Rz. 9
Bis zum 31.12.2010 waren erwerbsfähige Hilfebedürftige, die von einem Träger nach dem SGB II Arbeitslosengeld II beziehen (vgl. § 19 SGB II), nach § 3 Satz 1 Nr. 3a (a. F.) grundsätzlich rentenversicherungspflichtig, ohne dass es darauf angekommen wäre, ob vor Beginn der Leistung zuletzt Versicherungspflicht bestanden hat. Damit wurden auch die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in die Versicherungspflicht einbezogen, die ohne Anspruch auf Arbeitslosenhilfe als Sozialhilfeempfänger nicht rentenversicherungspflichtig waren (zu der Beitragstragung s. § 170 Abs. 1 Nr. 1; wegen der Folgekosten vgl. bei Göhde, Mitteilungen der LVA Rheinprovinz 2005, 42, 49). Ausnahmen von der Versicherungspflicht machte § 3 Satz 1 Nr. 3a HS 2, eine Befreiung kam nur nach § 6 Abs. 1b in Betracht; diese Vorschriften wurden zum 1.1.2011 aufgehobenen (Art. 19 Nr. 7 HBeglG 2011 v. 9.12.2010).
Unabhängig von der Höhe des tatsächlich bezogenen Arbeitslosengeldes II waren die beitragspflichtigen Einnahmen dieses Personenkreises bis zum 31.12.2006 auf 400,00 EUR festgesetzt worden. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung konnte unter Berücksichtigung des Urteils des BSG v. 14.3.2006 (B 4 RA 55/04 R, SozR 4-2600 § 166 Nr. 2) weder unter dem Aspekt des Eigentumsschutzes (Art. 14 GG) noch unter den Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG) oder des allgemeinen Gleichheitssatzes fraglich sein (vgl. dazu auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 12.2.2007, L 20 AS 84/06). Ab dem 1.1.2007 betragen die beitragspflichtigen Einnahmen monatlich (vgl. die Klarstellung durch Art. 1 Nr. 45 des RV-Anpassungsgesetzes v. 20.4.2007) nur noch 205,00 EUR (vgl. Art. 2 Nr. 2a des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 24.3.2006).
Die Neuregelung, die aufgrund der Beschlussempfehlung des AfArbSoz (Drs. 16/688 v. 15.2.2006) eingefügt worden ist, sollte entsprechend dem Koalitionsvertrag den Beitrag für die gesetzliche Rentenversicherung der Bezieher von Arbeitslosengeld II von 78,00 EUR pro Monat auf 40,00 EUR pro Monat senken. Die Begründung (Drs. 16/688) sah, dass dies zu geringeren Leistungsansprüchen in der gesetzlichen Rentenversicherung führt, hob aber hervor, dass der Beitrag jedoch weiterhin gewährleiste, dass den Betroffenen der Anspruch auf die Rente wegen Erwerbsminderung erhalten bleibt. Wie die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits im Gesetzgebungsverfahren deutlich gemacht hatte, bewirken in der allgemeinen Rentenversicherung die Verminderung des monatlichen Beitrags von 78,00 EUR auf rund 40,00 EUR und der Wegfall der Versicherungspflicht für Bezieher von Arbeitslosengeld II, die zugleich andere Versicherungspflichttatbestände erfüllen, Beitragsausfälle i. H. v. rund 2,2 Mrd. EUR jährlich. Insgesamt entspreche dies etwa 0,2 Beitragssatzpunkten. Die Verringerung der monatlichen Beiträge führte zudem zu einer deutlichen Reduzierung der Rentenanwartschaften der Versicherten. Wurde Arbeitslosengeld II ein Jahr lang bezogen, ergab sich bis 31.12.2006 unter Berücksichtigung eines damaligen aktuellen Rentenwerts eine Rentenanwartschaft von 4,28 EUR monatlich. Nach der Änderung des § 166 Abs. 1 Nr. 2a waren es nur noch 2,19 EUR im Monat. Der Rentenanspruch aus dem Bezug von Arbeitslosengeld II wurde also fast halbiert. Der geringere Beitrag wirkt sich zudem auf die Höhe des Gesamtleistungswerts negativ aus und mindert damit den Wert der beitragsfreien Zeiten.
Rz. 9a
Der nächste Schritt wurde mit Wirkung zum 1.1.2011 vollzogen. Durch Art. 19 Nr. 2 HBeglG 2011 v. 9.12.2010 wurde die Versicherungspflicht für Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 3) abgeschafft. Als Folgeänderung wurde in Abs. 1 Nr. 2a das Wort Arbeitslosengeld II gestrichen. Die Begründung zu Art. 18 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (im HBeglG Art. 19) nennt zwar keine fiskalischen Gründe und hebt hervor, dass der Wegfall der Versicherungspflicht systemgerecht sei (BT-Drs. 17/3030 S. 51). Es ist aber unzweifelhaft, dass diese Regelung als eine der "Maßnahmen der Neujustierung mehrerer Sozialgesetze" (so die Formulierung in der Begründung des Gesetzentwurfs S. 23 zu A II) zur Entlastung des Bundeshaushalts beitragen soll, denn nach § 170 Abs. 1 Nr. 1 trug der Bund die Beiträge bei Beziehern von Arbeitslosengeld II. Nach dem Wegfall der Beitragszahlung für Bezieher von Arbeitslosengeld II sind Zeiten des Bezugs dieser Leistung also keine Pflichtbeitragszeiten mehr, sondern nur noch Anrechnungszeiten (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6). Durch diese werden zwar Lücken in der Versicherungsbiografie vermieden, die Anrechnungszeiten wegen Bezugs von Arbeitslosengeld II werden aber gemäß § 74 nicht bewertet, aus ihnen ergibt sich unmittelbar keine Erhöhung der Rente mehr. In der Regel ergibt sich dadurch laut der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 17/3030 S. 50 f. zu Art 18 des Entwurfs) eine Minderung der monatlichen Rentenzahlung von derzeit bis zu 2,09 EUR im Monat pro Jahr des Bezugs von Arbeitslosengeld II (Anmerkung: Der Vergleich bezieht...