Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfändung der Gebührenforderungen von Rechtsanwälten
Leitsatz (amtlich)
Gebührenforderungen von Rechtsanwälten unterliegen grundsätzlich der Pfändung. Die in § 49b Abs. 4 BRAO normierte Einschränkung der Abtretung solcher Forderungen führt nicht zu einer Unübertragbarkeit i.S. von § 851 Abs. 1 ZPO.
Normenkette
ZPO § 851 Abs. 1, § 836 Abs. 3, § 807 Abs. 1; BRAO § 49b Abs. 4; StGB § 203
Verfahrensgang
Tatbestand
Aufgrund von rückständigen Steuerschulden erließ der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt ―FA―) im Februar 2004 zwei Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, mit denen er zwei Honorarforderungen des früher als Rechtsanwalt tätigen Antragstellers und Beschwerdegegners (Antragsteller) pfändete und die Einziehung dieser Forderungen anordnete. Im März 2004 erließ das FA eine weitere Pfändungs- und Einziehungsverfügung, die ebenfalls eine Honorarforderung betraf. Über die gegen diese Bescheide eingelegten Einsprüche hat das FA noch nicht entschieden.
Dem Antrag des Antragstellers, gemäß § 69 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Vollziehung der Verwaltungsakte auszusetzen, gab das Finanzgericht (FG) mit der Begründung statt, dass es ernstlich zweifelhaft sei, ob die Honorarforderungen des Antragstellers aus seiner früheren Tätigkeit als Rechtsanwalt der Pfändung unterliegen würden. Bedenken würden sich deshalb ergeben, weil § 851 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) Forderungen nur insoweit der Pfändung unterwerfe, als diese übertragbar seien. An einer solchen Übertragbarkeit fehle es jedoch im Streitfall, denn die Voraussetzungen von § 49b Abs. 4 Satz 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) seien nicht erfüllt. Insbesondere fehle es an der Einwilligung der Mandanten. Dieser Mangel der angefochtenen Verfügungen könne auch nicht nachträglich geheilt werden.
Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde beruft sich das FA auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 25. März 1999 IX ZR 223/97 (BGHZ 141, 173) mit dem der BGH Honorarforderungen von Steuerberatern ungeachtet des nach § 64 Abs. 2 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) bestehenden Abtretungsverbots als pfändbar erachtet hat. Nach Ansicht des FA ist die in der Entscheidung angeführte Begründung auch auf Honorarforderungen von Rechtsanwälten übertragbar.
Gegen diese Rechtsauffassung wendet sich der Antragsteller. Er ist der Ansicht, der BGH habe die Grenzen einer möglichen Auslegung der streiterheblichen Bestimmungen überschritten. Deren eindeutiger Wortlaut stehe der Annahme einer Pfändbarkeit von anwaltlichen Honorarforderungen entgegen. Darüber hinaus werde die Einziehung solcher Forderungen durch das Zeugnisverweigerungsrecht des Vollstreckungsschuldners unmöglich gemacht. Dies gelte insbesondere dann, wenn es zu einem Rechtsstreit über den Bestand der Forderungen komme. Für den Fall, dass der Pfändungsgläubiger einen vom Vollstreckungsschuldner begonnenen Prozess nach erfolgter Pfändung fortsetze, komme der Pfändungsgläubiger an Informationen, deren Preisgabe gerade verhindert werden solle. Auch Angaben, die der Vollstreckungsschuldner aufgrund § 807 Abs. 1 ZPO zu machen verpflichtet sei, würden dem Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Mandanten zuwiderlaufen. Darüber hinaus würde die Bedeutung der in § 203 des Strafgesetzbuches (StGB) angeordneten Sanktion in Frage gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Ablehnung des Antrages auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der angefochtenen Pfändungs- und Einziehungsverfügungen.
Das FG hat zu Unrecht ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte bejaht. Bei der im Verfahren der AdV gebotenen summarischen Prüfung gelangt der beschließende Senat zu der Auffassung, dass im Streitfall von einer Pfändbarkeit der vom Antragsteller geltend gemachten Honorarforderungen aus seiner anwaltlichen Tätigkeit auszugehen ist.
1. Nach § 49b Abs. 4 Satz 2 BRAO ist eine Abtretung von Gebührenforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung an einen nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Dritten unzulässig, es sei denn, die Forderung ist rechtskräftig festgestellt, ein erster Vollstreckungsversuch fruchtlos ausgefallen und der Rechtsanwalt hat die ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Mandanten eingeholt. Dieser durch das Gesetz zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und Patentanwälte vom 2. September 1994 (BGBl I 1994, 2278) in die BRAO aufgenommenen Bestimmung ist zu entnehmen, dass eine Abtretung von Honorarforderungen nicht gesetzlich verboten oder ausgeschlossen ist. Vielmehr wird ―wenn auch unter engen Voraussetzungen― eine Abtretung in bestimmten Fällen ermöglicht.
Nach der Rechtsprechung des BGH begründet die in § 49b Abs. 4 Satz 2 BRAO normierte Einschränkung der Abtretung nicht zugleich eine Unübertragbarkeit i.S. von § 851 Abs. 1 ZPO (BGH-Urteil in BGHZ 141, 173, sowie BGH-Beschluss vom 16. Oktober 2003 IX ZB 133/03, Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report ―NJW-RR― 2004, 54), die einer Pfändung entgegenstehe. Denn § 851 ZPO beziehe sich nur auf Fälle, in denen die Unübertragbarkeit auf einem Abtretungsverbot oder dem Umstand beruhe, dass der Gläubigerwechsel zu einer Änderung des Leistungsinhalts oder zu einer Vereitelung einer rechtlich gesicherten Zweckbindung führe. Dagegen könne in Fällen, in denen eine Abtretung ―wie in § 49b Abs. 4 Satz 2 BRAO― nur unter bestimmten Voraussetzungen gestattet werde, erst eine Auslegung des beschränkenden Gesetzes ergeben, ob es sich zwingend auch gegen eine Pfändbarkeit richte (auch das Oberlandesgericht ―OLG― Stuttgart hat in seinem Beschluss vom 11. Mai 1994 8 W 89/94, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1994, 2838, den Anwendungsbereich von § 851 ZPO auf Fälle beschränkt, in denen die Unübertragbarkeit der Forderung auf ihre mangelnde Verkehrsfähigkeit zurückzuführen ist; so auch Stöber in Zöller, Zivilprozessordnung, 24. Aufl., § 851 Rdnr. 2; Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Aufl., § 851 Rdnr. 9, m.w.N.; a.A. Wieczorek/Schütze, Zivilprozessordnung und Nebengesetze, 3. Aufl., § 851 Rdnr. 10). Im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung der Rechtslage vermag sich der Senat der vom BGH und in der überwiegenden Literatur vertretenen Auslegung anzuschließen.
2. Ausgangspunkt der vom BGH geforderten Auslegung des § 49b BRAO ist der Schutzzweck dieser Vorschrift. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll mit der grundsätzlichen Untersagung der Abtretung von nicht titulierten Gebührenansprüchen an Personen, die nicht einer Rechtsanwaltskammer angehören, die Beachtung der beruflichen Verschwiegenheitspflichten auch bei der Durchsetzung von Honorarforderungen sichergestellt werden (BTDrucks 12/4993, S. 31). Die Erfüllung der sich aus der anwaltlichen Tätigkeit ergebenden Pflicht zur Verschwiegenheit kann durch die mit dem Abschluss eines Abtretungsvertrages verbundene Auskunftspflicht nachhaltig beeinträchtigt werden. Denn gemäß § 402 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ist der bisherige Gläubiger verpflichtet, dem neuen Gläubiger die zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen und ihm die in seinem Besitz befindlichen und zum Beweis der Forderung dienenden Urkunden herauszugeben. Das Entstehen einer Pflichtenkollision wird durch das relative Abtretungsverbot des § 49b Abs. 4 BRAO, das durch den Zustimmungsvorbehalt dem durch Art. 2 des Grundgesetzes (GG) geschützten Recht des Mandanten auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung trägt, von vornherein verhindert.
