Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen des Anspruchs einer teilzeitbeschäftigten Flugbegleiterin auf Aufstockung der Arbeitszeit auf 100 %
Leitsatz (redaktionell)
1. § 9 TzBfG begründet bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Verlängerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit.
2. Die Entscheidung des Arbeitgebers, weitere Teilzeitarbeitsplätze einzurichten, anstatt die Arbeitszeiten aufstockungswilliger Arbeitnehmer zu verlängern, stellt eine Umgehung des § 9 TzBfG dar. Die Nichtberücksichtigung eines aufstockungswilligen Arbeitnehmers bedarf vielmehr eines arbeitsplatzbezogenen Sachgrundes. Ein solcher setzt wiederum ein in sich schlüssiges Konzept des Arbeitgebers voraus.
3. Zwar können starke saisonale Schwankungen des Flugverkehrs einen arbeitsplatzbezogenen Sachgrund darstellen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Arbeitgeber ein entsprechendes Teilzeitkonzept durchgängig verfolgt (hier: verneint).
Normenkette
TzBfG § 9
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 07.05.2019; Aktenzeichen 16 Ca 8572/18) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 7. Mai 2019 - Az. 16 Ca 8572/18 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, der Erhöhung der Arbeitszeit auf 100 % der Vollzeitbasis ab dem 1. August 2018 zuzustimmen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 29% und die Beklagte zu 71% zu tragen. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Klägerin 54% und die Beklagte 46% zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, die Arbeitszeit der Klägerin zu erhöhen sowie über damit zusammenhängende Zahlungsansprüche.
Die Beklagte ist ein Luftfahrtunternehmen mit weit mehr als 15 Mitarbeitern. Bei ihr sind sowohl Flugbegleiter in Vollzeit als auch in Teilzeit tätig.
Die am xx. xx. 1980 geborene Klägerin ist bei der Beklagten auf Grundlage des Arbeitsvertrags vom 31. Oktober 2016 seit dem 1. November 2016 als Flugbegleiterin mit Stationierungsort Frankfurt am Main unter Zuordnung zum 1737. Lehrgang mit einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung iHv. 2.100,00 EUR beschäftigt. Die Klägerin wird jedenfalls auf den Flugzeugmustern A320, A340 und B747 eingesetzt.
Der Arbeitsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
„1. Beginn, Art und Ort der Beschäftigung
Frau A wird ab dem 01. November 2016 als Flugbegleiterin in Frankfurt am Main beschäftigt. (…)
B kann Frau A an einem anderen Ort sowie vorübergehend bei einem anderen Unternehmen einsetzen.
2. Arbeitszeit und Urlaub
Frau A wird in das Modell 8/4 gemäß TV Saisonalitätsmo-delle Kabine vom 05. Juni 2015 eingestellt.
Der Beschäftigungsquotient über das Kalenderjahr beträgt in diesem Modell 83 % der Vollzeitbasis. (...).
3. Rechte und Pflichten
(…)
Für das Arbeitsverhältnis gelten des Weiteren die für die B kraft ihrer Tarifgebundenheit jeweils einschlägigen, für den Bereich Kabinenbesatzungen für die Mitarbeitergruppe der SMKler (Saisonalitätsmodelle Kabine) geltenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung, soweit im Folgenden nichts anders vereinbart ist. (…)"
Auf den weiteren Inhalt des Arbeitsvertrages wird Bezug genommen (Anlage K1, BI. 7-10 d.A.). Das Teilzeitmodell 8/4 wird dergestalt umgesetzt, dass die Klägerin in den Monaten März bis einschließlich Oktober Vollzeit fliegt und in den Monaten November bis einschließlich Februar jeweils 15 zusätzliche Freistellungstage erhält.
Mit Schreiben vom 2. Juli 2018 beantragte die Klägerin eine Erhöhung ihrer Arbeitszeit auf 100 % der Vollzeitbasis ab dem 1. August 2018 (Anlage K3, Bl. 13 d. A). Die Beklagte lehnte die Arbeitszeiterhöhung mit Schreiben vorn 12. Juli 2018 ab (Anlage K4, Bl. 14 d. A.).
In einem Merkblatt zur Teilzeitvergabe 2018, Stand Juli 2017 (Anlage K11, Bl. 134 d.A.) heißt es wie folgt:
„(…)
Auch für 2018 haben Sie, sofern ihr Arbeitsverhältnis vollumfänglich unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für das Kabinenpersonal fällt, die Möglichkeit für das kommende Jahr ein neues Arbeitszeitmodell (Teilzeit oder Vollzeit) zu beantragen.
(…)
Bitte beachten Sie, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die unter dem Geltungsbereich des Tarifvertrags Jahresarbeitszeitmodell Kabine und des Tarifvertrages Saisonalitätsmodell Kabine beschäftigt sind, von dieser Teilzeitjahresvergabe ausgeschlossen sind. (…)“
Im Jahr 2018 wurden durch die Beklagte auf Grundlage der „Betriebsvereinbarung „Ready-Entry"-Modalitäten für den Wechsel von C-Flugbegleitern zur B" vom 1. August 2017 (Anlage K12, Bl. 135-138 d. A.; im Folgenden: „BV Wechsel GW") Flugbegleiter der Konzerntocher C übernommen. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Einstellungen in Vollzeit oder in Teilzeit erfolgten.
§ 2 BV Wechsel GW lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 2 Einstellungsvoraussetzungen
Für die Einstellung erfahrener Flugbegleiter der C gelten die bei der B üblichen Einstellungsvoraussetzungen....