Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerspruchskündigung. Sozialplanabfindung
Leitsatz (amtlich)
1. Einem Arbeitnehmer, der dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Betriebsteilübergangs widersprochen hat, kann betriebsbedingt gekündigt werden, auch wenn der Betriebsteilübergang noch nicht vollständig vollzogen ist. Es genügt, wenn beim Veräußerer voraussichtlich nach Ablauf der Kündigungsfrist keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestehen wird.
2. Es verstößt nicht gegen § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG, wenn in einem Sozialplan Arbeitnehmer, die einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Betriebsteilübergangs wiedersprochen haben und das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, jegliche Abfindungszahlung versagt wird.
Normenkette
BetrVG § 75 Abs. 1 S. 1; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 07.05.2002; Aktenzeichen 34 Ca 36499/01) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 7. Mai 2002 – 34 Ca 36499/01 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die am … 1964 geborene Klägerin stand seit dem 01. Oktober 1995 als Pharmareferentin in den Diensten der Beklagten.
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum Jahresende, nachdem diese dessen Übergang auf die Ph. R. GmbH im Rahmen eines Betriebsteilübergangs widersprochen hatte.
Die Klägerin wendet sich gegen die Kündigung und verlangt hilfsweise Zahlung einer Abfindung auf der Grundlage eines „Freiwilligen Sozialplans” vom 26. April 2001 (Ablichtung Bl. 28–33 d.A.).
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei sozial gerechtfertigt, weil der Arbeitsplatz der Klägerin aufgrund Betriebsteilübergangs bei der Beklagten weggefallen sei; sie sei auch fristgerecht ausgesprochen worden. Ein Anspruch aus dem Sozialplan vom 26. April 2001 bestehe nicht, weil die Parteien für die Betriebsänderung im Zusammenhang mit dem Betriebsteilübergang durch eine Betriebsvereinbarung über Interessenausgleich und Sozialplan vom 24. September 2001 eine spezielle Regelung getroffen hätten. Dass dieser Sozialplan Mitarbeitern, die wie die Klägerin noch nicht das 50. Lebensjahr vollendet hätten, nach Widerspruch und anschließender Kündigung keine Abfindung zugesprochen habe, sei nicht gesetzwidrig, weil ihnen im Hinblick auf § 613a BGB ein sicherer Arbeitsplatz bei der Erwerberin zu denselben Bedingungen wie bisher zur Verfügung gestanden habe.
Gegen dieses ihr am 31. Mai 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. Juni 2002 eingelegte und am 28. August 2002 nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist begründete Berufung der Klägerin. Sie bestreitet, dass die faktische Leitungsmacht bereits am 01. Oktober 2001 auf die Erwerberin übergegangen sei; vielmehr seien die Außendienstmitarbeiter im Oktober 2001 von der Arbeit freigestellt gewesen.
Die Betriebsvereinbarung vom 24. September 2001 hält die Klägerin für unwirksam, weil durch die darin getroffene Regelung sämtliche Außendienstmitarbeiter, die das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt hätten, ohne sachlichen Grund gegenüber der Regelung im Sozialplan vom 26. April 2001 benachteiligt würden. Zudem sei ihr die Tätigkeit für die Übernehmerin nicht zumutbar, weil diese keine eigenen Produkte vertreibe, sondern ihre Mitarbeiter für den Vertrieb der Produkte anderer Unternehmen jeweils zeitlich begrenzt einsetze. Hierbei könne ihre Glaubwürdigkeit gegenüber dem langwierig aufgebauten Kundenstamm nicht erhalten bleiben, zumal monatelange Beschäftigungspausen entstünden.
Im Übrigen habe der Vorstandsvorsitzende der Beklagten Anfang September 2001 in einem Informationsgespräch zugesagt, dass Mitarbeiter, die nicht bei der Erwerberin weiterarbeiten wollten, selbstverständlich alle Abfindungen entsprechend den Berechnungsmethoden des Sozialplans vom 26. April 2001 erhielten. Von dem neuen Sozialplan habe sie bei Erklärung ihres Widerspruchs noch keine Kenntnis gehabt.
Die Klägerin beantragt.
unter Änderung des angefochtenen Urteils festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2001 nicht aufgelöst worden sei,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 15.769,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01. Januar 2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt den Angriffen der Berufung im Einzelnen entgegen und verweist auf den unter dem 26. Oktober 2001 unterzeichneten Kaufvertrag mit der Ph. R. GmbH (Ablichtung Bl. 210–217 d.A.).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1. Die innerhalb der verlängerten Begründungsfrist ordnungsgemäß begründete Berufung der Klägerin ist in der Sache unbegründet.
1.1 Das Arbeitsverhältnis der Klägerin...