Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnzufluss durch Regressverzicht nach Lohnsteuerhaftung
Leitsatz (NV)
1. Erfüllt der Arbeitgeber einen gegen ihn nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG ergangenen Lohnsteuer-Haftungsbescheid, kann er die auf die einzelnen Arbeitnehmer entfallende Lohnsteuer von diesen regelmäßig zurückfordern. Ob der Regressanspruch auf § 426 oder § 670 BGB beruht, kann dahinstehen, wenn die geltend gemachten Einwendungen in beiden Fällen nicht durchgreifen.
2. Sieht der Arbeitgeber von der Durchsetzung seines Regressanspruchs freiwillig ab, wendet er auch dann Lohn zu, wenn kein Erlassvertrag i.S. von § 397 BGB zustande gekommen ist.
Normenkette
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2, § 38 Abs. 2 S. 1, § 41a Abs. 1, § 42d Abs. 1 Nr. 1; AO § 33 Abs. 1; BGB §§ 397, 426, 670
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Es bedarf keiner weiteren Klärung, dass die Annahme eines geldwerten Vorteils durch Verzicht auf die Durchsetzung eines dem Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer zustehenden Anspruchs nicht einen Erlassvertrag i.S. von § 397 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) voraussetzt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. März 1992 VI R 145/89, BFHE 168, 99, BStBl II 1992, 837, und vom 29. November 2000 I R 102/99, BFHE 194, 69, BStBl II 2001, 195; BFH-Beschluss vom 19. Februar 2004 VI B 146/02, BFH/NV 2004, 789, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2004, 560).
Maßgebend ist nämlich nicht, dass der Arbeitgeber den Vorteil durch einen Rechtsakt zuwendet (vgl. hierzu § 19 Abs. 1 Satz 2 am Ende des Einkommensteuergesetzes --EStG--), sondern dass sich aus den Umständen ergibt, dass der Arbeitgeber mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis den Arbeitnehmer um den Wert des Anspruchs bereichert. Das gilt auch, wenn ein wegen unterbliebenen Lohnsteuerabzugs in Haftung genommener Arbeitgeber nach Entrichtung der Haftungsschuld davon absieht, beim Arbeitnehmer Regress zu nehmen. Insbesondere setzt die Annahme, die Zuwendung sei durch das Dienstverhältnis veranlasst, nicht voraus, dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Zuwendung noch bei diesem Arbeitgeber beschäftigt ist, was sich aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG zweifelsfrei ergibt.
2. Es bedarf auch keiner weiteren Klärung, dass ein Arbeitgeber, welcher für Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat, nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet, den entrichteten Haftungsbetrag im Innenverhältnis vom Arbeitnehmer grundsätzlich verlangen kann (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1993 VI R 26/92, BFHE 172, 472, BStBl II 1994, 197; vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31. Mai 2006 XII ZR 111/03, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2006, 1037).
Der Arbeitnehmer, der die Lohnsteuer schuldet (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG) und der Arbeitgeber, der die Lohnsteuer als Steuerpflichtiger (§ 33 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO--) anzumelden und abzuführen hat (§ 41a Abs. 1 EStG), sind Gesamtschuldner. Im Innenverhältnis trägt der Arbeitnehmer die Steuer jedoch allein, da es Sache des Arbeitnehmers ist, für Personensteuern aufzukommen, die an seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit anknüpfen. Dementsprechend muss der Arbeitnehmer nicht nur beim laufenden Lohnsteuerabzug dulden, dass der Arbeitgeber die entstandene Lohnsteuer vom Bruttolohn einbehält und abführt, sondern der Arbeitnehmer muss grundsätzlich auch bei zu Unrecht unterbliebenem Lohnsteuerabzug dem Arbeitgeber den Haftungsbetrag ersetzen. Die Tatsache, dass es Sache des Arbeitnehmers ist, die an seinen Arbeitslohn anknüpfende Steuer zu tragen, gilt im Regelfall sogar bei der Erhebung der Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz (Bundesarbeitsgerichts-Urteil vom 1. Februar 2006 5 AZR 628/04, BFH/NV Beilage 10/2006, 534, HFR 2006, 727) und hat bei der Nettolohnvereinbarung zur Folge, dass in der Übernahme der Steuer ein weiterer geldwerter Vorteil liegt.
3. Letzten Endes kann die Frage, ob der Regressanspruch des Arbeitgebers --wie das Finanzgericht (FG) angenommen hat-- auf § 426 BGB, oder --wie die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) vertreten-- auf § 670 BGB beruht, ebenso dahinstehen, wie die Frage, welche Einwendungen dem Regressanspruch bzw. seiner möglichen Verwirklichung im Einzelnen entgegengehalten werden können. Denn die hier geltend gemachten Einwendungen, der Arbeitgeber habe nach Begleichung der Haftungsschuld nicht oder nur eingeschränkt Regress nehmen können, greifen nach den vom FG aus seinen Feststellungen gezogenen Schlüssen nicht durch. Mangels Erheblichkeit besteht für die Rechtsgrundlage des Regressanspruchs kein Klärungsbedarf.
