Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Gesamtbetriebsrats auf Ermittlung des Berufsbildungsbedarfs
Leitsatz (redaktionell)
1. Kann das Mitbestimmungsrecht sinnvoll nicht von den Betriebsräten der Einzelbetriebe wahrgenommen werden, da die Berufsbildungsmaßnahmen für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Arbeitgeberin zentral geplant werden und sowohl die Interessen der einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie der Belegschaften als auch die Interessen der Arbeitgeberin an einer sinnvollen Regelung des Berufsbildungsbedarfs beachtet und koordiniert werden müssen, ist eine Regelung für das gesamte Unternehmen erforderlich, die nur mit dem Gesamtbetriebsrat getroffen werden kann.
2. Der Gesamtbetriebsrat kann verlangen, dass die Arbeitgeberin vor oder im Zuge der Beratungen den Berufsbildungsbedarf ermittelt; damit ist die Arbeitgeberin nicht nur zur Weitergabe vorhandenen Wissens sondern auch zur Informationsbeschaffung verpflichtet.
3. Der zu ermittelnde Bedarf bezieht sich auf die Berufsbildungsmaßnahmen insgesamt; der Berufsbildungsbedarf ergibt sich aus der Durchführung einer Ist-Analyse, der Erstellung eines Soll-Konzeptes und aus der Ermittlung des betrieblichen Bildungsinteresses.
4. Zur betrieblichen Berufsbildung gehören nur die Maßnahmen, die über die (mitbestimmungsfreie) Unterrichtung der Beschäftigten hinsichtlich ihrer Aufgaben und Verantwortung, über die Art ihrer Tätigkeit und deren Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebes sowie über die Unfall- und Gesundheitsgefahren und die Maßnahmen und Einrichtungen zur Abwendung dieser Gefahren im Sinne von § 81 BetrVG hinausgehen, indem sie den Beschäftigten gezielt Kenntnisse und Erfahrungen vermitteln, die sie zur Ausübung einer bestimmten Tätigkeit erst befähigen oder es ermöglichen, die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erhalten; es geht mithin um die gezielte Vermittlung beruflicher Kenntnisse und Erfahrungen, auf deren Grundlage die Beschäftigten im Betrieb konkrete Tätigkeiten unter Einsatz dieser Kenntnisse und Erfahrungen ausüben können.
5. Veranstaltungen, mit denen die Arbeitgeberin die Beschäftigten befähigen will, gegenüber Kundinnen und Kunden freundlicher und hilfsbereiter zu sein, gehören nicht zu den Maßnahmen der beruflichen Bildung; werden auch solche Veranstaltungen unter der Bezeichnung "internes Training" angeboten ("Aufmerksamkeit gegenüber den Kunden" oder "Warenpräsentation") und ist damit ein Fall denkbar, in dem das Beteiligungsrecht nicht besteht, kann der Betriebsrats Beteiligungsrechte aus § 96 Abs. 1 BetrVG nicht global für alle "internen Trainings" geltend machen.
Normenkette
BetrVG § 50 Abs. 1 S. 1, § 96 Abs. 1 S. 2; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 02.05.2011; Aktenzeichen 26 BV 23/09) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 02. Mai 2011 - 26 BV 23/09 - teilweise abgeändert:
In Ziffer 3 des Tenors entfällt der Begriff "internen Trainings", insoweit wird der Antrag abgewiesen.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde für die Antragsgegnerin wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten über den Umfang der Verpflichtungen der Antragsgegnerin zur Ermittlung des Berufsbildungsbedarfs iSd. § 96 BetrVG..
Die Antragsgegnerin hat ca. 17500 Beschäftigte, die zum größten Teil in den ca. 370 Filialen eingesetzt sind; außerdem gibt es eine zentrale Administration, die in Ha. angesiedelt ist. Soweit Betriebsräte gebildet sind, bestehen sie bei den einzelnen Filialen. Jeweils 25 bis 35 Filialen sind zu 13 oder 14 sogenannten Areas zusammengefasst.
Die Antragsgegnerin führt Berufsausbildung sowie sog. "interne Trainings" für ihre Beschäftigten durch. Die Berufsausbildung erfolgt jeweils in der einzelnen Filiale, Trainings finden teilweise in den Filialen statt, teilweise auch filialübergreifend oder sogar areaübergreifend. Bei der Antragsgegnerin gibt es eine Weiterbildungsverantwortliche für Deutschland, Frau Gr., eine Ausbildungsverantwortliche für Deutschland, Frau Be., und eine Mitarbeiterin, die für die Koordination der Trainings in Deutschland verantwortlich ist, Frau Beh.. Die Entwicklung und inhaltliche Gestaltung der Trainings erfolgt ausschließlich zentral. Dasselbe gilt für die Anleitung und Schulung der Trainer. Die Trainings für Führungskräfte organisiert Frau Beh., die Trainings für die Mitarbeiter im Verkauf organisiert der jeweilige Area-Personalleiter. Die Anmeldung der Verkaufsmitarbeiter zu den Trainings obliegt dem jeweiligen Storemanager, also Filialleiter, der auch für die Personalplanung der einzelnen Filiale verantwortlich ist.
Die absolvierten Trainings werden auf einem zentral erstellten Trainingspass vermerkt, der jedem neu eingestellten Mitarbeiter übergeben wird (Anl. Ast 6, Bl. 134, 135 d.A.).
Der Antragsteller, der Gesamtbetriebsrat, hat vorgetragen, er sei für die Wahrnehmung der Rechte der bet...