Rz. 3
In Not- und außergewöhnlichen Fällen darf der Arbeitgeber von den Vorschriften des ArbZG zur werktäglichen Arbeitszeit (§ 3), Ruhepausen (§ 4), Ruhezeit (§ 5), Nachtarbeit (§ 6 Abs. 2) und zur Sonn- und Feiertagsruhe (§§ 9–11) abweichen. Gelten bereits abweichende tarifvertragliche Regelungen, darf auch von diesen abgewichen werden, soweit sie die §§ 3–6 betreffen (§ 7).
§ 14 gestattet dem Arbeitgeber damit die Beschäftigung von Arbeitnehmern in Situationen, die unabhängig vom Willen der Betroffenen eintreten und deren Folgen nicht auf andere Weise beseitigt werden können. Dabei müssen diese Situationen nicht zwangsläufig beim Arbeitgeber eintreten, sie können auch beim Kunden oder Auftraggeber vorliegen.
2.1 Notfälle
Rz. 4
Ein Notfall ist ein für den Betrieb widriges, ungewöhnliches, unvorhergesehenes und vom Willen des Betroffenen unabhängig und plötzlich eintretendes Ereignis, das die Gefahr eines unverhältnismäßigen Schadens mit sich bringt. Es muss nicht zugleich ein öffentlicher Notstand oder ein öffentliches Interesse an der Durchführung der Arbeiten vorliegen. Entscheidend ist, dass der Eintritt des Ereignisses so plötzlich und schnell geschehen muss, dass die Folgen auch von einem sorgfältigen Unternehmer nicht mehr rechtzeitig unter Beachtung der arbeitszeitrechtlichen Vorgaben abgewandt werden können.
Rz. 5
Zu den Notfällen gehören insbesondere Fälle höherer Gewalt, wie etwa Erdbeben, Überschwemmungen, Brände, Stürme, Explosionen, Totalausfälle von Maschinen, plötzlich eintretender Frost und andere Naturereignisse. Außerdem sind Notfälle auch ungewöhnliche Todesfälle, Erkrankungen oder Unfälle.
Rz. 6
Ein Notfall ist hingegen i. d. R. zu verneinen, wenn das Ereignis als Folge fehlerhafter Entscheidungen des Arbeitgebers eintritt oder der Arbeitgeber mit dem Eintritt der Situation bei sorgfältiger Prüfung hätte rechnen können. Es ist zu fragen, ob der Arbeitgeber etwa Bereitschaftsdienste oder eine ausreichende Personalreserve hätte vorhalten oder auch kurzfristig Zeitarbeitnehmer hätte einsetzen können. Auch die Einführung von Rufbereitschaft kann eine geeignete Vorkehrung sein. Nach überwiegender Auffassung in der Literatur soll es deshalb bei in der Sphäre des Arbeitgebers vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführten Ereignissen an einem Notfall fehlen. Baeck/Deutsch/Winzer weisen jedoch zu Recht darauf hin, dass fahrlässige Fehldispositionen, deren Folgen nicht ohne Weiteres vorhersehbar waren und wie sie in jedem Betrieb vorkommen können, durchaus zu Notfällen führen können. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Krise zusätzlich durch andere Ereignisse mitverursacht oder noch verstärkt wird.
Regelmäßig eintretende Krisensituationen sind keine Notfälle, sie müssen durch eine entsprechende betriebliche Organisation bewältigt werden. Dies gilt etwa im Falle von strukturellen Mängeln eines Dienstplans.
Das Vorliegen eines Notfalls ist auch bei im gewöhnlichen Betrieb einer EDV-Anlage auftretenden Störungen verneint worden. Angesichts der stetig wachsenden Komplexität solcher Anlagen und der zunehmenden Abhängigkeit von ihrem Funktionieren (etwa auch im Hinblick auf Hacker-Attacken) dürfte diese Aussage so pauschal heute nicht mehr gelten.
Der streikbedingte Ausfall von Arbeitskräften kann nach den Umständen des Einzelfalls einen Notfall darstellen. Ein solcher liegt nicht bereits dann vor, wenn es wegen des Streiks eines Teils der Belegschaft zu Produktionseinbußen kommt, die keine deutlich darüber hinausgehenden nachteiligen Folgen für den Betrieb nach sich ziehen. Bei diesen Produktionseinbußen handelt es sich um typische Beeinträchtigungen durch Arbeitskampfmaßnahmen. Etwas anderes gilt bei schwerwiegenden Streikfolgen, etwa im Falle der Existenzgefährdung des Betriebs.