Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung an einen Soldaten der britischen Streitkräfte. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VI R 34/21)
Leitsatz (redaktionell)
1) Eine an einen Soldaten der britischen Streitkräfte gezahlte Abfindung ist nach Art. 18 DBA Großbritannien steuerfrei.
2) Art. 18 DBA Großbritannien regelt das Besteuerungsrecht abschließend, so dass der Methodenartikel des Art. 23 DBA Großbritannien und damit auch die Rückfallklausel keine Anwendung findet.
3) § 50d Abs. 8 Satz 2 EStG ist eine eigenständige Korrekturnorm, die ein rückwirkendes Ereignis fingiert.
Normenkette
DBA GBR Art. 23; EStG § 50d Abs. 8 S. 1; AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; DBA GBR Art. 18
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die einkommensteuerrechtliche und abkommensrechtliche Behandlung einer Abfindung, die der Kläger als Soldat der britischen Streitkräfte erhalten hat.
Die Kläger sind (ausschließlich im Inland wohnhafte) Eheleute und wurden im Streitjahr 2014 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger, der ausschließlich die britische Staatsangehörigkeit besitzt, arbeitete bis zum 22.01.2014 als Soldat für die britischen Streitkräfte. Er war im Inland stationiert. Für die Tätigkeit erhielt er im Jahr 2014 laufenden Arbeitslohn in Höhe von (die nachfolgenden Beträge jeweils in EUR umgerechnet) X EUR sowie eine Abfindung in Höhe von X EUR. Daneben erhielt er Pensionszahlungen in Höhe von X EUR. Nach seinem Ausscheiden (ab dem 23.01.2014) war er bei einem anderen Arbeitgeber als Bürokraft tätig (Bruttoarbeitslohn: X EUR).
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Kläger einen Bruttoarbeitslohn des Klägers in Höhe von X EUR (Zeile 6 der Anlage N) und Entschädigungen/Arbeitslohn für mehrere Jahre von X EUR (Zeile 17 der Anlage N). Daneben erklärten sie „steuerfreien Arbeitslohn nach Doppelbesteuerungsabkommen” in Höhe von X EUR. In einer Anlage zur Einkommensteuererklärung wurden Ausführungen zur steuerlichen Behandlung des laufenden Arbeitslohns bis zum Ausscheiden, der Pensionszahlungen und der Abfindungszahlung gemacht:
- Der laufende Arbeitslohn bis zum Ausscheiden sei nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 und die Pensionszahlungen seien nach Art. 18 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vom 30.03.2010 i. d. F. des Änderungsprotokolls vom 17.03.2014, BGBl II 2015, 1297 (DBA-GB) steuerfrei. Sowohl der laufende Arbeitslohn als auch die Pensionszahlungen seien in Großbritannien versteuert worden. Insgesamt seien damit X EUR des Arbeitslohns steuerfrei.
- Die Abfindungszahlung sei nach britischem Steuerrecht in voller Höhe steuerfrei. Nach der subject-to-tax-Klausel in Art. 23 Abs. 1 Buchst. a) DBA-GB habe Deutschland deshalb das Besteuerungsrecht. Die Abfindungszahlung sei nach § 34 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) zu besteuern.
Die Kläger wurden antragsgemäß veranlagt. Im Bescheid vom 19.01.2016 setzte der Beklagte einen Arbeitslohn des Klägers in Höhe von insgesamt X EUR an. Bei der Berechnung der Steuer behandelte er X EUR als außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 1 EStG. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
In einer Bescheinigung vom 16.05.2018 teilte die britische Steuerbehörde „HM Revenue & Customs” mit, die „pension lump sum” sei normalerweise steuerfrei „normally tax free”). Auf Nachfrage des Klägers erklärte die HM Revenue & Customs mit Schreiben vom 26.08.2018, dass die dem Kläger gewährte termination grant/pension lump sum nicht besteuert worden sei.
Mit Schreiben vom 09.07.2018 beantragten die Kläger, den Bescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 2 Abgabenordnung (AO) zu ändern und beriefen sich auf die Bescheinigung der HM Revenue & Customs vom 26.08.2018. Da Vergütungen im öffentlichen Dienst nach Art. 18 Abs. 1 DBA-GB nur vom Staat des Dienstherrn besteuert werden dürften, sei die Abfindungszahlung steuerfrei zu stellen. Dies sei im deutschen Recht in § 50d Abs. 8 EStG geregelt.
Der Beklagte führte zunächst aus, dass die Einkünfte in Großbritannien tatsächlich nicht besteuert worden seien, sei bei Durchführung der Veranlagung bekannt gewesen. Allerdings sei der Bescheid fehlerhaft, weil auch bei einer Freistellung in Großbritannien die Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 Buchst. a) DBA-GB nicht vorlägen (Hinweis auf BMF-Schreiben vom 20.06.2013 Tz. 2.3). Insofern sei er, der Beklagte, zu Unrecht der Erklärung der Kläger gefolgt. Es liege eine falsche Rechtsanwendung vor, weshalb die Voraussetzungen des § 50d Abs. 8 EStG, § 175 Abs. 1 Satz 2 AO nicht gegeben seien.
Nachdem die Kläger an ihrem Begehren festgehalten hatten, lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 13.12.2018 ab und begründete die Ablehnung wie folgt: Eine Änderungsvorschrift unmittelbar aus der AO gebe es nicht. § 50d Abs. 8 EStG komme nicht zur Anwendung. An der zunächst geäußerten Rechtsauffassung, dass Art. 23 Abs. 1 Buchst. a) DBA-GB nicht anwendbar sei, werde ausdrücklich nicht festgehalten. Das Wort „...