Verfahrensgang
Tenor
Die miteinander verbundenen Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
Gegenstand der Verfassungsbeschwerden sind die Regelungen zur Tragung der Beiträge versicherungspflichtig Beschäftigter in der sozialen Pflegeversicherung.
I.
1. Versicherungspflichtig Beschäftigte, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, und ihre Arbeitgeber tragen nach § 58 Abs. 1 Satz 1 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI) die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung jeweils zur Hälfte. Das gilt aber nur, wenn der Beschäftigungsort in einem Land liegt, in dem nach näherer Bestimmung des § 58 Abs. 2 SGB XI ein gesetzlicher landesweiter Feiertag, der stets auf einen Werktag fällt, aufgehoben worden ist. Dadurch soll die Beitragsbelastung der Arbeitgeber kompensiert werden. Andernfalls haben die Beschäftigten, geht man vom gegenwärtigen Beitragssatz von 1,7 vom Hundert aus, einen Anteil von 1,35 vom Hundert, die Arbeitgeber von 0,35 vom Hundert des maßgebenden Arbeitsentgelts zu tragen (§ 58 Abs. 3 SGB XI). Alle Länder mit Ausnahme des Freistaats Sachsen haben einen Feiertag, den Buß- und Bettag, aufgehoben.
2. Der Beschwerdeführer zu I arbeitet als Angestellter in Chemnitz und ist als versicherungspflichtiges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig. Vom 1. Januar 1995 bis 30. Juni 1996 wurde er mit den Beiträgen zur sozialen Pflegeversicherung in der vollen Höhe von 1 vom Hundert des Arbeitsentgelts, ab 1. Juli 1996 in Höhe von 1,35 vom Hundert belastet; seine Arbeitgeberin trägt seit diesem Zeitpunkt 0,35 vom Hundert. Vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit hat der Beschwerdeführer zu I ohne Erfolg versucht zu erreichen, dass er nur die Hälfte des Beitrags zur sozialen Pflegeversicherung zu tragen hat. Der Beschwerdeführer zu II arbeitet ebenfalls als Angestellter in Chemnitz und ist als versicherungspflichtiges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig. Für die Belastung mit Beiträgen gilt für ihn das Gleiche wie beim Beschwerdeführer zu I. Auch er hat vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit erfolglos die hälftige Beitragstragung begehrt.
3. Mit den Verfassungsbeschwerden greifen die Beschwerdeführer unmittelbar alle in ihrer Sache ergangenen sozialgerichtlichen Entscheidungen, mittelbar § 58 Abs. 3 SGB XI an. Sie sehen sich in Art. 3 Abs. 1 GG verletzt und stützen sich auf ein von Professor Dr. Pieroth und Dr. Störmer verfasstes Rechtsgutachten (Die Feiertagsregelung des Pflegeversicherungsgesetzes, 1996).
II.
Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Sie haben keine Aussicht auf Erfolg. Weder § 58 Abs. 3 SGB XI noch die auf seiner Grundlage ergangenen sozialgerichtlichen Entscheidungen verletzen den allgemeinen Gleichheitssatz.
1. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪90≫). Das Grundrecht ist aber dann verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 104, 126 ≪144 f.≫; stRspr).
2. a) Die Beschwerdeführer, deren Beschäftigungsort im Freistaat Sachsen liegt, werden im Vergleich zu in anderen Ländern Beschäftigten ungleich behandelt. Sie haben 0,5 vom Hundert des maßgebenden Arbeitsentgelts mehr an Beiträgen zur sozialen Pflegeversicherung gegenüber den Beschäftigten in den anderen Ländern zu tragen. Diese Ungleichbehandlung wird auch nicht dadurch vollständig kompensiert, dass Beschäftigten in Sachsen der Buß- und Bettag als gesetzlicher landesweiter Feiertag mit Lohnfortzahlungsanspruch erhalten geblieben ist, während er in den anderen Ländern aufgehoben worden ist. Die Beitragsmehrbelastung der Beschwerdeführer im Vergleich zu in anderen Ländern versicherungspflichtig Beschäftigten resultiert unmittelbar aus § 58 Abs. 3 SGB XI und ist deshalb dem Bundesgesetzgeber zuzurechnen. Zwischen der Ausgestaltung des Feiertagsrechts durch die Länder und der gerügten Ungleichbehandlung besteht allerdings ein mittelbarer Zusammenhang.
