arbeitsgericht übereinstimmend erklärt, es gehe im vorliegenden Verfahren nur noch um die Frage, w a n n die fristlose Kündigung vom 25. März 1982 wirksam geworden sei. Wie sich aus der Niederschrift weiter ergibt, war ausschlaggebend für diese Erklärung die Vorstellung, anderenfalls würde der Kläger gegen die Vorschriften des Sozialplans verstoßen und deshalb seiner Abfindung bei Fortführung des Rechtsstreits in vollem Umfang verlustig gehen. Tatsächlich war nach § 3 des Sozialplans Voraussetzung für die Fälligkeit der Abfindung, daß die Arbeitnehmer ihre beim Arbeitsgericht anhängigen Kündigungsschutzklagen zurücknahmen. Nachdem inzwischen der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 20. Dezember 1983 (- 1 AZR 442/82 - EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 29) klargestellt hat, daß derartige Klauseln unwirksam sind, kann bei den vorliegenden Umständen ein arglistiges Verhalten des Klägers nicht angenommen werden. Im Zweifel ist auch davon auszugehen, daß der Kläger mit seinem Antrag zwar den Streitgegenstand zeitlich begrenzen, nicht aber auf die Überprüfung des wichtigen Grundes hat verzichten wollen. Anderenfalls wäre es nicht verständlich, daß Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht geprüft haben, ob der von der Beklagten vorgetragene Sachverhalt geeignet war, eine a u ß e r - o r d e n t l i c h e Kündigung zu rechtfertigen.
II. Die Revision rügt aber zu Unrecht, das Arbeitsgericht habe die Prüfung unterlassen, ob die Beklagte überhaupt die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten habe.
Der Kündigende hat zwar im Rahmen des § 626 Abs. 2 BGB darzulegen und zu beweisen, er habe von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erst innerhalb der letzten zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung erfahren (Senatsurteil vom 17. August 1972 - 2 AZR 359/71 - BAG 24, 383 = AP Nr. 4 zu § 626 BGB Ausschlußfrist = EzA § 626 BGB n.F. Nr. 16).
1. Der Kündigende hat aber erst dann Anlaß, zur Ausschlußfrist Stellung zu nehmen, wenn es zweifelhaft erscheint, daß die Ausschlußfrist gewahrt ist oder der Gekündigte geltend macht, die Kündigungsgründe seien verfristet (vgl. KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 626 BGB Rz 282). Vorliegend hat der Kläger in der Klageschrift das Bestehen der Kündigungsgründe mit Nichtwissen bestritten. Daraus hat entgegen der Auffassung der Revision die Beklagte nicht entnehmen müssen, der Kläger bestreite auch, der behauptete Kündigungsgrund sei verfristet. Auch im weiteren Verlauf des Rechtsstreits hat der Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht einmal andeutungsweise die Einhaltung der Ausschlußfrist bestritten. Weder für die Beklagte noch für das Gericht hat es deshalb einen Anlaß gegeben, zur Frage der Verfristung Stellung zu nehmen.
2. Abgesehen davon ergibt sich aus dem unstreitigen Sachverhalt, daß die Ausschlußfrist gewahrt ist.
Bei einer geplanten Betriebsstillegung besteht der wichtige Grund für die außerordentliche Kündigung in der Unzumutbarkeit des Arbeitgebers, in Zukunft das Arbeitsverhältnis trotz der Unmöglichkeit, Arbeit anzubieten, fortzusetzen. Wann der Betrieb tatsächlich stillgelegt wird, weiß der Arbeitgeber mit Sicherheit erst mit der Ausführung des Planes. Dies zeigt auch der vorliegende Fall, in dem die zum 30. September 1982 geplante Betriebsstillegung erst zum 31. Dezember 1982 durchgeführt wurde. Dementsprechend beginnt die Ausschlußfrist erst mit dem Tage, an dem der Arbeitnehmer nicht mehr weiterbeschäftigt werden kann. Da die Beklagte bereits am 25. März 1982 gekündigt hat, ist daher die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt worden (KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 626 BGB Rz 230).
