Nach Aufgabe der Kernbereichstheorie[1] ist eine Abwägung nur mit entgegenstehenden Grundrechten zu treffen. Zulässig ist daher die Verteilung von Informationsmaterial[2] und von Gewerkschaftszeitungen an alle Mitarbeiter, auch per E-Mail[3] an deren dienstliche Adressen,[4] sowie das Aushängen von Plakaten. Insbesondere kann die Verteilung auch während der Arbeitszeit stattfinden. Wo Plakate aufzuhängen sind, ist mit dem Arbeitgeber abzusprechen, sofern dafür andere Orte als das Schwarze Brett des Betriebsrats genutzt werden. Steht dem Betriebsrat ein betriebsinternes Informationsmedium wie das Intranet zur Verfügung, ist es zulässig, dieses mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften zu verlinken und auf besondere Aktivitäten, z. B. anlässlich von Tarifverhandlungen, gesondert hinzuweisen.[5]

Die Entscheidung des BAG, wonach ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern untersagen könne, gewerkschaftliches Werbematerial über die hausinternen Postfächer für die Betriebsabteilungen zu verteilen, dürfte nach Aufgabe der Kernbereichslehre durch das BVerfG nicht mehr aufrechtzuerhalten sein.[6] Information und Werbung für eine bestimmte Gewerkschaft oder für Gewerkschaften überhaupt dürfen im Betrieb nicht durch den Betriebsrat als solchen (als Organ), wohl aber durch gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer – z. B. gewerkschaftliche Vertrauensleute –, ebenso durch einzelne Betriebsratsmitglieder, erfolgen. Soweit keine nachhaltige Störung vom Arbeitsablauf oder des Betriebsfriedens besteht, ist gewerkschaftliche Werbung auch während der Arbeitszeit zulässig und stellt demnach keine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar.[7]

Das Tragen von gewerkschaftlichen Plaketten, Buttons oder Anstecknadeln an der Kleidung (auch an der Arbeitskleidung, wenn diese dadurch nicht beschädigt wird), auch während der Arbeitszeit, ist zulässig. Gewerkschaftsmitglieder haben auch am Arbeitsplatz das Recht auf ein persönliches Bekenntnis zu ihrer Gewerkschaft.[8] Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer in Kontakt zu Kunden des Arbeitgebers steht oder in der Öffentlichkeit tätig ist.[9]

[1] Zum Ganzen siehe Düwell, BetrVG § 74, Rz. 22; BVerfG, Beschluss v. 14.11.1995, 1 BvR 601/92.
[2] Düwell BAG, Beschluss v. 12.6.1986, 6 ABR 67/84, NZA 1987, 153; Jansen AiB 2015, Nr. 6, 43.
[3] BAG, Urteil v. 20.1.2009, 1 AZR 515/08; ausführlich Däubler, Wolfgang: Interessenvertretung durch Betriebsrat und Gewerkschaften im digitalen Betrieb, HSI-Schriftenreihe, Frankfurt am Main.
[5] Düwell; zu entsprechenden Individualrechten von Beschäftigten und gewerkschaftlichen Vertrauensleuten: LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 1.12.2000, 6 Sa 562/99; ArbG Wiesbaden, Urteil v. 10.9.2003, 3 Ca 230/03; ArbG Brandenburg, Urteil v. 1.12.2004, 3 Ca 1231/04-.
[7] LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 1.12.2000, 6 SA 562/99; Däubler/Klebe/Wedde, BetrVG, § 2, Rz. 122 m. w. N.
[9] Däubler 123; Arbeitsgericht Hamburg 19.4.2012, 7 Ga 5/12; LAG Berlin, Urteil v. 21.12.1987, 5 Sa 119/87.

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