Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Kapitäns auf Reduzierung der jährlichen Arbeitszeit für das beklagte Luftfahrtunternehmen als Flugzeugführer

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Arbeitgeber ist gemäß § 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG zur Zustimmung der Arbeitszeitverringerung verpflichtet, wenn keine betrieblichen Gründe entgegenstehen. Ein solcher ist anzunehmen, soweit die Umsetzung des Arbeitszeitverlangens zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Organisation, des Arbeitsablaufs oder der Betriebssicherheit führt bzw. unverhältnismäßige Kosten produziert. Der Umstand, dass eine vom Arbeitnehmer begehrte Teilzeit keines der vom Arbeitgeber angebotenen Teilzeitmodellen entspricht, steht seinem Teilzeitverlangen nicht entgegen.

 

Normenkette

TzBfG § 8; BGB § 311a Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 25.01.2023; Aktenzeichen 9 Ca 3420/22)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 25. Januar 2023 - 9 Ca 3420/22 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Reduzierung der jährlichen Arbeitszeit des seit 19. Mai 2011 für das beklagte Luftfahrtunternehmen als Flugzeugführer, derzeit als First Officer ("FO") auf dem Flugzeugmuster A330/340 mit Stationierungsort Frankfurt am Main, beschäftigten Klägers.

Mit Schreiben vom 5. April 2022 beantragte er bei der Beklagten die Verringerung und Neuverteilung seiner Arbeitszeit beginnend ab dem 1. August 2022 (Anlage K3). Diese lehnte das Teilzeitbegehren mit Schreiben vom 24. Juni 2022 ab (Anlage K4).

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, einer Reduzierung seiner jährlichen Arbeitszeit um 9,04 % auf 90,96 % der geschuldeten Vollarbeitszeit durch Freistellung vom 16. bis 20. April, 2. bis 7. Juni, 13. bis 26. August, 14. bis 16. Oktober, 22. bis 26. Dezember eines jeden Jahres, ab dem 1. August 2022, zuzustimmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage durch am 25. Januar 2023 verkündetes Urteil (- 9 Ca 3420/22 -) stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Teilzeitbegehren stünden keine betrieblichen Gründe iSd. § 8 Abs. 4 Satz 1 TzBfG entgegen. Jedenfalls sei auf der dritten Stufe festzustellen, dass weder die vom Kläger gewünschte Arbeitszeitreduzierung noch sein Verteilungswunsch das von der Beklagten behauptete betriebliche Organisationskonzept wesentlich beeinträchtige. Der Verweis auf die von ihr ermittelten Kapazitätsgrenzen genüge nicht. Unabhängig davon, dass diese Kapazitätsgrenze für den Stationierungsort München gelte, der Kläger aber in Frankfurt stationiert sei, ergebe sich aus dem Vortrag der Beklagten auch nicht, wie die Beklagte die konkrete Kapazitätsgrenze von 22,0 FO ermittelt habe und wie sich die behauptete Unterdeckung in den einzelnen Monaten errechne. Aus dem Vorbringen ergebe sich auch nicht, welches Beschäftigungsvolumen 22,0 FO entspreche und was die jeweiligen Unterdeckungen in Bezug auf Arbeitszeit oder Personal beinhalte. Soweit die Beklagte vorgetragen habe, im Zeitraum vom 31. August bis 4. September 2022 habe sie in Frankfurt sieben A330/A340 Interkontflüge aus dem Programm nehmen müssen, um kurzfristige Flugstreichungen der laufenden Ops zu vermeiden, fehle es an einem substantiierten Vortrag der Beklagten zu den Hintergründen der erfolgten Flugstreichungen im Einzelnen. Dass diese allein auf die Gewährung von Teilzeit zurückzuführen gewesen seien, ergebe sich aus dem Vortrag der Beklagten nicht.

Dem Verringerungsverlangen des Klägers stehe auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen. Die von ihm begehrte Reduzierung der Arbeitszeit sei nicht derart unerheblich, dass auf einen Rechtsmissbrauch zu schließen wäre. Dass bei der begehrten Freistellung auch Freistellungszeiträume in den hessischen Sommerferien begehrt würden, in denen mit erhöhten Urlaubswünschen anderer Mitarbeiter zu rechnen sei, stelle sich für sich genommen ebenfalls nicht als rechtsmissbräuchlich dar. Die Regelung des § 8 TzBfG mache die begehrte Arbeitszeitreduzierung auch nicht vom Vorliegen entgegenstehender Interessen anderer Arbeitnehmer abhängig. Zu berücksichtigen sei schließlich auch, dass die Beklagte ausweislich ihres Merkblatts zur Teilzeit ebenfalls keine bestimmten Zeiträume aus der möglichen Teilzeitgewährung ausnehme.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 24. April 2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 4. Mai 2023 Berufung eingelegt und diese am 26. Juni 2023 - einem Montag - begründet.

Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für unrichtig. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen und vertritt die Auffassung, es gebe im Bordbereich keine "Ja...

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