b) § 58 Abs. 3 SGB XI ist nicht kompetenzwidrig erlassen worden. Nach Art. 72, 74 Abs. 1 Nr. 12 GG stand dem Bund die Gesetzgebungskompetenz für die Schaffung der sozialen Pflegeversicherung als eines neuen Zweigs der Sozialversicherung zu (vgl. BVerfGE 103, 197 ≪215≫). Diese Kompetenz schließt den Erlass von Vorschriften über die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung durch Erhebung von Beiträgen ein. Es handelt sich bei § 58 Abs. 3 SGB XI nicht um eine Materie des Feiertagsrechts, für deren gesetzliche Regelung die Länder zuständig sind. Dies gilt auch für § 58 Abs. 2 SGB XI, der lediglich zum Ausdruck bringt, unter welchen landesrechtlichen Voraussetzungen die zum Sozialversicherungsrecht gehörende Beitragsvorschrift des § 58 Abs. 1 SGB XI zur Anwendung kommt. Im Übrigen hätte eine Verfassungswidrigkeit von § 58 Abs. 2 SGB XI keine Auswirkung auf die Rechtsgültigkeit des § 58 Abs. 3 SGB XI. Die Vorschrift hat lediglich die Funktion, den Ländern einen Anstoß zu geben, einen gesetzlichen landesweiten Feiertag, der stets auf einen Werktag fällt, aufzuheben. Im Gesamtgefüge des § 58 SGB XI trägt dessen Absatz 2 zur Regelung der Beitragstragung nichts bei. Auch ohne ihn wäre die Gesamtregelung vollständig.
3. Die Ungleichbehandlung ist durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt.
a) Die finanzielle Mehrbelastung in Sachsen Beschäftigter durch höhere Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung wird durch die Beibehaltung der bisherigen Feiertagsregelung zumindest zum Teil kompensiert. Versicherungspflichtigen Arbeitnehmern mit einem Beschäftigungsort in Sachsen verbleibt dadurch für einen Tag mehr das Arbeitsentgelt ohne Arbeitsleistung. Verfassungsrechtlich unschädlich ist, dass darüber hinaus weitere Personen aus dem erhalten gebliebenen Feiertag Nutzen ziehen, ohne zugleich einer Beitragsmehrbelastung ausgesetzt zu sein.
b) Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers verbleibt bei einem in Sachsen Beschäftigten mit durchschnittlichem Arbeitsverdienst eine “Kompensationslücke” von etwa 40 € im Jahr. Sie ist angesichts des Nutzens der Einführung der sozialen Pflegeversicherung für alle versicherungspflichtig Beschäftigten (vgl. BVerfGE 103, 197 ≪200 ff.≫) jedoch hinzunehmen. Angesichts der langwierigen Entstehungsgeschichte der Pflegeversicherung wäre der von allen politischen Kräften für notwendig erachtete Versicherungsschutz ohne einen Ausgleich für die von den Arbeitgebern zu tragenden Beitragslasten nicht zu erreichen gewesen. Um ihre Einführung nicht auf unbestimmte Zukunft aufschieben zu müssen, hat der Gesetzgeber das Finanzierungskonzept des § 58 SGB XI gewählt und damit mehreren Aspekten Rechnung getragen: der Kompetenz der Länder zur Feiertagsregelung, dem in einigen Regionen deutlich artikulierten Wunsch nach Beibehaltung des Buß- und Bettages als gesetzlichem Feiertag sowie einer in allen Ländern greifenden Entlastung der Arbeitgeber bei Belastung der Arbeitnehmer. Dass hierbei die jeweilige Belastung der Beschäftigten im Ergebnis jedenfalls finanziell nicht vollständig gleich ausgefallen ist, ist unter Berücksichtigung der Gesamtregelung und der Notwendigkeit einer Absicherung des Pflegerisikos für die insofern Betroffenen zumutbar.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Unterschriften
Papier, Steiner, Hohmann-Dennhardt
Fundstellen
Haufe-Index 952192 |
NWB 2003, 2142 |
NVwZ 2003, 960 |
ZAP 2003, 802 |