Im Gegensatz zur Abtretung einer Forderung begibt sich der bisherige Gläubiger bei einer Forderungspfändung nicht freiwillig in eine drohende Pflichtenkollision, deren Vermeidung in sein Belieben gestellt wäre. Vielmehr wird dem Vollstreckungsschuldner infolge der Pfändung und Überweisung einer Forderung gemäß § 836 Abs. 3 ZPO eine gesetzlich angeordnete Auskunftspflicht auferlegt. Danach ist der Schuldner verpflichtet, dem Gläubiger die zur Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen und ihm die über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben. Bei der Durchsetzung dieser Kraft Gesetzes bestehenden Auskunftspflicht ist jedoch dem Schutz des Grundrechtes von Mandanten eines Rechtsanwaltes auf informationelle Selbstbestimmung in ausreichender Weise Rechnung zu tragen. Die Auskunftspflicht kann nicht weiter gehen, als dies gesetzlich gefordert wird. Auf die uneingeschränkte Preisgabe von schutzwürdigen persönlichen Daten des Mandanten erstreckt sich die in § 836 Abs. 3 ZPO normierte Auskunftspflicht daher nicht (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 141, 173; Urteil des OLG Stuttgart in NJW 1994, 2828, sowie Diepold, Sind Honorarforderungen von Anwälten, Ärzten und Zahnärzten pfändbar?, Monatsschrift für Deutsches Recht ―MDR― 1993, 835, 836). Auch ist zu berücksichtigen, dass der Pfändungsgläubiger zur Einleitung der Vollstreckungsmaßnahme bereits von sich aus tätig werden muss. Aufgrund selbst beschaffter Informationen muss er die zu pfändende Forderung sowie den Drittschuldner so genau bezeichnen, dass eine individuelle Bestimmung der Forderung sowie eine Zustellung an den Drittschuldner ermöglicht wird. Dagegen werden bei einer Forderungsabtretung diese Angaben dem Zessionar in der Regel durch den ―evtl. in einer Pflichtenkollision befindlichen― Zedenten vermittelt.
Angaben zur gepfändeten Forderung kann der Gläubiger allerdings im Verfahren nach § 807 Abs. 1 ZPO erzwingen. Sie beschränken sich im Gegensatz zu § 836 Abs. 3 ZPO aber lediglich auf Namen und Anschrift des Drittschuldners, den Grund der Forderung und die Beweismittel (Stöber in Zöller, a.a.O., § 807 Rdnr. 22). Hinter der umfassenden Informationspflicht aus § 402 BGB, die zu einer weitergehenden Offenlegung von geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen führen könnte, bleiben die Anforderungen der gesetzlich angeordneten Offenbarungspflicht weit zurück. Das überwiegende Schrifttum sowie die Rechtsprechung sehen in § 807 ZPO einen Rechtfertigungsgrund, der die Offenbarung nicht als unbefugt i.S. von § 203 Abs. 1 StGB erscheinen lässt (vgl. Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, 52. Aufl., § 203 Rdnr. 38; Schünemann, Strafgesetzbuch - Leipziger Kommentar, 11. Aufl., § 203 Rdnr. 122, sowie Beschluss des OLG Köln vom 29. Juli 1993 2 W 73/92, MDR 1993, 1007, m.w.N., zur Offenbarungsversicherung nach § 807 ZPO durch einen Rechtsanwalt).
Im Rahmen der summarischen Prüfung kann der Senat die Frage unbeantwortet lassen, ob im Rahmen einer Befolgung der gesetzlichen Offenbarungspflicht auch weitergehende Angaben ―evtl. in einem Verfahren nach § 836 Abs. 3 ZPO― gerechtfertigt sein könnten, so dass die Preisgabe dieser Informationen ebenfalls nicht als unbefugt i.S. von § 203 Abs. 1 StGB anzusehen wäre.
Nach alledem gelangt der Senat zu der Auffassung, dass ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte nicht bestehen. Der Antrag war daher abzulehnen.
Fundstellen
Haufe-Index 1331722 |
BFH/NV 2005, 737 |
BStBl II 2005, 422 |
BFHE 2005, 414 |
BFHE 208, 414 |
BB 2005, 814 |
DStRE 2005, 613 |
DStZ 2005, 289 |
HFR 2005, 586 |
NJW 2005, 1308 |
Inf 2005, 481 |
NWB 2005, 1192 |
FamRZ 2005, 980 |
JurBüro 2005, 610 |
ZAP 2005, 600 |
InVo 2005, 317 |
RDV 2005, 168 |
AGS 2005, 362 |
NJW-Spezial 2005, 240 |
RENOpraxis 2005, 110 |
RVGreport 2005, 240 |
BRAK-Mitt. 2005, 142 |
GK 2005, 375 |
KammerForum 2005, 205 |
SJ 2005, 12 |