2.1 Ebenen gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen
Das 4-Stufen-Modell von Archie B. Carroll, das als eines der ersten CSR modellhaft zu beschreiben versuchte, zeigt eine Hierarchie unternehmerischer Verantwortlichkeiten. Als notwendig wird dabei die Verantwortung zur Unternehmenssicherung, also das Erzielen von Gewinnen, angesehen. Notwendig im Sinne einer unbedingten Verpflichtung ist darüber hinaus die Verantwortung von Unternehmen, sich bei den geschäftlichen Aktivitäten an die gültige Gesetzgebung zu halten. Eine von der Gesellschaft erwartete bzw. ihr geschuldete Verantwortung von Unternehmen wiederum besteht darin, sich an ethischen Prinzipien und Werten zu orientieren. Darunter fällt bspw. auch die Einhaltung internationaler Verhaltensstandards und Normen. Die Spitze der Verantwortungspyramide bildet schließlich die sog. Philanthropie, also das freiwillige Eintreten für den guten Zweck, durch das sich ein Unternehmen als "Good Corporate Citizen" erweist. Lediglich bei dieser vierten Ebene der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen handelt es sich um eine rein freiwillige Verantwortungskategorie, die legitimerweise weder von der Gesellschaft noch von anderen Stakeholdern des Unternehmens eingefordert werden kann. Bei den ersten drei Ebenen hingegen geht es um ökonomisch, gesetzlich oder ethisch gebotene Verantwortlichkeiten mit einem auch objektiven Verpflichtungscharakter. Carrolls Pyramide ist eines der am häufigsten zitierten Modelle, wenn es um die grafische Darstellung von CSR geht; obgleich Wissenschaft, Politik und die Gesellschaft sich heute darüber einig sind, dass die drei unteren Ebenen nicht hierarchisch aufeinander aufbauen, sondern gleichberechtigt zueinanderstehen und einander bedingen. So kann ein Unternehmen, das wirtschaftlich erfolgreich ist, aber Menschenrechte in den Zulieferbetrieben nicht achtet, sowohl aufgrund der Ebene der Legalität (insbes. vor dem Hintergrund menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten) als auch aufgrund der Ebene der Ethik seine wirtschaftliche Legitimationsgrundlage verlieren. Diese kann und wird heute durch eine zunehmend kritische Öffentlichkeit, hervorgerufen oder verstärkt durch investigativen Journalismus, Social Media und NGOs, infrage gestellt werden. Fehltritte von Unternehmen werden schnell publik und diese müssen ad-hoc mit überzeugenden Antworten reagieren können – ein zentraler Grund dafür, dass viele Unternehmen CSR inzwischen auch als Teil des Risikomanagements verstehen und einbeziehen. Carrolls Modell zeigt folglich bereits auf, dass ein ganzheitliches CSR-Management dabei hilft, die unternehmenseigenen Pflichten und legitimen gesellschaftlichen Erwartungen umfassend zu betrachten und das eigene Compliance-Verständnis bzw. Risikomanagement entsprechend zu gestalten. Jede Form von CSR-Wahrnehmung, die darüber hinausgeht, bietet zusätzliche Chancen und wertvolle Differenzierungspotenziale auf den verschiedenen Märkten, auf denen Unternehmen aktiv sind.
CSR 4-Stufen Modell (Carroll)
2.2 Begriffsklärung: Corporate (Social) Responsibility (CSR) oder ESG?
Für die Bezeichnung des Gegenstands von CSR sind in der Praxis verschiedene Begriffspaare anzutreffen. Ist der Begriff "Corporate" vorangestellt, so bezieht sich die Wahrnehmung von Verantwortung in der Regel auf rechtsfähige Körperschaften, wie insbes. privatwirtschaftliche oder kommunale Unternehmen mit Gewinninteresse.
Da Verantwortung aber von allen Arten von Organisationen wahrgenommen werden sollte, bspw. auch von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), wurde für die ISO 26000 das "Corporate" abgelegt und auf die Bezeichnung Social Responsibility (SR) reduziert.
Aus der Wirtschaft heraus wird im Zusammenhang mit Verantwortung zum Teil nur noch von Corporate Responsibility (CR) gesprochen, da das "Social" häufig mit "sozial" anstatt mit "gesellschaftlich" übersetzt wird und so zu einer Engführung des Konzeptes führt. Betonten CR-Berichte früher in der Regel solche Verantwortungsbereiche, die sich auf die Corporate Governance und die damit verbundenen Aufsichts- und Kontrollpflichten von Unternehmen und Aufsichtsorganen beziehen, so enthält aufgrund der Gesetzgebung der EU ein CR-Bericht nun auch Nachhaltigkeitsinformationen und -kennzahlen. Ausgehend von der europäischen Richtlinie 2014/95/EU (Non-financial Reporting Directive, NFRD) war zunächst vorgesehen, große Unternehmen mit im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Mitarbeitern zu einer nichtfinanziellen Erklärung zu verpflichten, die im jährlichen Lagebericht aufzuführen war. Die Angaben sollten der Leserschaft ein ganzheitliches Bild des Unternehmens, seiner Tätigkeiten und Auswirkungen offerieren. Um dem zu genügen, mussten betroffene Unternehmen Angaben zu Umwelt-, Sozial-, und Arbeitnehmerbelangen, Achtung der Menschenrechte und Bekämpfung von Korruption und Bestechung tätigen. Zusätzlich waren das Geschäftsmodell, potenzielle Risiken mit Bezug auf Nachhaltigkeit und das Diversitätskonzept zu beschreiben (Richtlinie 2014/95/EU Art. 19...