a) Das FG konnte nach seinen Feststellungen davon ausgehen, dass der Arbeitgeber zu Recht in Haftung genommen worden ist, weil er in den Jahren 1991 und 1992 geldwerte Vorteile in Höhe von zusammen 1 228 250 DM nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen hat. Die Entrichtung der Haftungsschuld konnte er dem Betriebsstättenfinanzamt gegenüber nicht mit der Begründung verweigern, er sei aus Fürsorgegesichtspunkten daran gehindert. Insbesondere ist kein Grund ersichtlich, warum sich der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenüber schadensersatzpflichtig machen sollte, wenn er gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt. Das FG ist unter Berufung auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Haftungsschuld nicht verjährt war. Folglich greift der Einwand, infolge Verjährung habe kein Haftungsanspruch bestanden, nicht durch. Die Kläger, die zur Frage der Verjährung der Haftungsschuld eine abweichende Meinung vertreten, haben insoweit keine Zulassungsgründe dargelegt.
b) Dass der durch die Haftungsinanspruchnahme begründete Regressanspruch seinerseits sogleich verjährt sei und deshalb habe nicht durchgesetzt werden können, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist erkennbar, inwiefern der Lohnzufluss, der darauf beruht, dass der Arbeitgeber davon abgesehen hat, im Anschluss an die Zahlung der Haftungsschuld seinen Regressanspruch durchzusetzen, von der Verjährung betroffen sein könnte.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) war auch nicht nach Treu und Glauben gehalten, den diesbezüglichen Vorteil nicht als Lohn zu behandeln. Insbesondere ist das BFH-Urteil vom 9. Oktober 1992 VI R 97/90 (BFHE 169, 202, BStBl II 1993, 166) nicht einschlägig. Die Erfassung der erwähnten geldwerten Vorteile in Höhe von zusammen 1 228 250 DM ist in den Einkommensteuerbescheiden 1991 und 1992 nicht aufgrund von Rechtsanwendungsfehlern des FA unterblieben, sondern deswegen, weil die Kläger diese Einnahmen nicht erklärt haben, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wären. Der hier allein streitige Lohnzufluss des Jahres 2000 hat nicht etwa zur Folge, dass die in den Jahren 1991 und 1992 unter Einbeziehung der obigen geldwerten Vorteile entstandene Einkommensteuer von den Klägern aus ihrem versteuerten Einkommen hätte entrichtet werden müssen. Vielmehr wird ihnen nur im Zuflussjahr 2000 insoweit Lohn angerechnet, als ein Dritter für einen Teil früherer Steuern aufgekommen ist, die sie bei korrekter Erklärung selbst hätten tragen müssen.
4. Die Rüge, das FG sei seiner Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhalts nicht nachgekommen, greift nicht durch.
Das FG hatte die schriftliche Erklärung früherer Mitarbeiter nicht als geeigneten Beleg für eine Nettolohnvereinbarung angesehen. In dieser Erklärung war ausgeführt worden, der Geschäftsführer des Arbeitgebers habe ihnen gegenüber geäußert, dass auf Vorteile aus Genussscheinen --solche lagen dem Haftungsbescheid zugrunde-- keine Lohnsteuer bzw. Einkommensteuer entfalle. Die Würdigung des FG entspricht insofern der höchstrichterlichen Rechtsprechung, als die Vorstellung, ein Zufluss sei steuerlich nicht zu erfassen, gegen die Annahme einer Nettolohnvereinbarung spricht. Denn eine Nettolohnvereinbarung setzt eine Abrede zwischen den Parteien des Dienstverhältnisses des Inhalts voraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer dadurch zusätzlichen Lohn zuwendet, dass er auch die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den Merkmalen der Lohnsteuerkarte zu erhebende Lohnsteuer trägt (BFH-Urteil vom 28. Februar 1992 VI R 146/87, BFHE 167, 507, BStBl II 1992, 733).
Abgesehen davon haben die Kläger weder Beweismittel über eine Nettolohnabrede mit ihrem Arbeitgeber gerade zu geldwerten Vorteilen, wie sie den Klägern in den Jahren 1991 und 1992 gewährt wurden, benannt --eine generelle Nettolohnabrede wurde nie behauptet--, noch wurde erläutert, warum sich dem FG weitere Ermittlungen auch ohne diesbezügliche Beweisanträge hätten aufdrängen müssen. Im Übrigen haben die Kläger nicht vorgetragen, sie hätten die mit Schriftsatz vom 12. November 2003 vorgelegte Mitarbeitererklärung auch nach dem anschließend ergangenen Gerichtsbescheid, der in Wegfall geraten ist, nochmals aufgegriffen bzw. Beweisanträge gestellt. Ebenso wenig haben sie dargelegt, dass die Nichterhebung angebotener Beweise bereits beim FG gerügt worden sei, noch Umstände vorgetragen, warum diese Rüge nicht möglich gewesen sei (vgl. BFH-Beschluss vom 21. März 2003 VIII B 293/02, BFH/NV 2003, 1192).
5. Auch mit der Rüge, die Streitsache habe nicht auf den Einzelrichter übertragen werden dürfen, werden keine Zulassungsgründe dargelegt.
Fundstellen
Haufe-Index 1722473 |
BFH/NV 2007, 1122 |
DStRE 2007, 691 |