Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreiheit von pauschalen Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit
Leitsatz (NV)
Hat der Arbeitnehmer für seine Arbeit an einem Wochenfeiertag einen (tarifvertraglichen) Anspruch auf entlohnten Freizeitausgleich, so ist die Vergütung, die der Arbeitgeber dafür gewährt, dass der freie Tag nicht in Anspruch genommen wird, nicht gemäß § 3b EStG steuerfrei.
Normenkette
EStG § 3b
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist bei den Stadtwerken D als Blockleitstandsfahrer beschäftigt. Für an Wochenfeiertagen geleistete Wechselschichtarbeit zahlte der Arbeitgeber tarifvertraglich vereinbarte Zeitzuschläge.
In § 15 Abs. 2 Unterabs. 2 der Tarifverträge für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II/BMT-G-O) ist für derartige Fälle u.a. bestimmt:
"Die an einem Sonntag geleisteten dienstplanmäßigen bzw. betriebsüblichen Arbeitsstunden werden durch entsprechende zusammenhängende Kürzung der Arbeitszeit an einem Wochentag der nächsten oder der übernächsten Kalenderwoche ausgeglichen … Die dienstplanmäßige bzw. betriebsübliche Arbeitszeit an einem Wochenfeiertag soll auf Antrag des Arbeiters durch eine entsprechende Freizeit an einem Werktag der laufenden oder der folgenden Woche unter Fortzahlung des Monatsgrundlohnes und etwaiger für den Kalendermonat zustehender ständiger (gegebenenfalls pauschalierter) Lohnzuschläge ausgeglichen werden, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen."
Für die Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen erhalten die Arbeiter Zeitzuschläge nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 Satz 2 c) aa) BMT-G II/BMT-G-O. Hiernach beträgt der Zeitzuschlag ohne Freizeitausgleich 135 v.H. und bei Freizeitausgleich 35 v.H. des auf die Arbeitsstunde umgerechneten Monatsgrundlohnes.
In der Einkommensteuererklärung des Streitjahres 1999 beantragte der Kläger, einen Betrag in Höhe von 689,75 DM gemäß § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei zu stellen. Hierzu legte er eine auf ihn ausgestellte Bescheinigung der Stadtwerke D vor, wonach für das Kalenderjahr 1999 Zeitzuschläge in Höhe von 689,75 DM im Bruttoarbeitslohn auf der Lohnsteuerkarte 1999 enthalten seien. Da den Mitarbeitern im Wechselschichtdienst auf Grund der betrieblichen Verhältnisse ein Freizeitausgleich gemäß § 15 Abs. 6 Unterabsatz 3 BAT/BAT O entsprechend MTArb/MBArb.O und dem BMT-GII/BMT-G-O nicht gewährt werden könne, handele es sich bei den gezahlten Zeitzuschlägen um einen neben dem Grundlohn gezahlten Zuschlag.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte die begehrte Steuerfreistellung ab. Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1069 veröffentlichten Urteil statt. Nach dem Tarifvertrag sei der Anspruch auf Freizeitausgleich für an Wochenfeiertagen geleistete Arbeit davon abhängig, dass der Arbeitnehmer einen solchen Ausgleich beantragt und die betrieblichen Verhältnisse der Gewährung des Freizeitausgleiches nicht entgegenstehen. Beantrage und erhalte der Arbeitnehmer aber keinen Freizeitausgleich, habe er Anspruch auf den tariflich vereinbarten Zeitzuschlag in Höhe von 135 v.H. des Monatsgrundlohns, welcher in den Grenzen des § 3b Abs. 1 Nr. 3 EStG steuerfrei sei.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er macht geltend, faktisch habe kein Wahlrecht zwischen Freizeitausgleich oder Entgeltung der geleisteten Arbeit bestanden. Deshalb handele es sich um einen Zuschlag i.S. des § 3b EStG.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet und führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Das FG hat die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit der gezahlten Zuschläge nach § 3b EStG zu Unrecht bejaht. Soweit die gewährten Zuschläge anteilig steuerfrei zu stellen sind, kann der Senat --mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen des FG-- nicht abschließend entscheiden.
1. Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanz schließt ein durch Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen begründeter Anspruch auf Freizeitausgleich die Steuerfreiheit von Lohnzuschlägen aus, soweit der Arbeitnehmer statt des Freizeitausgleichs eine Vergütung erhält.
a) Gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 3 EStG sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Feiertagsarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei, soweit sie 125 v.H. des Grundlohns nicht übersteigen. Ein solcher Zuschlag für Feiertagsarbeit setzt aber begrifflich voraus, dass dem Arbeitnehmer die an einem Feiertag geleistete Arbeit --zusätzlich zum üblichen Lohn-- vergütet wird. Hieran fehlt es, wenn der Arbeitnehmer auf Grund der Arbeit an einem Wochenfeiertag einen Anspruch auf einen bezahlten freien Tag erworben hat und dieser Freizeitanspruch nachfolgend durch eine Vergütung abgegolten wird. Denn diese Abgeltung ist Entschädigung für den nicht erhaltenen freien Tag. Sie tritt nicht zu dem Lohn für die Feiertagsarbeit hinzu, sondern zu dem Lohn für die Arbeit an dem Tag, der als freier Tag hätte in Anspruch genommen werden können (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. September 1981 VI R 44/77, BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801). Diese einschränkende Auslegung des § 3b EStG rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass er als Ausnahmevorschrift das Leistungsfähigkeitsprinzip durchbricht (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1968 VI R 312/66, BFHE 94, 377, BStBl II 1969, 182, zu § 34a EStG).
b) Nach diesen Grundsätzen können die dem Kläger im Streitjahr gewährten Zuschläge nur in Höhe von 35 v.H. des Grundlohns steuerfrei sein. Der Tarifvertrag sieht für dienstplanmäßige Arbeit an Wochenfeiertagen entweder einen allgemeinen Grundzuschlag von 35 v.H. und daneben die Gewährung von bezahlter Freizeit oder aber --ohne Freizeitgewährung-- einen Zuschlag in Höhe von 135 v.H. vor (§ 15 Abs. 2, § 22 Abs. 1 Satz 2 c) aa) BMT-G II/BMT-G-O). Der Erhöhungsbetrag von 100 v.H. ist damit eine steuerpflichtige Entschädigung für den nicht erhaltenen Freizeitausgleich.
c) Die bezahlte Freizeit ist nach dem Wortlaut des Tarifvertrages auf Antrag des Arbeitnehmers zu gewähren. Wird dieser Antrag nicht gestellt oder kann ihm aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen nicht stattgegeben werden, so entsteht der Anspruch auf den Zeitzuschlag in Höhe von 135 v.H. (vgl. zur insoweit übereinstimmenden Tarifnorm des § 15 BAT --Urteil des Bundesarbeitsgerichts --BAG-- vom 9. Oktober 1991 6 AZR 370/89, AP Nr. 17 zu § 15 BAT). § 15 Abs. 2 BMT-G II/ BMT-G-O räumt dem Arbeitnehmer ein Wahlrecht ein, ob er für dienstplanmäßige Arbeitszeit an einem Wochenfeiertag Freizeitausgleich beanspruchen will oder nicht (vgl. BAG-Urteile vom 23. Februar 1982 3 AZR 86/81, AP Nr. 2 zu § 15 BMT-G II und vom 9. Oktober 1991 6 AZR 370/89, AP Nr. 17 zu § 15 BAT). Dieser erhält dadurch einen Rechtsanspruch auf Freizeitgewährung. Es bleibt seiner Entscheidung überlassen, anstelle des freien Tages gegen eine zusätzliche Vergütung zu arbeiten (vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 16. Januar 1999, IV C 5 -S 2343- 2/99, auszugsweise abgedruckt in Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT-Kommentar, Stand April 2004, § 35 Erl. 1 (c)).
Dass gemäß § 15 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 4 a.E. BMT-G II/BMT-G-O die Freizeitgewährung nur erfolgen sollte, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zuließen, steht dieser Beurteilung nichts entgegen. Zum einen bestand nach den den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG die grundsätzliche Möglichkeit, Freizeitausgleich zu bekommen. Darüber hinaus ist --auch wenn der Freizeitausgleich aus betrieblichen Gründen unterbleibt-- der über den Grundzuschlag hinausgehende Erhöhungsbetrag keine Gegenleistung für die Arbeit an einem Wochenfeiertag, sondern dafür, dass aus den genannten Gründen kein Freizeitausgleich gewährt werden konnte und deshalb an einem an sich freien Tag gearbeitet werden musste (vgl. BFH-Urteile in BFHE 94, 377, BStBl II 1969, 182, und in BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801).
2. Die Sache ist nicht spruchreif; sie ist deshalb zurückzuverweisen. Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG nicht abschließend beurteilen, ob die Zuschläge zum Grundlohn bereits in anteiliger Höhe steuerfrei gewährt wurden. Die entsprechende Aussage im Urteil des FG ist nicht nachvollziehbar und widerspricht dem Inhalt des angefochtenen Einkommensteuerbescheides. Das FG hat die erforderlichen Feststellungen nachzuholen. Im zweiten Rechtsgang wird das FG auch zu beachten haben, dass nach § 3b EStG nicht das zu versteuernde Einkommen, sondern der jeweilige Arbeitslohn zu kürzen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1447909 |
BFH/NV 2006, 37 |