III. Das Arbeitsgericht hat vorliegend auch ohne Rechtsfehler angenommen, es liege ein Grund zur außerordentlichen Kündigung vor.
1. Die Anwendung des § 626 Abs. 1 BGB durch das Berufungsgericht kann vom Revisionsgericht nicht uneingeschränkt nachgeprüft werden. Die Überprüfung beschränkt sich darauf, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes verkannt oder unrichtig angewendet hat. Das Revisionsgericht kann insoweit nur nachprüfen, ob ein bestimmter Vorgang für sich genommen überhaupt geeignet ist, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB zu bilden, und ob das Berufungsgericht alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, bedacht und abgewogen hat (vgl. statt vieler BAG Urteil vom 9. Dezember 1982 - 2 AZR 620/80 - BAG 41, 150, 158 = AP Nr. 73 zu § 626 BGB).
2. Unter Berücksichtigung dieser eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit ist das Urteil des Arbeitsgerichts und damit des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden.
a) Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, eine Betriebsstillegung berechtige nicht generell zur außerordentlichen Kündigung, diese sei aber auch nicht stets ausgeschlossen. Weitergehend kann auch von einem Regel-Ausnahmeverhältnis gesprochen werden: Dringende betriebliche Gründe, zu denen der Fortfall eines Arbeitsplatzes aufgrund einer Betriebsstillegung gehört, rechtfertigen in aller Regel nur eine ordentliche Kündigung. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 2 KSchG, dem ultima-ratio- Prinzip und dem Grundsatz, daß der Arbeitgeber nicht das Wirtschaftsrisiko auf den Arbeitnehmer abwälzen darf (vgl. u.a. Senatsurteil vom 9. Juli 1981 - 2 AZR 788/78 - BAG 36, 112 ff. = AP Nr. 4 zu § 620 BGB Bedingung).
b) Das Bundesarbeitsgericht hat aber auch in ständiger Rechtsprechung mit Zustimmung der herrschenden Meinung im Schrifttum entschieden, ganz ausnahmsweise könne auch eine Betriebsstillegung geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (BAG 5, 2o = AP Nr. 16 zu § 626 BGB und BAG Urteil vom 12. September 1974 - 2 AZR 535/73 - EzA § 1 TVG Auslegung Nr. 3 sowie KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 626 BGB Rz 121 a, m.w.N.).
Insbesondere kann nach dieser Rechtsprechung die außerordentliche Kündigung dann gerechtfertigt sein, wenn die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist und eine Versetzung in einen anderen Betrieb des Unternehmens nicht möglich ist. Das ist im wesentlichen damit begründet worden, der Ausschluß der ordentlichen Kündigung könne dann zur unzumutbaren Belastung des Dienstberechtigten werden, wenn dieser die Dienste nicht mehr in Anspruch zu nehmen in der Lage sei, andererseits aber über Jahre hinweg zur Zahlung des vereinbarten Entgelts verpflichtet bleibe. Die Bedenken, die der erkennende Senat im Urteil vom 7. Juni 1984 (- 2 AZR 602/82 - ZIP 1984, 1517, 1521 = NZA 1985, 121, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) gegen die Zulassung einer außerordentlichen Kündigung in derartigen Fällen geäußert hat, werden nicht aufrechterhalten. Die von ihm erwogene Rechtsanalogie zu § 15 Abs. 4 KSchG erklärt zwar unschwer, weshalb bei einer Kündigung wegen Betriebsstillegung die gesetzliche oder tarifvertragliche Kündigungsfrist einzuhalten ist, begegnet aber dem Einwand, § 15 Abs. 4 KSchG regele die o r d e n t l i c h e Kündigung der Betriebsratsmitglieder bei Betriebsstillegung, die im Tarifvertrag gerade ausgeschlossen ist.
c) Vorliegend hat die Beklagte den Betrieb in B geschlossen und dem Kläger gegenüber eine außerordentliche Änderungskündigung zum 30. September 1982 und dann mit Fristverlängerung zum 31. Dezember 1982 ausgesprochen. Das Angebot der geänderten Arbeitsbedingungen - Weiterbeschäftigung im 100 km entfernten Hauptwerk - haben der Kläger und die anderen Arbeitnehmer, deren ordentliche Kündigung tarifvertraglich ausgeschlossen war, abgelehnt.
