Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzlicher Abfindungsanspruch infolge betriebsbedingter Kündigung neben Sozialplanentschädigung bei fehlender Sozialplanregelung zur Anspruchskonkurrenz
Leitsatz (amtlich)
Keine generelle Anspruchskonkurrenz zwischen Sozialplanabfindung und Abfindung nach § 1 a KSchG.
Leitsatz (redaktionell)
1. Enthält das Kündigungsschreiben unter der Überschrift "Hinweise" unter anderem den Satz "Lassen Sie diese Frist verstreichen, ohne eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht zu erheben, haben Sie nach § 1a KSchG Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe eines halben Monatsverdienstes für jedes volle Beschäftigungsjahr", wiederholt die Arbeitgeberin damit sinngemäß die Regelungen in § 1a Abs. 1 Satz 2 und § 1a Abs. 2 Satz 1 KSchG, so dass der Empfänger des Schreibens die Erklärung als ein Versprechen nach § 1a KSchG ansehen kann.
2. Der Mitteilung des Kündigungsschreibens "Der Betriebsrat ist in dieser Angelegenheit angehört worden, er hat der Kündigung zugestimmt und mit der Geschäftsführung ein Interessenausgleich zum Ausgleich der Nachteile aus der betriebsbedingten Kündigung abgeschlossen" kann wegen des folgenden und mit "Hinweise" überschriebenen Textes zur Abfindung gemäß § 1a KSchG nicht entnommen werden, dass die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer damit (eigentlich) kein Angebot gemäß § 1a KSchG unterbreiten will; dem widerspricht ihr vorbehaltloser Hinweis auf die gesetzliche Abfindungsregelung.
3. Die objektiven Voraussetzungen des Anspruchs gemäß § 1a KSchG sind mit der Unterlassung der Kündigungsschutzklage erfüllt; eine Klagebereitschaft ist insoweit keine Anspruchsvoraussetzung.
4. Mit der Regelung des § 1a KSchG sollen neben der Milderung wirtschaftlicher Nachteile des Arbeitnehmers durch den betriebsbedingten Verlust des Arbeitsplatzes auch Kündigungsschutzklagen vermieden und Planungssicherheit für die Arbeitgeberin hergestellt und dem Arbeitnehmer das Risiko eines für ihn nachteiligen Ausgangs eines Kündigungsschutzprozesses und der daraus resultierenden rechtlichen Folgen erspart werden; da auch eine gesetzliche Regelung über das Verhältnis des Anspruchs nach § 1a KSchG zu einem Anspruch aus einem Sozialplan fehlt, kann angesichts des weiteren Gesetzeszwecks eine generelle Anspruchskonkurrenz nicht angenommen werden.
5. Eine Anspruchskonkurrenz zwischen gesetzlichem Abfindungsanspruch bei betriebsbedingter Kündigung Entlassungsentschädigung gemäß § 1a KSchG und Sozialplananspruch ist im Sozialplan zu regeln (Anrechnungsklausel).
Normenkette
KSchG § 1a; KSchG § 1a Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1; BetrVG § 112 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 04.03.2015; Aktenzeichen 5 Ca 1616/14) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt (Oder) vom 4. März 2015 - 5 Ca 1616/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte, bei der er seit 1974 beschäftigt war, auf Zahlung einer Abfindung nach § 1 a KSchG in Höhe von 86.300,00 Euro in Anspruch, nachdem er gegen die betriebsbedingte Kündigung der Beklagten mit dem Schreiben vom 10. Februar 2014 (Anlage K 1, Bl. 4 - 5 d. A.) keine Kündigungsschutzklage erhoben hat und die Beklagte an ihn eine Abfindung aus einem Interessenausgleich vom 15. Januar 2014 (Anlage K 3, Bl. 7 - 10 d. A.) in gleicher Höhe gezahlt hat. Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils abgesehen.
Durch das Urteil vom 4. März 2015 hat das Arbeitsgericht Frankfurt (Oder) die Beklagte antragsgemäß und kostenpflichtig zur Zahlung von 86.300,00 Euro nebst Zinsen verurteilt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe nach § 1 a KSchG eine Abfindung in unstreitiger Höhe zu, denn die Kündigung vom 10. Februar 2014 sei auf dringende betriebliche Gründe gestützt und habe den Hinweis enthalten, dass der Arbeitnehmer eine Abfindung beanspruchen könne, wenn er innerhalb der Frist gem. § 4 Satz 1 KSchG keine Klage erhebe. Das Kündigungsschreiben enthalte auch kein hinreichend eindeutiges, von § 1 a Abs. 2 KSchG abweichendes Abfindungsangebot, denn die Beklagte habe im Kündigungsschreiben eindeutig den Wortlaut des § 1 a KSchG verwendet und keinen Hinweis auf eine Abfindung nach dem Interessenausgleich vom 15. Januar 2014 vorgenommen, Anhaltspunkte für eine abweichende vertragliche Vereinbarung sei nicht ersichtlich. Die Beklagte habe zwar möglicherweise tatsächlich nur eine Abfindung - nämlich die aus dem Interessenausgleich - zahlen wollen, dies jedoch im Kündigungsschreiben nicht deutlich gemacht und habe ihre Erklärungen nach Zugang der Kündigung nicht rückgängig mach können. Die Betriebsvereinbarung enthalte auch keine mögliche Anrechnungsklausel. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 66 - 70 d. A.) verwiesen.
Gegen das der ...