Rz. 36

In § 7 Abs. 2 Nr. 1 wird die Anpassung der Ruhezeiten bei Vorliegen von Rufbereitschaft – unabhängig in welcher Branche – auf die Besonderheiten dieses Dienstes in Abweichung zu § 5 Abs. 1 ArbZG erlaubt, wenn dies durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags durch eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung geregelt wird. Insbesondere ist dabei der Ausgleich der Kürzungen der Ruhezeiten infolge der Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft zu anderen Zeiten als durch § 5 Abs. 1 ArbZG erfasst.

 

Rz. 37

Der Begriff der Rufbereitschaft wird als Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich zu Hause oder an einem anderen Ort seiner Wahl bereitzuhalten, um auf Anforderung des Arbeitgebers die Arbeit zeitnah aufnehmen zu können, definiert.[1]

Die Rufbereitschaft stellt Teil der Ruhezeit dar. Die Aufnahme der Arbeit – auch wenn sie nur von kürzester Dauer ist – während der Rufbereitschaft hat grundsätzlich zur Folge, dass dem Arbeitnehmer im Anschluss eine weitere Ruhezeit von 11 Stunden zu gewähren ist.

 

Rz. 38

§ 7 Abs. 2 Nr. 1 erlaubt es, die Ruhezeiten anzupassen und insbesondere die Zeit der Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft zu einer anderen Zeit auszugleichen. Unter die Anpassungen, die durch Abs. 2 Nr. 1 ermöglicht werden, fällt beispielsweise auch der Verzicht auf das Merkmal "ununterbrochen"[2], sodass die Zeit der Inanspruchnahme nach Ablauf des Rufbereitschaftsdienstes hinzuaddiert werden kann und die Inanspruchnahme damit nicht eine erneute Pflicht zur Einhaltung der 11-stündigen Ruhezeit auslöst, sondern lediglich um den Zeitraum verlängert wird, der zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes erforderlich ist.

 

Rz. 39

Der Zeitausgleich kann erfolgen durch verlängerte Pausen, freie Tage oder Verkürzung der Arbeitstage.[3] Eine Abweichung dahingehend, dass durch Anpassung der Ruhezeiten eine Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit erreicht wird, ist nicht möglich. Dies kann nur unter den Voraussetzungen der hierfür vorgesehenen Möglichkeiten nach Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 durchgeführt werden.

 

Rz. 40

Zu beachten ist jedoch, dass nach der Rechtsprechung auch durch Tarifnorm eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 6 Stunden zu gewähren ist, da anderenfalls dem Arbeitnehmer ein die allgemeine menschliche Leistungsfähigkeit und die Zumutbarkeit übersteigendes Arbeitspensum abverlangt wird und damit ein Verstoß gegen die Menschenwürde vorliegt.[4]

 

Rz. 41

 
Praxis-Beispiel

Unterbrochene Ruhezeit

Für die IT-Mitarbeiter eines Unternehmens gilt eine wechselnde Rufbereitschaft von 19.00 Uhr bis 8.00 Uhr am Folgetag. Wird ein Einsatz eines Mitarbeiters um 4.00 Uhr für 30 Minuten erforderlich, dürfte er nach den allgemeinen Regeln (§ 5 Abs. 1 ArbZG) die Arbeit erst wieder um 15.30 Uhr aufnehmen. Enthält der Tarifvertrag eine abweichende Regelung nach § 7 Abs. 2 Nr. 1, dass die Ruhezeit nicht ununterbrochen vorliegen muss, wenn mindestens 6 Stunden ununterbrochen sind, wäre der Einsatz des IT-Mitarbeiters und seine normale Arbeitsaufnahme um 8.00 Uhr rechtmäßig. Durch die Zeiten vor (19.00 Uhr bis 4.00 Uhr = 9 Stunden) und nach dem Einsatz (4.30 Uhr bis 8.00 Uhr = 3,5 Stunden) ist die Ruhezeit ausreichend gewährleistet. Durch die 9-stündige Ruhezeit vor dem Einsatz wird auch die ununterbrochene Ruhezeit von 6 Stunden sichergestellt.

[1] Siehe Frik, § 2 ArbZG, Rz. 19 ff.
[2] Baeck/Deutsch, § 7 ArbZG, Rz. 87.
[3] Neumann/Biebl, § 7 ArbZG, Rz. 34.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge