vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [I R 15/18)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerungsrecht für Einkünfte eines Auslandsmitarbeiters bei kombifinanzierten Entwicklungshilfeprojekten
Leitsatz (redaktionell)
1. Einkünfte eines beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmers, der als sogenannter Auslandsmitarbeiter im Rahmen eines gemischt finanzierten (teils aus deutschen öffentlichen Mitteln, teils aus EU-Mitteln) Projekts für die Entwicklungshilfe in Tunesien tätig ist, unterliegen nicht der deutschen Besteuerung. Sie fallen nicht unter die sog. Entwicklungshelfer-Klausel des Art. 19 Abs. 3 DBA-Tunesien.
2. Aufgrund der vorzunehmenden projektbezogenen Betrachtungsweise des Art. 19 Abs. 3 DBA-Tunesien muss sich die ausschließlich deutsche Finanzierung notwendigerweise auch auf das jeweilige Einzelprojekt beziehen.
Normenkette
DBA-Tunesien Art. 19 Abs. 3, Art. 15 Abs. 1; EStG § 49 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b
Streitjahr(e)
2017
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage der Besteuerung nach der sog. Entwicklungshelfer-Klausel – EZ-Klausel) im Sinne des Art. 19 Abs. 3 DBA Tunesien.
Mit Haftungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für den Zeitraum 2016 vom 06.12.2017 nahm der Beklagte die Klägerin i.H.v. 7.502,78 € Lohnsteuer und 412,60 € Solidaritätszuschlag in Anspruch.
Folgender – zwischen den Beteiligten unstreitiger – Sachverhalt liegt dem zu Grunde:
Die Klägerin beschäftigt den Arbeitnehmer A als sog. Auslandsmitarbeiter für die Entwicklungshilfe in Tunesien. Dieser hat dort seinen Wohnsitz und ist in Deutschland beschränkt einkommensteuerpflichtig.
Der Arbeitnehmer der Klägerin war im Streitjahr für folgende beiden Projekte tätig:
1. B in Tunesien“
Und
2. C.
Das Projekt zu 1.) wurde zu 100 % vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert. Die hierauf aufgewandte Arbeitszeit des Arbeitnehmers betrug 24,83 %. Das Projekt zu 2.) wurde zu 51,29 % aus deutschen öffentlichen Mitteln finanziert und zu 48,71 % aus Mitteln der Europäischen Union (sog. kombifinanziertes Projekt). Die Arbeitszeit für dieses Projekt betrug 75,16 %.
Die Inanspruchnahme der Klägerin durch Haftungsbescheid wurde damit begründet, dass diese Lohnsteuer in unzutreffender Höhe einbehalten und abgeführt habe und gleiche oder ähnliche Berechnungsfehler bei einer größeren Zahl von Arbeitnehmern gemacht worden seien. In einer Anlage zum Haftungsbescheid führt die Beklagte aus, dass der Arbeitnehmer als beschränkt Steuerpflichtiger Einkünfte gemäß § 49 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b Einkommensteuergesetz – EStG – erziele. Wegen des Auslandsbezugs komme das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen Deutschland und Tunesien zur Anwendung (DBA Tunesien). Das DBA Tunesien enthalte eine sog. erweiterte Kassenstaatsklausel (Entwicklungshelferklausel). Nach dem Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 DBA Tunesien müsse die geleistete Vergütung ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bereitgestellt werden, d.h. aus Mitteln des Bundes, der Länder oder einer sonstigen juristischen Person des öffentlichen Rechts. Entscheidend sei die Quelle der Vergütung, nicht die Zahlstelle.
Mit Urteil vom 07.07.2015 I R 42/13 habe der BFH in einem Fall zum DBA Indonesien entschieden, dass dem Ausschließlichkeitserfordernis des Art. 19 Abs. 3 DBA Indonesien auch dann Genüge getan sei, wenn nur ein Teil der Vergütung aus öffentlichen Mitteln stamme. Das dieser Teilvergütung zugrunde liegende Entwicklungshilfeprojekt müsse dabei aber ausschließlich aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Der BFH vertrete damit bei Anwendung der erweiterten Kassenstaatsklausel eine projektbezogene Sichtweise. Hierzu spalte der BFH die Gesamtvergütung in einzelne Vergütungsteile auf, wenn der Steuerpflichtige in unterschiedlichen Projekten tätig sei (laut BFH “vertikale Abspaltung”). Ob innerhalb eines Entwicklungshilfeprojekts, das nicht ausschließlich durch öffentliche Mittel finanziert werde, eine Besteuerung der durch öffentliche Mittel finanzierten Vergütungen über Art. 19 Abs. 3 DBA Indonesien möglich sei (laut BFH “horizontale Abspaltung”), habe der BFH mangels Entscheidungserheblichkeit nicht entschieden.
Die Grundsätze des Urteils sprächen jedoch dafür, die öffentlich finanzierten Vergütungsteile bei der inländischen Besteuerung zu berücksichtigen, da auch hier eine entsprechende Zuordnung nur dieser Vergütungsteile zur Entwicklungshilfeklausel möglich sei. Für die verbleibenden Vergütungsteile habe der Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht (Art. 15 DBA Indonesien). Der Wortlaut des DBA Indonesien erfordere es nicht, dass das jeweilige Entwicklungshilfeprojekt vollständig aus öffentlichen Mitteln finanziert sein müsse. Dass dem Ausschließlichkeitsmerkmal der Entwicklungshilfeklausel dadurch lediglich klarstellende Bedeutung zukomme – nämlich sämtliche öffentlich finanzierten Vergütungsteile zu besteuern – hänge entscheidend mit der Systematik des Art. 15 Abs....