Die Beklagte stand daher vor der Alternative, den altersgesicherten Arbeitnehmern des Betriebes B außerordentlich zu kündigen oder von den 26 Arbeitnehmern dieses Betriebes den Kläger und neun weitere altersgesicherte Arbeitnehmer ohne Beschäftigungsmöglichkeit weiterzuentlohnen. Für den Kläger wäre eine Lohnzahlungsverpflichtung bis zum Jahre 1988 angefallen. Bei dieser Sachlage wäre das Ziel - darin ist dem Arbeitsgericht zu folgen - durch die Schließung des Betriebes B die Fertigungsstätten E und K zu erhalten, gefährdet worden, weil ganz erhebliche Lohn- und Lohnnebenkosten ohne jede Arbeitsleistung von der Beklagten zu erfüllen gewesen wären. Dementsprechend war vorliegend die Betriebsstillegung geeignet, eine außerordentliche Kündigung dem Kläger gegenüber zu rechtfertigen.
d) Die Revision rügt auch zu Unrecht, das Arbeitsgericht habe für die Interessenabwägung wesentliche Umstände übersehen. Das Arbeitsgericht hat das Interesse des Klägers an dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung seiner Betriebszugehörigkeit von 42 Jahren und seinem fortgeschrittenen Lebensalter von 59 Jahren dem Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Betriebsschließung gegenübergestellt und wegen der Belastung der Beklagten mit Lohnkosten in ganz erheblichem Maße über mehrere Jahre ohne Gegenleistung das Interesse der Beklagten für schwerwiegender angesehen. Ein revisionsrechtlich beachtlicher Fehler läßt diese Interessenabwägung nicht erkennen.
IV. Auch die von der Beklagten gewählte Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken.
1. §4. 4 MTV, der die Alterssicherung regelt, kann entnommen werden, daß die Tarifvertragsparteien ältere Arbeitnehmer mit einer Betriebszugehörigkeit von mindestens drei Jahren für besonders schutzbedürftig halten und deshalb bei ihnen die ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung ausgeschlossen haben. Dieser Wille der Tarifvertragsparteien, der in § 4.4 Ausdruck gefunden hat, muß auch bei der außerordentlichen Kündigung wegen Betriebsstillegung, die nur wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung zugelassen wird, Beachtung finden. Dem § 4.4 MTV ist nämlich zugleich der Rechtsgedanke zu entnehmen, aus der Alterssicherung solle den geschützten Arbeitnehmern bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber den übrigen Belegschaftsangehörigen kein Nachteil entstehen. Das wäre ein Wertungswiderspruch, der den Tarifvertragsparteien nicht unterstellt werden kann. Aus diesem Grunde ist mit der absolut herrschenden Meinung in der Literatur (Staudinger/Neumann, BGB, 12. Aufl., § 626 Rz 111; KR-Hillebrecht, 2. Aufl., § 626 BGB Rz 205 - 206; Güntner, RdA 1974, 153, 160; Weng, DB 1977, 676, 677 - 678) dem Arbeitgeber zuzumuten, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der gesetzlichen oder tarifvertraglichen Kündigungsfrist fortzusetzen.
2. a) Vorliegend hat die Beklagte dem Kläger eine Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende zugestanden. Damit hat sie die längste in dem Tarifvertrag vorgesehene Kündigungsfrist eingehalten und dem Rechtsgedanken Rechnung getragen, daß dem Arbeitnehmer aus der Alterssicherung gegenüber den anderen Arbeitnehmern kein Nachteil entstehen darf.
b) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus § 117 Abs. 2 Satz 3 AFG nicht, die Beklagte hätte eine Kündigungsfrist von 18 Monaten einhalten müssen.
Zutreffend hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die vom Arbeitgeber einzuhaltenden Kündigungsfristen richteten sich nach § 622 BGB, dem Tarifvertrag oder dem Arbeitsvertrag, aber nicht nach den Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes, das die Folgen der durch die Kündigung verursachten Arbeitslosigkeit regele, jedoch keine Kündigungsfristen vorschreibe.
§ 117 AFG will nur ausschließen, daß ein Arbeitnehmer für denselben Zeitraum sowohl Arbeitsentgelt als auch Arbeitslosengeld erhält. Nach § 117 Abs. 2 Satz 1 AFG geht der Gesetzgeber davon aus, daß eine Abfindung, die bei einer Kündigung ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gewährt wird, in Wirklichkeit auch Lohn für die Zeit der ordentlichen Kündigung ist und ordnet deshalb das Ruhen des Arbeitslosengeldes bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist an. Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zeitlich unbegrenzt ausgeschlossen, so wird eine Kündigungsfrist von 18 Monaten fingiert. Allerdings ruht nach § 117 Abs. 3 Satz 1 AFG der Anspruch auf Arbeitslosengeld höchstens für ein Jahr. Nach § 117 Abs. 3 Satz 2 Ziff. 3 AFG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht über den Tag hinaus, an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können. Im vorliegenden Falle hatte die Beklagte ein Recht zur außerordentlichen Kündigung, aber nur unter Einhaltung der tarifvertraglichen Kündigungsfrist. Nach dem klaren Wortlaut von § 117 Abs. 3 Satz 2 Ziff. 3 AFG ist daher am 1. Januar 1983 das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld eingetreten. Eine entsprechende Anwendung des § 117 Abs. 3 Satz 2 Ziff. 3 AFG in diesen Fällen hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 12. Dezember 1984 (7 RAr 16/84 - zur Veröffentlichung bestimmt) mit der Begründung abgelehnt, eine planwidrige Gesetzeslücke lasse sich insoweit nicht feststellen. Aufgrund dieser Rechtslage können tariflich altersgesicherte Arbeitnehmer gegenüber den übrigen Belegschaftsangehörigen einen Nachteil erleiden, wenn z.B. - wie vorliegend - aufgrund einer Betriebsänderung die Kündigung ausgesprochen wird und Abfindungsansprüche aufgrund eines Sozialplans entstehen. Die Arbeitnehmer, deren ordentliche Kündigung durch Tarifvertrag ausgeschlossen ist, erhalten dann insgesamt geringere Leistungen, weil ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht, es sei denn, bei der Vereinbarung der Höhe der Abfindungen werde das Ruhen des Arbeitslosengeldes bereits mitberücksichtigt.
Das ändert aber nichts an der Zulässigkeit der außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung der tarifvertraglichen Kündigungsfrist.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Dr. Roehsler Triebfürst Dr. Weller
Sickert Mauer
Fundstellen
BAGE 48, 220-229 (LT1) |
BAGE, 220 |
BB 1985, 1915-1917 (LT1-) |
DB 1985, 1743-1744 (LT1) |
NJW 1985, 2606 |
NJW 1985, 2606-2607 (LT1) |
ARST 1986, 73-74 (LT1) |
BlStSozArbR 1985, 263-263 (T) |
JR 1986, 527 |
NZA 1985, 559-560 (LT1) |
RzK, I 6a Nr 11 (LT1) |
RzK, I 6g Nr 8 (ST1) |
ZIP 1985, 1351 |
ZIP 1985, 1351-1353 (LT1) |
AP § 626 BGB (LT1), Nr 86 |
AR-Blattei, ES 1010.8 Nr 65 (LT1) |
AR-Blattei, Kündigung VIII Entsch 65 (LT1) |
Arbeitgeber 1985, 925-925 (LT1) |
EzA § 626 nF BGB, Nr 96 (LT1) |
MDR 1985, 875-875 (LT1) |