Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer dem Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen aufgrund eines Sanierungstarifvertrages entgegenstehenden Kündigung von Arbeitsverhältnissen durch den Insolvenzverwalter
Leitsatz (amtlich)
Die Vereinbarung in einem Sanierungstarifvertrag, dass betriebsbedingte Kündigungen befristet ausgeschlossen sind und nur in unvorhergesehenen, wirtschaftlich dringenden Fällen mit ausdrücklicher Zustimmung des Betriebsrats und der Gewerkschaft zulässig sind, wird vom Sonderkündigungsrecht des Insolvenzverwalters aus § 113 Satz 1 InsO verdrängt (Abgrenzung zu BAG 19.01.2000 - 4 AZR 911/98, [...]).
Normenkette
InsO § 113 S. 1; TVG § 1
Verfahrensgang
ArbG Wuppertal (Entscheidung vom 26.03.2015; Aktenzeichen 6 Ca 3188/14) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 26.03.2015 - 6 Ca 3188/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
Der am 26.03.1961 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit dem 02.08.1999 bei der Beklagten als Stahlformenbauer zu einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung von 2.870,00 € beschäftigt.
Die Beklagte betreibt in X. und W. mit zuletzt 80 Arbeitnehmern zwei Produktions- bzw. Logistikstandorte, an denen Zinkgussdruckartikel hergestellt und vertrieben werden. Die Beklagte hat sich durch Firmentarifvertrag zur Anerkennung der Tarifverträge für Arbeiter/-innen, Angestellte und Auszubildende in der Metallindustrie des Tarifgebietes Nordrhein-Westfalen verpflichtet. Mit Sanierungstarifvertrag vom 25.11.2013 wurde eine Beschäftigungssicherung bis zum 31.12.2014 vereinbart. § 3 dieses Tarifvertrages lautet:
"§ 3 Beschäftigungssicherung.
a) Bis 31.12.2014 sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen.
b) Sollte es aus unvorhergesehenen, dringenden wirtschaftlichen Gründen notwendig sein betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, so sind diese nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Betriebsrates und der IG Metallzulässig."
Am 01.09.2014 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet. Schon zuvor hatte die Beklagte mit dem bei ihr gewählten Betriebsrat Verhandlungen über ein Sanierungskonzept eingeleitet, die am 26.09.2014 mit der Vereinbarung eines Interessenausgleichs mit Namensliste abgeschlossen wurde. Gem. § 5 Satz 1 des Interessenausgleichs ergeben sich die von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer/-innen aus der als Anlage 2 beigeschlossenen Liste, welche Bestandteil des Interessenausgleichs ist. Der Kläger ist in der Namensliste als einer von 19 zu kündigenden Arbeitnehmern aufgeführt. Im Bereich Formenbau war ausweislich des Interessenausgleichs ein Personalabbau von bisher sechs auf drei Mitarbeiter vorgesehen. Der bisher im Formenbau tätige Betriebsratsvorsitzende wurde in eine andere Abteilung versetzt, sodass zwei Mitarbeiter aus diesem Bereich die Kündigung erhielten. Nach einer als "Anlage 2: zur Namensliste zum Interessenausgleich" der Namensliste beigefügten "Sozialbetrachtung" (Bl. 85 dA) erreichte der Kläger 63 Punkte. Die Mitarbeiter der Abteilung Formenbau, deren Arbeitsverhältnisse nicht gekündigt wurden, erreichten eine geringere Punktzahl (Herr G. 54 Punkte, Herr B. 44 Punkte, Herr I. 34 Punkte). Der Mitarbeiter U. I. wird seit dem 01.01.2015 in der Funktion des Leiters "Formenbau/Formeninstandhaltung" beschäftigt.
Ebenfalls am 26.09.2014 erstattete die Beklagte Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit unter Beifügung des unterzeichneten Interessenausgleichs. Nach Erhalt der Eingangsbestätigung der Agentur für Arbeit kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26.09.2014, dem Kläger zugegangen am 29.09.2014, zum 31.12.2014. Am 30.09.2014 vereinbaren die Betriebsparteien eine weitere Anlage zum Interessenausgleich, wonach anstelle einer ursprünglich in der Namensliste aufgeführten und zunächst gekündigten Arbeitnehmerin eine andere auf die Liste gesetzt wurde, die auf die ihr angebotene Stelle nachträglich verzichtet hatte. Am 01.10.2014 gab die Beklagte eine entsprechende Korrekturmeldung zur Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit ab.
Mit seiner am 16.10.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewendet. Er hat geltend gemacht, dass der Interessenausgleich mit Namensliste vom 26.09.2014 keine Vermutungswirkung nach § 125 Abs. 1 S. 1 InsO entfalte. Die Namensliste sei nicht abschließend und endgültig gewesen, wie ihre nachträgliche Änderung vom 30.09.2014 zeige. Außerdem sei sie unvollständig. Im Übrigen sei die Sozialauswahl grob fehlerhaft, da der sozial weniger schutzwürdige Arbeitnehmer G. ebenfalls im Formenbau tätig und mit ihm vergleichbar sei. Ferner hat der Kläger Mängel im Verfahren der Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG und die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten.
Der Kläger h...