Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindungsanspruch: aus unwirksamem Sozialplan, aus Gesamtzusage. Schadensersatz des dem Sozialplan mit einem nicht mehr existenten Betriebsrat schließenden Insolvenzverwalters. Keine Ansprüche der Arbeitnehmer aus einem unwirksamen Sozialplan

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Schließt ein Insolvenzverwalter mit einem Betriebsrat, dessen Amtszeit abgelaufen war, einen Sozialplan, ist dieser unwirksam, da das Handeln einer nicht (mehr) existenten Arbeitnehmervertretung unbeachtlich ist.

2. Zwar kann eine unwirksame Betriebsvereinbarung ausnahmsweise gemäß § 140 BGB in eine Gesamtzusage umgedeutet werden; allein eine irrtümlich fehlerhafte Normanwendung ohne das Vorhandensein besonderer Umstände führt nicht zu einem solchen Willen des Arbeitgebers.

3. Bei einem Insolvenzverwalter, der bei Ausübung seines Amtes allen Gläubigern gleichermaßen verpflichtet und erheblichen Haftungsrisiken ausgesetzt ist, kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass er Verpflichtungen eingeht, für die keine normative Grundlage besteht.

4. Die Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters vor Abschluss eines Sozialplans mit einem nicht mehr existenten Betriebsrat das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht sorgfältig geprüft zu haben, führt nicht zu einem Schadensersatzanspruch der Arbeitnehmer in Höhe der entgangenen Sozialplanabfindung gemäß §§ 60, 61 InsO.

 

Normenkette

BetrVG § 112; BGB § 140; InsO §§ 60-61; BetrVG § 21; BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 26.01.2011; Aktenzeichen 1 Ca 353/10)

 

Tenor

Das Versäumnisurteil vom 21. Februar 2012, Az.: 12 Sa 281/11, wird aufrecht erhalten.

Der Kläger hat die Kosten der Säumnis zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung.

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der A in B. Das Insolvenzverfahren wurde durch Beschluss des Amtsgerichts C vom 29.07.2010 eröffnet (Bl. 118 d.A.). Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt Arbeitnehmer der Schuldnerin und verdiente zuletzt € 3.038,82 brutto monatlich.

Der Beklagte war zunächst am 25.06.2010 (Bl. 7 d.A.) zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden. Die Gesellschafterin der Schuldnerin wies beim Erscheinen der für den Beklagten tätigen Mitarbeiter darauf hin, dass im Betrieb ein Betriebsrat, gebildet aus dem Vorsitzenden P. und seinem Stellvertreter, dem Kläger bestehe. Am 29.06.2010 stellten sich beide den Mitarbeitern des Beklagten als der Betriebsrat vor. Dabei übergaben sie eine Mitarbeiterliste (Bl. 109 d.A.), auf der insgesamt 26 Arbeitnehmer vermerkt waren. Zu sechs Mitarbeitern, alle als pauschal versteuerte Aushilfen geführt, war angegeben, dass sie zum 31.05. 2010 ausgeschieden sind.

Der Beklagte zeigte bereits in seinem am 29.07.2010 noch vor Insolvenzeröffnung vorgelegten Gutachten Masseunzulänglichkeit an (Bl. 59 d.A.). Schon am 28.07.2010 nahmen die Mitarbeiter des Beklagten - da der Vorsitzende sich in Urlaub befand - mit dem Kläger als stellvertretendem Vorsitzenden des Betriebsrats Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan auf, die am 30.07. 2010 nach Insolvenzeröffnung mit dem Abschluss entsprechender Vereinbarungen (Bl. 110-114 u. 121-125 d.A.) endeten. Der Sozialplan enthält in § 3 Ziff. 3.1.- 3.6. Regelungen zum Sozialplanvolumen, zur Berechnung, zur Fälligkeit und zur Höchstgrenze der Sozialplanabfindungen. Als Höchstbetrag sind 2,5 Bruttomonatsverdienste vorgesehen. Für die Einzelheiten der Abfindungsregelung wird auf Bl. 122-124 d.A. Bezug genommen. Am Tage der Insolvenzeröffnung beschloss der Beklagte, den Betrieb umgehend stillzulegen und sprach gegenüber 15 Mitarbeitern - darunter der Kläger - am 30.07.2010 betriebsbedingte Kündigungen aus, eine weitere am 15.09.2010. Weitere vier Mitarbeiter schieden mit Aufhebungsverträgen aus. Die Masseunzulänglichkeit bestand im Mai 2012 fort.

Mit Schreiben vom 12.09.2010 teilte der bis dahin als stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrats fungierende Kläger dem Beklagten mit, dass nach Ende der letzten Wahlperiode am 31.05.2010 kein neuer Betriebsrat mehr gewählt worden sei (Bl. 126 d.A.). Darauf erwiderte der Beklagte, dass er Abfindungen aus einem nicht wirksam zustande gekommenen Sozialplan nicht leisten könne und erklärte sich auf die Anfrage des Klägers gleichzeitig einverstanden, die Frage des rechtswirksamen Zustandekommens des Sozialplans gemäß § 80 BetrVG durch einen Sachverständigen klären zu lassen (Bl. 127 d.A.). Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 11.10.2010 (Bl. 16 d.A.) forderte der Kläger von dem Beklagten eine Abfindungszahlung in Höhe von 2,5 Bruttomonatsgehältern. Er hat dabei die Ansicht vertreten, dass ihm der Anspruch trotz Unwirksamkeit des Sozialplans auf der Grundlage einer Gesamtzusage seitens des Beklagten zustehe. Der Beklagte lehnte den Anspruch mit Schreiben vom 1.11.2010 ab.

Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und ...

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