0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift ist mit dem Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG) v. 7.8.1996 (BGBl. I S. 1254) am 1.1.1997 in Kraft getreten. Sie übernimmt teilweise die Regelungen des § 598 RVO. Abs. 1 Satz 4 wurde durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze v. 24.7.2003 (BGBl. I S. 1526) mit Wirkung zum 1.8.2003 geändert. Als Übergangsregelung ist § 217 Abs. 2 Satz 1 zu beachten. Danach ist § 598 RVO in der am 31.12.1985 geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn der Versicherte vor dem 1.1.1986 verstorben ist.

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Regelung soll, ausgehend von der Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenrenten, gewährleisten, dass die Renten in einem angemessenen Verhältnis zum früheren Einkommen des verstorbenen Versicherten stehen.

2 Rechtspraxis

2.1 Höchstbetrag

 

Rz. 3

Bei der Berechnung des Höchstbetrags nach Abs. 1 Satz 1 sind im ersten Schritt alle Hinterbliebenenrenten (Witwen-, Witwer- und Waisenrenten) ohne Abzug der Anrechnungsbeträge nach § 65 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5 Satz 2 und 3, § 68 Abs. 1 zu ermitteln. Wird der Vomhundertsatz des Jahresarbeitsverdienstes (JAV) überschritten, so werden sie anteilig gekürzt.

 

Rz. 4

 
Praxis-Beispiel

Der maßgebliche JAV des Versicherten beträgt 100.000,00 EUR. Davon sind 80 % = 80.000,00 EUR. Es sind die Witwe und 3 Waisen hinterbliebenenrentenberechtigt. Die Witwe ist mit 40 %, die Waisen mit 3-mal 20 % des JAV zu berücksichtigen. Die Kürzung führt dazu, dass für die Witwe der JAV 32.000,00 EUR statt 40.000,00 EUR und für die Waisen jeweils 16.000,00 EUR statt 20.000,00 EUR beträgt.

 

Rz. 5

Erst danach sind nach Abs. 1 Satz 2 im zweiten Schritt die Anrechnungen nach § 65 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5 Satz 2 und § 68 Abs. 1 vorzunehmen. § 65 Abs. 5 Satz 2 (Anrechnung bei wiederaufgelebten Witwen- und Witwerrenten) wird zwar in Abs. 1 Satz 2 nicht aufgeführt. Doch wäre es wohl kaum gerechtfertigt, die Anrechnung des Unterhaltsanspruchs der früheren Witwe den übrigen Hinterbliebenen zugute kommen zu lassen (allgemeine Auffassung; vgl. Keller, in: Hauck/Noftz, § 70 Rz. 1; Bereiter-Hahn/Mehrtens, § 70 Anm. 7.2; Wannagat/Benz, § 70 Rz. 5).

2.2 Rente im Sterbevierteljahr

 

Rz. 6

Gemäß Abs. 1 Satz 3 wird die Witwen- oder Witwerrente bis zum Ablauf des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem der Ehegatte verstorben ist (Sterbevierteljahr), nicht gekürzt. Bei den übrigen Hinterbliebenen wird die Kürzung nach Maßgabe von Abs. 1 Satz 1 vorgenommen.

2.3 Subsidiäre Ansprüche

 

Rz. 7

Nach Abs. 1 Satz 4 ist der Anspruch von Verwandten der aufsteigenden Linie (Elternrente nach § 69), von Stief- und Pflegeeltern sowie Pflegekindern subsidiär. Sie haben nur insoweit Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach diesem Versicherten, soweit der Höchstbetrag nicht bereits durch die bevorrechtigten Hinterbliebenen (Witwe, Witwer, früherer Ehegatte, Waise) ausgeschöpft wird. Dies gilt auch für Ansprüche, die vor dem Inkrafttreten von Abs. 1 Satz am 1.8.2003 bereits entstanden waren (BSG, Urteil v. 28.4.2004, B 2 U 12/03 R). Die ab 1.8.2003 geltende Fassung der Vorschrift sieht vor, dass auch der Waisenrentenanspruch von Pflegekindern subsidiär ist. Vorher war dies nicht der Fall.

 

Rz. 8

Eine Übergangsregelung gibt es hier nicht. Damit wird eine in der sozialrechtlichen Rechtsprechung bisher nicht einheitlich beantwortete Frage des intertemporalen Sozialrechts aufgeworfen. Der für die Unfallversicherung zuständige Revisionssenat des BSG hat diese Frage dahingehend beantwortet, dass die Neufassung zwar keine Rückwirkung entfaltet, jedoch vom 1.8.2003 an auch diejenigen Ansprüche erfasst, die vor ihrem Inkrafttreten bereits entstanden waren (BSG, Urteil v. 28.4.2004, B 2 U 12/03 R, SozR 4-2700 § 70 Nr. 1 = SGb 2004 S. 477). Zur Begründung hat das BSG ausgeführt, der Gesetzgeber dürfe eine unter der Geltung des früheren Rechts erworbene Rechtsposition nur dann beseitigen oder wesentlich entwerten, wenn das hinter der Neuregelung stehende Gesetzesinteresse Vorrang vor dem Schutz bestehender Rechte beansprucht. Letzteres folgert das BSG aus der Entstehungsgeschichte der Neuregelung. Danach habe der Gesetzgeber die Neuregelung befürwortet, weil die Rechtsfolge des § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VII bei Vorhandensein leiblicher Kinder vor allem bei einem Wegzug der Pflegekinder aus dem Haushalt der Pflegefamilie zu einer nicht nachvollziehbaren finanziellen Benachteiligung und Schlechterstellung des überlebenden Elternteils und seiner leiblichen Kinder und damit zu einer finanziellen Bestrafung des zu Lebzeiten des verstorbenen Pflegeelternteils gezeigten sozialen Engagements führe. Daraus, dass der Gesetzgeber diesen Beschluss mit der Gesetzesänderung umsetzen wollte, müsse entnommen werden, dass ihm die dafür vorgebrachten Gründe einsichtig erschienen und nunmehr eine Korrektur der bisherigen Regelung erfolgen sollte, um deren angenommenen negativen Folgen für die Zukunft zu beseitigen. Dass davon die bereits betroffenen Familien mit Pflegekindern in der Situation der Kläger ausgenommen werden sollten, könne nicht angenommen werden, zumal allein so dem Zweck der Verhinderung möglicher Benachteil...

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